Rechtssystem, Mammutfleisch und Sanna Marin: Stabile Anker von Demokratien

In mehreren Staaten haben die Obersten Gerichte ordentlich Probleme. Und die Nato wird Sanna Marin vermissen – vielleicht aber nicht für lange.

Sanna Marin. Sie trägt eine weiße Bluse und darüber ein rosa Jacket. Ihre dunklen Haare trägt sie offen. Sie hat roten oder tief pinken Lippenstift. Sie lächelt ein wenig. Hinter ihr viele Menschen.

Wenn man ungefähr alle Fehler, die Franziska Giffey macht, weglässt, kommt Sanna Marin dabei raus Foto: Antti Hämäläinen/Lehtikuva/dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Irgendwas, das sich über die Feiertage nicht bei mir gemeldet hat.

Und was wird nächste Woche besser?

Meldet sich alles wieder.

In Amsterdam haben For­sche­r*in­nen im Labor eine Bulette aus Mammutfleisch geschaffen. Schafft es die in den Imbiss an der Ecke?

Eine Mammutaufgabe für unseren Organismus – 4.000 Jahre alte Proteine im Mix mit Zellen von Schaf und Elefant. So wurde das In-vitro-Fleisch gebastelt und deshalb ist es für den menschlichen Verzehr nicht geeignet. Viele Mammuts sagen: Das kommt ein bisschen spät. Neandertaler, frühe Sapiens und Klimaschwankungen rotteten die Spezies aus, so die gängige Lehrmeinung. Künstlich erzeugtes Rind, Huhn und Fischfleisch kann der Mensch verstoffwechseln. Mammut hingegen wäre eine ziemlich abgefahrene Form von – Rache.

Die IG Metall fordert eine Viertagewoche für Stahl­ar­bei­te­r*in­nen. Wäre das nicht auch eine Wohltat für uns alle?

Her damit. Im Grunde handelt es sich um zwei Forderungen. Erstens: mehr Freiheit für die Belegschaften, die Arbeitszeit nach Wunsch einzuteilen. Wer viermal zehn Stunden arbeiten möchte, hat bessere Laune, ist seltener krank und erspart dem Klima Fahrten. Sagen Versuche aus Belgien, Großbritannien und Island. Zweitens geht es – gerade in der Stahlbranche – um weniger Arbeitszeit. Drei Stunden weniger – von 35 auf 32 pro Woche – sollen durch höhere Produktivität ausgeglichen werden. Das müssen die Maschinen erst mal hergeben, und für Arbeit am Menschen – Pflege, Erziehung, viele Dienstleistungen – klingt es zynisch. Wenn ein Mitarbeiter behauptet, er schaffe die gleiche Arbeit in weniger Zeit, bin ich ein kluger Boss und gebe ihm mehr Arbeit. Fertig. Das ist gut für die Work-Life-Balance der Chefs.

In NRW ist eine Person wegen einer friedlichen Blockade vor einem Kohlekraftwerk zu neun Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden. Welche Verbrechen fallen Ihnen sonst noch ein, für die ein solches Strafmaß angemessen wäre?

Die weit ins Land hinaus donnernde Dummheit des Kraftwerksbetreibers RWE: Sie fordern zivilrechtlich 1,4 Millionen € Schadenersatz. So wird jemensch klar, dass man mit ein bisschen Anketten den Klimaschädlingen sehr großes Aua zufügen kann. Das unterstreicht die Wirksamkeit der Aktion. Glückwunsch. Das Urteil aus Grevenbroich scheint trotzdem unverhältnismäßig, weil es über das geforderte Strafmaß hinaus und ohne Bewährung erging. Eine Amtsrichterin empfiehlt sich als richtig tough und vermärtyrert Aktivisten. Dann ist das Klima ja gerettet.

Bei den Wahlen in Finnland ist die sozialdemokratische Präsidentin Sanna Marin hinter Konservativen und Rechtspopulisten nur auf dem dritten Platz gelandet. Wird sie es noch einmal vermissen, das neue Nato-Mitglied Finnland zu regieren?

Wenn man ungefähr alle Fehler, die Franziska Giffey macht, weglässt, kommt Sanna Marin dabei raus. Sie erkennt die Niederlage an, verzichtet auf einen Ministerinnenjob und nimmt ihr Mandat wahr. Dabei hatte sie sich sogar zu Tode gesiegt und das Ergebnis ihrer Sozialdemokraten verbessert. Doch die Konservativen und Rechtspopulisten profitierten noch mehr – vom Lamento über Sozis, die nur Schulden machen. Marin begrüßt, eine Last abzuwerfen und vermutlich wird eher die Nato sie vermissen. Muss ja nicht für lange sein.

In Polen und Israel sollen die obersten Gerichte entmachtet werden. In New York steht Donald Trump vor Gericht – und viele sagen, das könne ihm politisch eher nutzen als schaden. Geben Sie uns ein paar Gedanken zum aktuell recht angespannten Verhältnis der Judikative zu den anderen Staatsgewalten?

Als Präsident hatte Trump den Supreme Court brachial nach rechts verjüngt. Trotzdem entschied das Gericht in der Aktenaffäre inzwischen gegen ihn. Das sind „checks and balances“, die Polen ausgesetzt hat und an denen Israel sägt. Unabhängige oberste Gerichte sind die Anker von Demokratien, deshalb schockieren die Vorgänge in der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ und macht uns Polen langsam hoffentlich doch nicht mürbe. Zum Bundesverfassungsgericht werden RichterInnen von Bundestag und Bundesrat gewählt, 2/3 sind nötig und dann nur auf 12 Jahre höchstens. Da kann man doch mal froh sein.

Und was macht die Borussia?

Moukoko ist der jüngste 18-Jährige, der mit 23 so viele Tore wie … Äh …egal. Treffer zählt.

Fragen: Tim Döpke, Luise Mosig

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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