Anklage gegen Donald Trump: Fünf gegen Trump

Diese Staatsanwältinnen, Richter und Sonderermittler sähen den Ex-Präsidenten am liebsten hinter Gittern. Und damit sind sie nicht allein.

Alvin Bragg breitet die Hände aus

Alvin Bragg, der Bezirksstaatsanwalt von Manhatten Foto: John Minchillo/dpa

Niemand in Washington sagt es laut. Aber fast alle versuchen, politisches Kapital aus der Anklage gegen Donald Trump zu schlagen. Die Republikaner tun es mit demonstrativer Einigkeit gegen die Justiz. „Eine Hexenjagd“ und ein „politischer Missbrauch“, wettern selbst innerparteiliche Kritiker wie Senator Mitt Romney, der im Kongress zwei Mal für eine Amtsenthebung von Trump gestimmt hat.

Radikal Rechte in der Partei verlangen bereits die Entlassung des New Yorker Staatsanwalts Alvin Bragg. Eine von ihnen, die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia, vergleicht Trump in der Karwoche gar mit Jesus Christus: „Der ist ebenfalls verhaftet worden.“ Lindsey Graham aus South Carolina, auch ein bedingungsloser Trump-Gefolgsmann, fordert die Wähler auf, für den angeklagten Milliardär zu spenden. Wer sich das nicht leisten könne, solle „für Trump beten“.

Am hemmungslosesten bemüht Trump sich selbst, seine Lage politisch zu nutzen. Er ist der erste ehemalige US-Präsident der Geschichte, der je als Angeklagter vor einem Richter gesessen hat. Und er versucht gar nicht erst, sich zu verteidigen. Sondern nimmt die Juristen ins Visier. Wütet gegen Staatsanwälte und Sonderermittler, die sich – in New York, Washington und Atlanta – mit seinen Machenschaften befassen. Nennt sie „menschlichen Abschaum“, „Terroristen“, „Verrückte“, „Linksradikale“ und „Bombenwerfer“, beschreibt sie und ihre Familien als „Trump-Hasser“ und vergleicht das Vorgehen von Richter Juan Merchan mit Methoden „der alten Sowjetunion“. Kaum war er angeklagt, forderte Trump seine eigene Partei auf: „Entzieht dem Justizministerium und dem FBI die finanziellen Mittel, bis sie zur Vernunft kommen“.

Gerichtszeichnung zeigt Juan Merchan

Der new Yorker Richter Juan Merchan in einer Gerichtszeichnung Foto: Jane Rosenberg

Republikanische Kritik ist rar

Die Handvoll Politiker in der Republikanischen Partei, die es wagen, Trump zu kritisieren, haben ihre Karriere hinter sich. „Die meisten Amerikaner werden in ihrem Leben nie wegen Straftaten angeklagt. Schon gar nicht 34 mal“, beklagt Reid J. Ribble, früherer republikanischer Abgeordnete aus Wisconsin. Für ihn ist die Anklage „schockierend und eine Disqualifikation für einen, der eine Führungsposition anstrebt“.

Am weitesten geht der ehemalige Gouverneur von Arkansas, Asa Hutchinson. Er verlangt, dass Trump von seiner neuerlichen Kandidatur als republikanischer Präsidentschaftsbewerber zurücktritt. Zwei Tage vor der Anklageverlesung gegen Trump hatte der chancenlose Hutchinson sich selbst zum Kandidaten im republikanischen Rennen um das Weiße Haus erklärt.

Die bekannteren republikanischen Bewerber, darunter Trumps ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley und Trumps ehemaliger Protegé, Floridas Gourverneur Ron DeSantis, hüllen sich auch Tage nach der Anklageverlesung noch in Schweigen. Sie fürchten, dass Trumps Versuch, sich als Opfer zu stilisieren, bei der Basis aufgehen könnte. Vorerst unterstützen die Umfragen diese Befürchtung. In den letzten Tagen hat Trump seinen Vorsprung gegenüber anderen republikanischen Kandidaten noch ausgebaut.

Die Demokraten reagieren weniger geschlossen auf die Anklage. US-Präsident Joe Biden hält sich mit Kommentaren zurück, um den Vorwurf zu vermeiden, er benutze die Justiz als Waffe. Aber in seiner Partei sind viele enttäuscht. Sie hatten auf juristische Vorwürfe gehofft, die zu einer sicheren Verurteilung führen würde. Die 34 Anklagepunkte gegen Trump, die sich alle auf Fälschungen von Geschäftsunterlagen mit dem Zweck, die Wähler zu hintergehen, beziehen, erscheinen ihnen als „schwach“. Sie fürchten, dass sie Trumps nächste Präsidentschaftskandidatur eher stärken als schwächen.

Die Abgeordnete Alexandria Ocasio Cortez vom linken Flügel der Demokraten sieht das anders. Für sie ist die Anklage gegen Trump eine „Selbstverständlichkeit“. Unabhängig vom Ausgang gehe es ihr vor allem um „einen ordentlichen Prozess“ sowie um die Frage: „Haben wir eine gleichberechtigte Gesellschaft – unabhängig vom Einkommen?“

Dicke Schecks helfen Tump jetzt nicht mehr

Trump ist es seit 76 Jahren gewohnt, für seine Fehltritte nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden. Schwerwiegende Vorwürfe gegen ihn gab es jede Menge – von Rassismus gegenüber Mietern über betrügerische Geschäfts­praktiken bis hin zu sexuellen Übergriffen auf Frauen. Aber er schaffte es stets, jede Anklage abzuschmettern – mit Schecks, mit einer Armee von Anwälten und mit Einschüchterungen.

