Rechtsruck in Portugal: Es bleibt Ratlosigkeit
Die Niederlage der Sozialisten in Portugal hat mit Logik wenig zu tun. Sie liegt aber auch an eigenen Versäumnissen.
A us der Traum von der Insel ohne nennenswerten rechtsextremen Einfluss. Bei den Wahlen am Sonntag in Portugal wurde die ultrarechte Chega („Genug“) zur drittstärksten und alles entscheidenden Kraft. Denn es gibt nur zwei Möglichkeiten für eine stabile Regierung im äußersten Südwesten der Europäischen Union: Entweder eine große Koalition – die die Sozialisten strikt ablehnen – oder eine Rechtskoalition der konservativen Demokratischen Allianz mit Chega, mit allen Folgen, die im benachbarten Spanien in mehreren Regionen und vielen Gemeinden zu sehen ist.
Wenige Wochen vor dem 50. Jahrestag der Nelkenrevolution, die einst Portugal aus der Diktatur in die Demokratie führte, haben die extrem Rechten, die ewig gestrigen Verehrer jenes autoritären Regimes, wieder eine Schlüsselstellung in Portugal.
Wie kann es sein, dass die Sozialisten, die das Land aus der Austerität zurück ins Wachstum und in den Sozialstaat führten, so haushoch verlieren? Immerhin regierten sie seit 2022 mit absoluter Mehrheit. Jetzt haben sie erhebliche Stimmenverluste nach ganz rechts zu verdauen. Sicher haben sie nicht alle Versprechen einhalten können. Trotz Gesetzesreformen ist der Wohnungsmarkt außer Kontrolle geraten. Trotz Erhöhung der Mindestlöhne wird es für viele am Monatsende finanziell knapp. Doch Stimmenverluste hin zu denen, die mehr regulieren wollten, gab es keine. Die Wählerschaft wanderte nach rechts ab.
Gegen die eigenen Interessen
In Portugal lässt sich – leider – einmal mehr ein Phänomen beobachten, das mit Logik nur wenig zu tun hat. Ein nicht unerheblicher Teil der Wählerschaft gibt seine Stimme einer Rechtsaußen-Formation, deren autoritär-wirtschaftsliberales Programm gegen die eigenen Interessen verstößt.
Trump, Milei, Meloni, Le Pen, AfD, Vox in Spanien und jetzt Portugal – „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, war einmal. Heute kommt hasserfüllte Ideologie zuerst. Feministinnen, LGBTIQ, Ökos, Einwanderer – alle haben Schuld, nur die wahren Schuldigen nicht: diejenigen, die von der neoliberalen Politik profitieren, die Gewinner der sich immer weiter öffnenden sozialen Schere. Nach solchen Wahlergebnissen bleibt nur Ratlosigkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier