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Kommentar SexualstrafrechtMaas bleibt mäßig

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Sexualstrafrecht bleibt weitgehend reaktionär. „Nein heißt Nein“ gilt weiter nicht, Frauen müssen meist Widerstand leisten.

Der Justizminister tut sich beim neuen Sexualstrafrecht nicht besonders hervor. Foto: dpa

N ie war die Situation so günstig, im Sexualstrafrecht das Prinzip „Nein heißt Nein“ einzuführen. Strafbar wäre dann, wenn jemand an einem anderen gegen dessen erklärten Willen sexuelle Handlungen vornimmt. Eine Konvention des Europarats hat dies 2011 zum europäischen Standard erklärt, die sozialdemokratischen Vorzeigeländer Hamburg und Rheinland-Pfalz setzen sich im Bundesrat dafür ein, auch die CDU würde wohl mitmachen - nur der zuständige Justizminister Heiko Maas zaudert und sperrt sich.

Heute beschließt das Bundeskabinett einen von Maas vorgelegten Gesetzentwurf, mit dem punktuell einige Strafbarkeitslücken geschlossen werden sollen. Das ist zwar einerseits ein Schritt in die richtige Richtung. Zugleich ist die juristische Konstruktion aber geradezu reaktionär.

In einem neuen Paragraph 179 wird als Normalfall konstruiert, dass die Frau gegen eine Übergehung ihres Willens „Widerstand“ leisten muss. Nur in Ausnahmefällen – etwa wenn die Frau „zum Widerstand unfähig“ ist – könne auf die Gegenwehr als Grundlage der Strafbarkeit verzichtet werden. So wird die sexuelle Selbstbestimmung der Frau gerade nicht geschützt, sondern relativiert und auf „besondere Umstände“ begrenzt.

Dem Gesetzentwurf ist anzumerken, dass Maas ursprünglich gar nichts am Sexualstrafrecht ändern wollte. Inzwischen akzeptiert er zwar, dass es dort Schutzlücken gibt, die nur mit der patriarchalen Geschichte dieses Rechtsgebiets erklärbar sind. Und als das Kanzleramt im letzten Herbst seinen zwiespältigen Entwurf monatelang blockierte, galt Maas für kurze Zeit sogar als emanzipatorischer Hoffnungsträger.

Doch diese Rolle hat er nun wie eine lästige Zumutung abgestreift. Der große Wurf soll nicht seinen Namen tragen. Nun müssen wohl Abgeordnete zum Vorreiter für die sexuelle Selbstbestimmung werden. Ab heute beginnt die parlamentarische Beratung.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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8 Kommentare

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  • "Strafbar wäre dann, wenn jemand an einem anderen gegen dessen erklärten Willen sexuelle Handlungen vornimmt."

     

    Das ist bahnbrechend. Denn bisher wußten die Frauen noch nicht, daß sie einer Vergewaltigung gar nicht zustimmen mußten.

  • Ich glaube, der kleineHeiko ist grade mit seiner neuen Love-affair viel zu beschäftigt, um noch hlbwegs anständige Politik zu machen. Warum drängt sich mir der Scharping Vergleich so auf: http://www.bunte.de/stars/stars-die-liebe/stars-frisch-verliebt/natalia-woerner-heiko-maas-die-neue-frau-seiner-seite-261091.html

    • @Jens Frisch:

      Zwar etwas unpassend - weil -Beinkleidbehaftet bis zur Zahnseide -

      Vielleicht aber auch nicht:

      "„Mein Mann ist ein Vollblutpolitiker, aber wenn ich höre, wie viele Heiratsanträge er ständig bekommt, weiß ich nicht, ob das mit der Politik so eine gute Idee ist.“ ..." dess pascht scho!

      Diese vielfältig ersichtlichen

      So eklatanten Fehleinschätzungen

      Sind nämlich auch sonst gewichtige Gründe dafür - u.a. -

      Einer hier thematisierten Verschärfung des Strafrechts nur zögerlich -

      Näher treten zu wollen.

      Wie z.B. dezidiert von Fischer im Recht

      vertreten. http://www.zeit.de/serie/fischer-im-recht

  • Was wird denn konkret an Widerstand gefordert, um gegenwärtig von einer Vergewaltigung auszugehen?

  • Ohne Frage gibt es hier eine rechtliche Schutzlücke. Doch dies sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass real das größte Problem viel eher die Beweisbarkeit ist. Die meisten Vergewaltigungen finden im Bekannten- und Familienkreis statt, also auch in den heimischen vier Wänden. Und daher steht hier dann meist das klassisches Er-sagt-sie-sagt gegeneinander und das ist in einem Rechtsstaat nun mal kein ausreichender Beweis. Es spielt dabei doch gar keine Rolle, ob die Frau jetzt nur Nein gesagt hat oder sich auch wehrte oder schrie, wenn dies eh niemand belegen kann. Dass reale Problem ist, dass es in der Natur dieses Verbrechens liegt, dass es meist keine Zeugen gibt und auch wenig Spurenmaterial, da man Sperma nun mal nicht ansehen kann ob es auch einem erzwungenen Akt resultiert oder nicht.

     

    Aber es scheint schwer zu sein für eine Gesellschaft, zu akzeptieren, dass man manche Sachen niemals wird komplett auslöschen können.

    • @Dubiosos:

      Völlige Zustimmung. Ich denke niemand hierzulande - auch wenn das einige mit allzu schlichtem Feindbild sicherlich nicht wahrhaben wollen - will Vergewaltigung nicht aufklären. Ohne forensische Beweisbarkeit wird das aber nichts; "Nein heißt Nein" klingt sicherlich super einfach, führt aber letztlich nur zu einem Aussage-gegen-Aussage-Wirrwarr von dem letztlich wie immer keiner weiß was er zu halten hat.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Maasgeschneidert, wie immer mit zu breiten Ärmeln und zu großer Hose.

  • "Das Sexualstrafrecht bleibt weitgehend reaktionär. „Nein heißt Nein“ reicht nicht, Frauen müssen weiterhin meist „Widerstand“ leisten."

    mal - "Schulz!" - Herr Rath -

    Mit Daniel S. - Eine Frage - der Härr!

    Fischer im Recht ~> Reaktionär?

    In escht? http://www.zeit.de/serie/fischer-im-recht