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Referendum in DänemarkLieber nicht EU erwähnen

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Das Verhältnis der DänInnen bleibt trotz der Zustimmung zu gemeinsamer Verteidigungspolitik zwiespältig. Über anderes entscheidet man gern allein.

Ministerpräsidentin Mette Frederiksen bei ihrer Kampagne für mehr europäische Zusammenarbeit Foto: Liselotte Sabroe/reuters

D änemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat geschafft, was noch keinem ihrer Vorgänger im Amt gelungen ist. Sie hat die DänInnen tatsächlich dazu gebracht, „Ja“ zu mehr Europa zu sagen. Mit dem klaren Votum für die Teilnahme an der gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union kann das Land nun auf eine seiner vier Ausnahmen von der Zusammenarbeit in der Europäischen Union verzichten, die die Voraussetzung dafür waren, dass Dänemark überhaupt noch EU-Mitglied ist.

Von einem solchen Schritt konnte eine Mehrheit der Bevölkerung trotz jeweils deutlicher Mehrheiten im Parlament weder im Jahr 2000 überzeugt werden, als die seinerzeit amtierende Regierung von der Bevölkerung ein Ja dafür haben wollte, doch die Gemeinschaftswährung Euro auch in Dänemark einzuführen, noch 2015 beim Referendum über die Teilnahme des Landes an der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit der EU.

Aber diesmal ging es auch nicht darum, direkt Souveränität abzugeben: Die Entscheidung, ob man sich auch an einer konkreten EU-Militärmission beteiligen will, bleibt bei Regierung und Parlament in Kopenhagen.

Trotzdem: Wurde am 1. Juni also Geschichte geschrieben und sind die DänInnen auf dem Weg, „richtige“ EU-BürgerInnen werden zu wollen? Darauf wollte sich nicht einmal Frederiksen mit ihren Sozialdemokraten verlassen. Und auch nicht die übrigen Ja-Parteien.

Es war sicherlich kein Zufall, dass auf dem Stimmzettel des Referendums das Wort EU überhaupt nicht vorkam. Dort war nur von „europäischer Zusammenarbeit“ die Rede. Und obwohl es beim Referendum um die EU-Verteidigungspolitik ging, suchte man auf den Plakaten der Ja-Seite eines vergeblich: Eine auch nur klitzekleine Europafahne. Wenn da etwas wehte, dann der rot-weiße Dannebrog. Je größer, desto besser.

Und wenn Mette Frederiksens Hauptargument für ein Verabschieden vom „Verteidigungsvorbehalt“ die Notwendigkeit einer europäischen Zusammenarbeit war, stellt sich natürlich sofort die Frage, welches Gewicht Dänemark denn ansonsten auf die Zusammenarbeit in der EU legt? Vor allem mit Blick auf den Solo-Kurs in der Flüchtlingspolitik.

Was haben die nun angeblich kurz vor der Realisierung stehenden Pläne, die Asylverfahren in ein Flüchtlingslager in Ruanda outzusourcen, mit EU-Zusammenarbeit zu tun? Die EU-Flüchtlingskommissarin kritisiert das jedenfalls als „kontraproduktiv“ und „egoistisch“. Von seiner Sonderrolle in der EU hat sich Dänemark nicht verabschiedet, solange es sich nur die Rosinen herauspickt.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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3 Kommentare

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  • Es ist gut die Zustimmung der anderen Länder zur EU kritisch zu hinterfragen. Nur eine Korrektur: den Solo-Kurs in der Flüchtlingspolitik gibt es so nicht. Die Flüchtlingspolitik der EU scheint mir recht uneinheitlich, insofern ist es da schwer einen Solo-Kurs zu haben. Wenn man überhaupt einen Hauptkurs ausmachen will, haben D und LUX einen Solo-Kurs. Daran sieht man, dass Solo-Kurse auch nicht unbedingt schlimm sind und auch eine EU-Zustimmung nicht immer nur in allen Aspekten positiv. An der offenen deutschen Flüchtlingspolitik kann es kaum Zweifel geben, denn nur sie weist darüber hinaus, dass die EU wieder einfach nur zu einem größeren Nationalstaat wird. Das zielt auf alle Menschen ab und deren Grundbedürfniss eine gemeinsame Menschheit zu bilden. Hier müssen sich D und LUX etwas dem EU-Kurs anpassen, der das (noch?) mehr "nationaler" sieht. Auf Dauer wird sich der "Solo-Kurs" natürlich durchsetzen, weil es 8 Mrd Menschen gibt, die zur Einheit wollen, aber nur 450 Mio Europäer, die sich etwas abschotten wollen.

  • Die Dänen betreiben genau das, was den Briten von Brüssel verweigert wurde: Rosinenpickerei.

    Aktuelles Beispiel: nachdem gestern die Kraftstoffpreise in Deutschland gesenkt wurden, haben etwa 1/3 der Tankstellenkunden in Harrislee und Flensburg ein dänisches Kennzeichen. Es sei ihnen gegönnt. Andererseits aber behindern die Dänen - wohlgemerkt Schengen-Unterzeichner - seit mittlerweile fast 7 Jahren die ungehinderte Ein- bzw. Durchreise Richtung Norden. Sie schiessen sich damit in das eigene Knie, denn sie erschweren damit auch deutschem Personal, das in ihrem Gesundheitswesen arbeitet, Tag für Tag die Einreise.

    www.nordschleswige...cht-pendlerin-will

  • Natürlich bleibt ein Nachgeschmack: Wenn es um Verteidigung geht, kommt ein Erwachen, dass die Dänen oder Skandinavier genauso überrollt werden könnten wie die Ukraine jetzt. Ansonsten lieber hyggelig, unter sich bleiben, solange man nichts verliert. Es ist ein Irrglaube, angesichts der Globalisierung von den Folgen verschont bleiben zu können, solange man zeitweise auch von ihr profitiert. Ich hege große Sympathie für den Wunsch, möglichst unabhängig bleiben zu wollen, insbesondere, wenn wir gerade erleben, wie abhängig die Wirtschaft, die uns gefangen hält. von den Lieferketten ist. Die Unfreiheit kommt auch von den Globalisierern, für die Profit vor Freiheit und Demokratie steht (Jawohl, Herr Habeck!) . Leider sitzen wir gemeinsam auf diesem Planet und zwar noch auf einer Sonnenseite, da lohnt es sich schon einmal, über die Grenzen zu schauen, wenn die Deiche brüchig werden. Europa von unten könnte eine Antwort geben ohne Scholz oder Orban, die sich von 'der Wirtschaft' erpressen lassen.