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Reform der SchuldenbremseBundesbank plädiert für mehr Schulden

Der Vorschlag könnte bei den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen. Der neuen Bundesregierung stünden viele Milliarden Euro mehr zur Verfügung.

Bundesdienstflagge und Europafahne vor der Deutschen Bundesbank-Zentrale in Frankfurt Foto: Arne Dedert/dpa

Berlin taz | Für Spendierfreudigkeit war die Bundesbank noch nie bekannt. Die frühere Notenbank der D-Mark, jetzt Teil des Eurosystems, legte immer Wert auf eine harte Währung – und auf staatliche Sparsamkeit, die sie als Basis dafür betrachtete. Deshalb ist es bemerkenswert, dass die Institution nun für eine höhere Verschuldung plädiert, als die Schuldenbremse im Grundgesetz bisher erlaubt.

Der Schwenk hatte sich angedeutet, etwa beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar. „Wir leben in einer Welt mit tektonischen Verschiebungen“, sagte Bundesbankchef Joachim Nagel dort, „diesen Veränderungen müssen wir uns stellen.“ Am Dienstag wurde der konkrete Vorschlag veröffentlicht, der in den Verhandlungen zwischen Union und SPD über die Bildung der neuen Bundesregierung eine Rolle spielen könnte. Die Spitzen der beiden Parteien stehen vor der Frage, woher sie Hunderte Milliarden Euro nehmen sollen, die für die Unterstützung der Ukraine, die Aufrüstung der Bundeswehr und zivile Infrastruktur-Investitionen gebraucht werden.

Momentan erlaubt die Schuldenregel dem Bund nur eine Kreditaufnahme von 0,35 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Jahr, was etwa 15 Milliarden Euro ausmacht. In Fällen schlechter Konjunktur kann die zulässige Kreditsumme auf mehr als 30 Milliarden Euro steigen. Länder und Gemeinden dürfen sich nicht verschulden.

Die Bundesbank schlägt demgegenüber vor, die jährliche Verschuldung auf mindestens 0,9 Prozent des BIP anzuheben, wenn die Gesamtverschuldung des Staates bereits über der in den EU-Verträgen festgelegten Grenze von 60 Prozent liegt. Das ist augenblicklich der Fall. Sänke die Gesamtverschuldung künftig unter 60 Prozent, soll eine Kreditaufnahme von bis zu 1,4 Prozent im Verhältnis zum BIP erlaubt sein. Der zusätzliche Spielraum für Investitionen beliefe sich damit auf etwa 100 bis 220 Milliarden Euro bis 2030, rechnerisch zwischen 16 bis 37 Milliarden Euro jährlich, wobei die Mittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu teilen wären.

Deutlich höherer Spielraum

Die Bundesbank rät, die Schuldenregel im Grundgesetz entsprechend zu ändern. Parallel dazu sei es auch möglich, etwa ein höheres Sondervermögen zur besseren Finanzierung der Bundeswehr einzurichten. Diese Kredite müssten jedoch auf die neue Regel angerechnet werden. Das Gleiche sollte für höhere Verteidigungsausgaben gelten, die sich möglicherweise aus einer Änderung der EU-Politik ergeben.

Orientierten sich die kommende Koalition und der Bundestag an diesem Vorschlag, stünde deutlich mehr Geld zur Verfügung. Allerdings reichte auch dieser Spielraum nicht an die bis zu 100 Milliarden Euro zusätzlicher Verschuldung heran, die derzeit im Umkreis der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD diskutiert werden.

„Es ist erfreulich, dass die Bundesbank ein neues Element in die Verhandlungen über die Regierungsbildung einbringt“, sagte Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie (IMK). Er plädierte dafür, die Schuldenbremse so zu lockern, dass zusätzliche kreditfinanzierte Investitionsausgaben von beispielsweise 60 Milliarden Euro jährlich über zehn Jahre möglich wären. Das solle unter anderem dazu dienen, die Verkehrswege zu modernisieren.

BIP stiege an

Nach neuen Berechnungen des IMK stiege dadurch das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands erheblich an. Das sei auch der Grund dafür, warum die Staatsschuldenquote – die Relation von Wirtschaftsleistung zu Schulden – mittelfristig nicht etwa zunehme, sondern sich im Gegenteil verringere, argumentierte das Institut. Dullien ist für eine Reform der Schuldenbremse und sprach sich gegen die vermeintlich einfache Lösung mittels neuer Sondervermögen aus.

Diesen Weg mit der noch vorhandenen Zweidrittelmehrheit des alten Bundestages zur Änderung des Grundgesetzes haben die vier Ökonomen Clemens Fuest, Michael Hüther, Moritz Schularik und Jens Südekum angeregt. Sie fürchten, dass eine Reform der Schuldenbremse an der Sperrminorität der rüstungskritischen Parteien AfD und Linke im neuen Bundestag scheitert. Die vier Ökonomen schlagen ein Sondervermögen von 400 Milliarden Euro für die Bundeswehr und eines mit 500 Milliarden Euro für Infrastruktur vor.

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