Nachdem er damit jetzt zum ersten Mal gescheitert ist, trifft seine Rache die Juristen, die gegen ihn ermitteln. Sie sind Liberale, die für ein Land stehen, das anders aussieht als die rückwärtsgewandten „America First“-Gelüste von Trumps Anhängern. Diejenigen, die Trump nun juristisch im Nacken sitzen, sind zwischen den späten 1950er und frühen 1970er Jahren zur Welt gekommen und stammen überwiegend aus „Minderheiten“, die vor der Bürgerrechtsbewegung kaum eine Chance auf eine Karriere in der USA-Justiz hatten.

Im Zentrum stehen dabei zwei Männer in Manhattan. Der afroamerikanische Staatsanwalt Alvin Bragg (49), der die Anklage vorbereitet hat, stammt aus Harlem. In seiner Jugend ist er mehrfach mit vorgehaltener Waffe von der New Yorker Polizei angehalten worden. Vor eineinhalb Jahren wurde der Demokrat in sein aktuelles Amt gewählt. Trump hat ihn unter anderem als „degenerierten Psychopathen“ und als „Tier“ beschimpft und gewarnt, dass eine Anklage zu „Tod und Zerstörung“ führen könne. Vor ein paar Tagen erhielt er einen Umschlag mit einer Morddrohung und weißem Pulver, das sich allerdings als harmlos entpuppte.

Trumps zweite Hassfigur in New York ist Richter Juan Merchan, der als Kind aus Kolumbien in die USA einwandert ist. Der 60-Jährige hat den Ruf, „streng und einfühlsam“ zugleich zu sein, und führte auch ein Verfahren gegen Allen Weisselberg, den ehemaligen Finanzchef der „Trump Organisation“. Mittlerweile sitzt der wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis. Weisselbergs Verteidiger Nicholas Gravante Jr beschreibt den Richter als „praktisch, effizient, echten Zuhörer, gut vorbereitet“ und als „Mann, der sein Wort hält“. Trump hingegen behauptet, Weisselberg sei von Merchan zu einem „Geständnis gezwungen“ worden.

Pervertierte Rassismusvorwürfe
Letitia James

Letitia James, Generalstaatsanwältin des Bundesstaats New York Foto: Caitlin Ochs/reuters

Wenn Trump über Letitia James, die Generalstaatsanwältin des Bundesstaates New York, spricht, benutzt er das Wort „Verfolgung“. Die 64-jährige Afroamerikanerin führt ein zivilrechtliches Betrugsverfahren gegen ihn. Trump nennt sie eine „Rassistin in umgekehrter Form“.

In Georgia ermittelt Staatsanwältin Fani Willis zu Trumps Versuch, den örtlichen republikanischen Staats­sekretär einzuschüchtern, damit dieser ihm nach der verlorenen Präsidentschaftswahlen von 2020 doch noch zu den nötigen Stimmen verhelfe – so Trumps Plan. Die 51-jährige Afroamerikanerin ist die Tochter eines Black-Panther-Aktivisten. Falls die Grand Jury in Atlanta zustimmt, könnte Willis die nächste Anklage gegen Trump starten: wegen versuchter Wahlmanipulation. Trump schimpft sie „eine lokale rassistische demokratische Bezirksstaatsanwältin“.

Fanis Willis hält eine Hand am Kinn mit Kugelschreiber

Fani Willis, Staatanwältin in Georgia Foto: John Bazemore/ap

Wenn Trump über Sonderermittler Jack Smith spricht, hat er richtig­gehend Schaum vor dem Mund. Der Anwalt ermittelt sowohl zu Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 als auch zur illegalen Mitnahme von Geheimdokumenten aus dem Weißen Haus in Trumps Residenz in Florida, Mar-a-Lago. Beide Ermittlungen könnten ebenfalls noch zu Anklagen führen. Smith ist der einzige Weiße in der Gruppe von Trumps aktuell glühendsten Feindbildern. Bevor er ins Justizministerium kam, hatte Smith am Internationalen Gerichtshof in Den Haag als Ankläger bei Kriegsverbrechen im Kosovokrieg gearbeitet. Trump bezeichnet ihn als „sogenannten Jack Smith“, nennt ihn einen „Freund der übelsten Marxisten und Kommunisten“, einen „Trump hassenden Schläger“ und „unfairen Wilden“.

Filmemacher Michael Moore schreibt offenen Brief
Jack Smith in Richterrobe

Sonderermittler Jack Smith Foto: Jerry Lampen/ap

An dem Dienstag, als Trump in New York verhaftet und angeklagt wurde, mahnte Richter Merchan ihn zu einer Mäßigung im Ton: „Bitte sehen Sie von Worten ab, die Gewalt und Unruhe auslösen könnten.“ Auch Trumps Anwälte und einige Verbündete legten ihm nahe, die Attacken gegen die Juristen zu beenden. Bislang hat Trump all diese Mahnungen ignoriert.

Klarer als alle Politiker und Juristen hat der Filmemacher Michael Moore in einem offenen Brief erklärt, worum es nun geht. „Lieber Angeklagter Nr #4913961R“, schrieb er und sagte voraus, dass dies erst der Anfang einer „Reihe von Anklagen und Vernehmungen“ sei. Denn: „Wir sind hinter Ihnen her und wollen Sie vor Gericht bringen. Sie haben versucht, die Präsidentschaftswahl illegal zu kippen und die Regierung zu stürzen. Sie haben sich geweigert, Ihren Sitz im Oval Office aufzugeben, und beschlossen, einen Staatsstreich zu inszenieren. Und jetzt will die große Mehrheit des Landes einen legalen Weg, um Sie daran zu hindern, weiteren Schaden anzurichten.“

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