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Reduzierte Gaslieferungen durch RusslandVerordnetes Frieren?

In Deutschland wird diskutiert, welche Einsparungen beim Gasverbrauch im Wohnungssektor möglich sind. Vor allem Mieter wären betroffen.

Mieter könnte der Gasmangel im Winter kalt erwischen Foto: Westend61/imago

Haushalte sollen dazu bewegt werden, im kommenden Winter möglichst wenig Heizenergie zu verbrauchen. Am Wochenende propagierte daher die Ökonomin Veronika Grimm, Mitglied der „Wirtschaftsweisen“, in der Rheinischen Post eine Prämie für Haushalte, die ihren Gasverbrauch im kommenden Winter gegenüber dem Vorjahr drastisch reduzieren: „Das könnte man durch den Vergleich der Gasrechnungen relativ einfach überprüfen, und die Leute würden sich jetzt schon – entsprechend ihren Möglichkeiten – auf den Winter vorbereiten können.“

Diese Idee ist nur eine von vielen, die gerade in Politik und Wirtschaftswissenschaften diskutiert werden angesichts der zunehmend ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland. Da die Haushalte in Deutschland knapp hinter der Industrie die zweite große Verbrauchergruppe sind, liegt es nahe, auch diesem Sektor viel Aufmerksamkeit zu widmen. Zumal die Einsparmöglichkeiten alleine durch das Nutzerverhalten im Gebäudesektor riesig sind, wie Wohnungswirtschaft und Ablesefirmen aus ihren Abrechnungen sehr genau wissen.

Nach einem Mieterwechsel kann es nämlich vorkommen, dass der Heizenergieverbrauch in ein und derselben Wohnung sich massiv verändert – im Extremfall um den Faktor vier. Entsprechend stehen die Einsparoptio­nen im Gebäudesektor durch verändertes Nutzerverhalten derzeit besonders im Blickfeld der Politik. Dies vor allem auch, weil solche Einsparungen im Gegensatz zu vielen anderen Konzepten keiner Investitionen bedürfen und sich damit auch kurzfristig zum kommenden Winter umsetzen lassen.

Vergangene Woche schon hatte daher der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, den Vorschlag gemacht, den Gasverbrauch durch Änderungen im Mietrecht zu senken. Bisher definieren Gerichte in der Regel eine Mindesttemperatur von 20 bis 22 Grad in der Wohnung, bei deren Unterschreitung der Mieter Mietminderung geltend machen kann.

18 statt 20 Grad

Angesichts der schwierigen Situation in der Gasversorgung im kommenden Winter könnte der Gesetzgeber eine etwas niedrigere Grenze festsetzen. In der Folge könnten die Wohnungsunternehmen rechtssicher die Leistung der Heizungsanlage ein wenig drosseln. Dieser Gedanke liegt insofern nahe, als das Einsparpotenzial durch leichte Temperaturabsenkungen enorm ist: 1 Grad weniger in der Wohnung, so eine oft zitierte Faustregel, spart immerhin 6 Prozent Heizenergie.

Ein Unterstützer dieser Position ist auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Dessen Hauptgeschäfts­führer Gerd Landsberg sagte, auch eine Wohnung mit 18 oder 19 Grad könne noch gut bewohnt werden. „Dieses vergleichsweise kleine Opfer sollten alle mittragen können“, so der Kommunalvertreter.

Auf Ablehnung stieß Müllers Vorschlag indes bei Bundesbauministerin Klara Geywitz: „Gesetzlich verordnetes Frieren halte ich für unsinnig“, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Sie setze eher auf praktische Informationen für die Bürger.

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16 Kommentare

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  • Mir egal. Ich habe eine der letzten unsanierten Wohnungen in Schöneberg mit Kachelöfen und Durchlauferhitzer. Frieren muss ich nicht.

  • Man liest das ja allenthalben.



    Wie viele Mietwohnungen, also prozentual, werden eigetlich si versorgt, dass die derzeitgen Pläne überhaupt relevant wären?



    Also ich habe in mindestens 14 Mietwohnungen gewohnt, eine davon hatte keine Gasetagenheizung, die ich lustig aufdrehen kann wie ich will.



    1:14, bei wie vielen eigentumswohnungen und Häusern?

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    "... eine Prämie für Haushalte, die ihren Gasverbrauch im kommenden Winter gegenüber dem Vorjahr drastisch reduzieren: „Das könnte man durch den Vergleich der Gasrechnungen..."

    Ach ja? Und was ist mit all jenen, die schon seit langem ein Minimum an Energie verbrauchen? Die kriegen wohl nur noch die Rechnung fürs Frieren oder wie jetzt?

    Deutsche Politik mutiert langsam aber sicher zur "Blabla-Orgelei". Das war's.

  • Man müßte noch klären wie das überhaupt technisch umgesetzt werden soll. Dass da irgendwer im Heizraum am Kessel ein paar Knöpfe drückt und plötzlich wird es in den Wohnungen nur noch 18 Grad warm ist eine sehr naive Vorstellung. Das auf den Punkt auf maximal 18 Grad einzustellen ist ein umfangreiches Unterfangen, in den meisten Altbauten wohl sogar unmöglich. Um dem 18-Grad-Ziel auch nur Nahe zu kommen müßten Millionen Heizungen überprüft werden, man müßte Berechnungen anstellen, eventuell baulich anpassen, etc… Sowas dauert in der Breite wohl mindestens ein Jahrzehnt… Aber auch nur wenn die Heizungsfachleute sonst nichts besseres zu tun haben…

    Wie auch immer, eine solche gesetzliche Regelung wäre sehr sicher einfach nur eine Blamage mit Ansage.

