Reform des College-Sports: Fernsehsport first
Das Sportfördersystem in den USA halten viele für vorbildhaft. Im Zuge der Kommerzialisierung wird das aber zu seinem Nachteil reformiert.
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D ie olympischen Kernsportarten Schwimmen und Leichtathletik in Deutschland sind international ins Hintertreffen geraten, das haben zuletzt die Weltmeisterschaften der vergangenen Wochen offenbart. Und im Diskurs über die vermeintliche deutsche Sportkrise wird nun immer häufiger neidisch auf die USA geschielt.
Die konstante Sportweltmacht, so hört man in den vergangenen Wochen unermüdlich, verfüge über das perfekte System der Talentförderung. An den amerikanischen Colleges könne man Berufsausbildung und Sport mühelos kombinieren. Das Resultat seien kontinuierliche Medaillengewinne bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.
Die Athleten, die dieses System durchlaufen, wissen, was sie daran haben. Gleichzeitig machen sie sich in diesen Tagen große Sorgen darum. So schrieb die einstige Schwimm-Olympiasiegerin Summer Sanders, 50, am Wochenende auf ihren Social-Media-Kanälen: „Es macht mich traurig, was derzeit mit dem College-Sport passiert. Bitte vergesst nicht, dass olympische Sportler das College brauchen, um sich ihre Träume zu erfüllen.“
Grund für das Lamento von Sanders ist eine immer rasantere Kommerzialisierung und Durchprofessionalisierung des College-Sports. Die New York Times nannte das heutige College-Sport-System einen vollkommen „unregulierten kapitalistischen Wilden Westen“.
Andere Ligen für mehr TV-Geld
Jüngster Stein des Anstoßes ist die Umsortierung der sogenannten Conferences im College-Sport. Im historisch gewachsenen akademischen Sport messen sich seit 100 Jahren und länger Universitäten in Mini-Ligen mit meist regionalen Rivalen. Der nationale Wettbewerb der besten Mannschaften aus den „Konferenzen“ wurde nachträglich auf dieses System aufgepfropft.
Nun wird dieses System jedoch ad absurdum geführt. Zum neuen akademischen Jahr haben sich zwei der athletisch stärksten Colleges aus Nordkalifornien der American Atlantic Conference im Osten angeschlossen. Die ruhmreiche Pacific-12 Conference ist damit in ihrer Existenz bedroht.
Dabei geht es ausschließlich um das Geld. Der Wechsel setzt den Trend zu nationalen „Super-Conferences“ fort, die sich leichter vermarkten lassen. Mit den kalifornischen Teams kann die atlantische Liga deutlich höhere Beträge für TV-Rechte abrufen. Der Trend, so die New York Times, geht hin zu einem Modell europäischer Profi-Ligen mit Auf- und Abstiegsmöglichkeiten.
Das Geld (die Atlantic Coast Conference erwirtschaftete etwa im vergangenen Jahr rund 617 Millionen Dollar) wird freilich nicht mit den olympischen Sportarten verdient, sondern mit Fernsehsportarten wie Football und Basketball. Sportarten wie Schwimmen, Leichtathletik, Rudern oder Ringen sind vergleichsweise kaum rentabel.
Der Charakter verändert sich
Worum sich Olympiasportler wie Sanders nun Sorgen machen, ist, dass für sie das verlorengeht, was das System so effizient macht. Anstatt Studium und Sport perfekt zu kombinieren, um sich auf Olympia vorzubereiten, sitzen sie ständig im Flieger, um auf der anderen Seite des Landes Rennen zu schwimmen und zu laufen. Klassische regionale Rivalitäten, welche die Sportler über Generationen motiviert haben, gehen verloren. Der ganze Charakter des College-Sports verändert sich.
Aber Schwimmer und Läufer waren in den USA eben noch nie so wichtig wie Football-Spieler, die sich im nationalen Fernsehen für Profiverträge empfehlen wollen. Allerdings wird es dem Publikum dann schon auffallen, wenn bei den Olympischen Spielen in Los Angeles 2028 die Medaillenausbeute nicht ganz so ausfällt wie erhofft.
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