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Rechtsterroristische Umtriebe in HessenViele Fragen, wenige Antworten

Die Opposition wirft Hessens Innenminister Beuth (CDU) eine „desaströse Informationspolitik“ zum Lübcke-Mörder vor. Kommt ein U-Ausschuss?

Zeigt sich wenig auskunftsfreudig: Hessens christdemokratischer Innenminister Peter Beuth Foto: dpa

Wiesbaden taz | Wie konnte der hessische Verfassungsschutz den einschlägig vorbestraften Neonazi Stephan Ernst, den mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, in den Jahren nach 2009 offenbar völlig aus den Augen verlieren? Diese Frage setzte die SPD-Opposition am Mittwoch auf die Tagesordnung des Wiesbadener Landtags.

Am Wochenende hatte es dazu neue Irritationen gegeben, nachdem die Landtagsfraktion der Linkspartei bislang geheime Erkenntnisse aus ihrer Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss öffentlich machen durfte. Im Januar 2009 hatte danach der damalige Präsident des hessischen Verfassungsschutzes, Alexander Eisvogel, am Rand eines internen Berichts zu den rechtsextremistischen Umtrieben in Hessen handschriftlich zum Namen „Stephan Ernst“ das Wort „brandgefährlich“ notiert.

Könnte Walter Lübcke noch leben, wenn die hessischen Behörden den Hinweis des damaligen Verfassungsschutzpräsidenten ernst genommen hätten? Das wollte der Linksfraktionsgeschäftsführer Hermann Schaus wissen.

Zu dieser Frage sagte CDU-Innenminister Peter Beuth in der Landtagsdebatte am Mittwoch – nichts. Und ebensowenig dazu, wie der Neonazi Ernst trotz des Vermerks des seinerzeitigen Verfassungsschutzchefs vom Radar der Sicherheitsbehörden verschwinden konnte. Warum die Personalakte von Ernst 2015 gesperrt worden war? Auch das wollte Beuth nicht beantworten. Stattdessen appellierte er an die Oppositionsparteien, die Mordermittlungen nicht zu gefährden und konstruktiv an der Aufklärung mitzuwirken.

Immerhin versicherte der Minister, dass der hessische Verfassungsschutz weder mit dem Tatverdächtigen Ernst, noch mit seinem mutmaßlichen Komplizen Markus H. je zusammengearbeitet habe. Beide Personalakten seien im Juli dem Generalbundesanwalt übergeben worden, so Beuth. Aber welche Rolle spielte der seinerzeitige Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme, im Zusammenhang mit dem NSU-Mord an Halit Yozgat ist und mit Stephan Ernst „dienstlich befasst“ gewesen war. Was ist mit dem ehemaligen V-Mann Benjamin G., der mit Stephan Ernst über Temme gesprochen haben soll? Fragen über Fragen.

Parallelen zum NSU?

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Günter Rudolph warf dem Innenminister eine „desaströse Informationspolitik“ vor. „Es gibt Parallelen zum NSU, es gab und gibt eine vernetzte rechtsextremistische Szene in Nordhessen – und das muss aufgeklärt werden“, sagte Rudolph. Er warf Beuth vor, immer nur so viel zu verraten, wie bereits in den Zeitungen zu lesen war oder gezielt von der Landtagsopposition erfragt werde.

Den Vorwurf, brisante Informationen zurückzuhalten, wies Beuth zurück. „Von Blockade kann hier wirklich keine Rede sein.“ Er sage das, was er sagen könnte, ohne das Ermittlungsverfahren im Mordfall Lübcke gefährden. Der CDU-Innenpolitiker Holger Bellino sprang seinem Parteifreund bei und warf der Opposition vor, ihr gehe es „nur um Skandalisierung und die persönliche Diffamierung des Innenministers“.

„Wenn Aufklärung beabsichtigt ist, dann muss man sie auch offensiv betreiben“, hielt der FDP-Abgeordnete Stefan Müller dagegen. Es sei eine dringende Aufgabe des Landtags, mögliche Versäumnisse der hessischen Behörden aufzuklären.

Linksfraktion fordert Untersuchungsausschuss

Nur scheibchenweise und nur auf Druck gebe er Informationen preis, warf auch der Linke Schaus dem christdemokratischen Innenminister vor. Das Landesamt habe offenbar Informationen zur rechtsextremistischen Szene „im hintersten Kellerraum weggeschlossen“, das Versagen der Behörden sei offenkundig.

Bei möglicherweise islamistisch motivierten Taten gebe Beuth selbst bei ungesicherter Faktenlage öffentliche Erklärungen ab, beim Rechtsextremismus tauche er ab, empörte sich Schaus. Seine Forderung: ein neuer, zweiter NSU-Untersuchungsausschuss.

Für einen erfolgreichen Antrag zur Einsetzung eines solchen Untersuchungsauschusses braucht die Linksfraktion allerdings die Unterstützung anderer Fraktionen. Ein Fünftel der Abgeordneten – also 28 – müssen zustimmen. Ob die zusammenkommen, ist derzeit noch unklar. Aber nicht unwahrscheinlich.

Denn klar ist: Mit den 29 Stimmen der SPD würde es dicke für einen neuen U-Ausschuss zur Aufklärung rechtsterroristischer Umtriebe in Hessen reichen. „Wir geben dem Minister noch eine letzte Chance, die Fragen von sich aus zu beantworten“, sagte dazu SPD-Landtagsfraktionschefin Nancy Faeser auf taz-Nachfrage. „Tut er das wieder nicht, bleibt uns gar nichts anderes übrig“, so Faeser.

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3 Kommentare

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  • Apriloffensive '77 - Krisenstab.



    2019: Abschiebung in den Krieg nach Afghanistan.

  • Walter Lübcke könnte natürlich noch leben(wie alle anderen Nazi-Opfer auch), wenn Nazis ENDLICH das widerfährt, was ihnen gebührt: Das unschädlich machen dieser Massenmörderbande - und zwar schnellstens, BEVOR diese Menschenfresser weiter morden!



    Die Brut gehört interniert, vor internationale Gerichte gestellt!

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ich empfehle auch hier - immer wieder gerne - das Prinzip der Selbstentlarvung.

    Im Falle von Herrn Beuth, der auf die wirklichen drängenden Fragen (jüngst: Gewalt im unterklassigen Amateurfussball) nach Antworten sucht, wird dies schnell deutlich. Wer solchermaßen seine Präferenzen setzt, dem fehlen Zeit und Energien für die vom Autor aufgeworfenen Fragen.

    Wie böse Zungen kürzlich herausgefunden haben, wurde in der Mitte Deutschlands in Hessen die Personifizierung von 'Hanlons Rasiermesser' gefunden: Peter Beuth.

    So hat jedes (Bundes) Land seine Helden - und Anti-Helden.