  • Auf jeden Fall sollten wir Panikmachen vermeiden. In Deutschland werden die Heizkosten von HartzIV-Empfängern von der Kommune bezahlt. Die Kommune muss eine warme Wohnung bereitstellen. Hier besteht überhaupt kein Zwang zum Sparen von Heizkosten. Wer HartzIV bezieht, wird auch im kommenden Winter eine warme Wohnung haben! So oder so!

    • @casio:

      Ganz so einfach ist es nicht.



      "Der Heizspiegel zeigt für eine bestimmte Region auf, wie sich das durchschnittliche Heizverhalten der Menschen dort orientiert. Liegen Ihre Heizkosten deutlich über den Zahlen im Heizspiegel, wird ein unwirtschaftliches Heizverhalten unterstellt. Die Kosten für die Übernahme von Heizkosten werden dann durch das Jobcenter gedeckelt."



      hartz4widerspruch....wohnen/heizkosten/

  • Zu Bauministerin Geywitz: meine Schwiegereltern heizen im Winter die Wohnung auf 25 Grad - und sitzen immer noch mit Jacke da. Für sie ist eine Mindesttemperatur von 22 Grad also bereits gesetzlich verordnetes frieren. Und nun?

  • omas wollsocken ...

    zu weihnachten endlich auspacken und anne füße.



    opas alten wollpullover über die schulter ... und schon geht's.

    das alte federbett liegt bestimmt noch auf dem speicher.



    also, her damit.

    kriegswirtschaft im kleinen.

  • Frieren für die Freiheit



    Zitat: "Auf Ablehnung stieß Müllers Vorschlag indes bei Bundesbauministerin Klara Geywitz: „Gesetzlich verordnetes Frieren halte ich für unsinnig“, sagte die SPD-Politikerin"

    Dabei hat man damitin Ceaușescu-Rumänien gute Erfahrungen gemacht...

  • Deutschland war mal ein 1. Welt-Land. Eine Industrienation. Und jetzt soll im Winter gefroren werden.. Irre... Staubsaugen geht, aber bei 18 Grad Homeoffice - das wird kalt..



    Hauptsache die Haltung stimmt und unser freiwilliger Boykott ist moralisch richtig.

    • @Sengel:

      Deutschland war mal ein Land, in dem die Menschen nicht so wohlstandsverwöhnt und -verwahrlost waren, die ein Mindestmaß an Disziplin hatten und nicht sofort rumheulten, nur, weil ihnen einmal nicht 32 Grad Wohnungstemperatur garantiert werden konnte.

    • 9G
      93851 (Profil gelöscht)
      @Sengel:

      Freiwilliger Boykott?

      Dass die deutsche Energiewende ein Schuss in den eigenen Ofen ist, haben schon ganz andere Leute festgestellt, und wer sich selbst den Ast absägt, sollte doch am ehesten frieren, oder?

      Leider werden die, die so einen Quatsch beschließen, am wenigsten zur Kasse gebeten ...



      Die deutsche Bevölkerung badet u.a. komplett aus, was z.B.an 100 Mrd. Schrott "wieder / weiter aus-/ aufgebaut" werden soll.

      Nein danke, sage ich da nur.

    • 4G
      49732 (Profil gelöscht)
      @Sengel:

      Es sollte ja wohl selbstverständlich sein, das man so wenig Energie wie möglich verbraucht. Wenn die Lebensqualität nicht sehr eingeschränkt wird.

      Und ein Grundrecht auf "Geiz ist Geil" in allen Lebensbereichen gibt es halt nicht!

      • @49732 (Profil gelöscht):

        Niemand verbraucht in diesem Land so wenig Energie wie möglich, solange er/sie nicht in einem Bauwagen ohne alles lebt, keine Kinder hat und sich selbst versorgen kann. Selbst dieses Forum frisst sich quasi durch einen Kohletagebau.



        Alles andere ist Heuchelei. Ob nun 18 Grad oder 20 Grad - jede Wohnung, jedes IKEA-Regal und jeder Biomarktbesuch schaden dem Klima und sind theoretisch vermeidbar, also "selbstverständlich" .. ?

        Natürlich können Politiker unsere Wohntemperatur einschränken, unsere individuelle Mobilität reduzieren, Fleischkonsum stark einschränken, Flugreisen verbieten etc.. Aber das ist dann eben nicht mehr 1. Welt. Das ist einfach nur Mangel.

        Das kann man gut oder schlecht finden - das finde ich auch ok so!

        Aber: Ich finde es schlecht. Die Alternative: Statt zu verbieten Ersatz schaffen und erst dann das Alte entsorgen.

        Sie denken doch nicht, dass die oben genannten Einschränkungen aufgehoben werden, wenn z.B. genug erneuerbare Energien ausgebaut sind oder es Solarflieger und genug Laborfleisch gibt? Nein - das bleibt so. Und das finde ich nicht erstrebenswert. Erst recht nicht für Moral und Haltung. Dafür bin ich zu egoistisch. Dafür ja die ganze Moral - um dem Egoismus der Menschen ein schlechtes Gewissen entgegen zu setzen und den Egoismus damit zu verbrämen.

    • @Sengel:

      Lüfter vor die Heizkörper stellen und sie haben locker wieder ihre 20 Grad. Und Strom kostet es auch nur sehr wenig.

      • @Rudi Hamm:

        da gibt`s doch den Trick mit den Teelichtern und dem Blumentopf, das soll wunderbar funktionieren..hilft bestimmt, wenns kalt wird...und kein geld für Strom da ist.