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Rechtsradikalismus in GriechenlandFremdenhass für Sechsjährige

Mitglieder der Partei „Goldene Morgenröte“ verbreiten ihre rechtsradikale Propaganda mittlerweile auch an Schulen. Und sie wollen Kitas „nur für Griechen“ eröffnen.

Kundgebung der Partei „Goldene Morgenröte“. Bild: dpa

ATHEN taz | Der Vorfall schockierte die Menschen im Touristenparadies Nydri auf der westgriechischen Insel Levkada: Ende 2012 wurde eine Kindergärtnerin aus dem Ort versetzt. Anlässlich des Nationalfeiertags am 28.Oktober hatte sie das Spielzimmer nicht nur mit griechischen, sondern auch mit albanischen Flaggen schmucken lassen, weil acht von zwanzig Kindern aus albanischen Migrantenfamilien stammen. Die rechtsradikale Partei „Chryssi Avgi“ (Goldene Morgenröte) protestierte gegen die Aktion und feierte die Versetzung der Kindergärtnerin als Erfolg.

Wenige Wochen später erklärte der rechte Abgeordnete Antonis Gregos im Parlament, seine Parteikollegen würden sämtliche Schulen „besuchen“ und die Kosten für den Erwerb griechischer Flaggen übernehmen.

Lange Zeit hat die „Goldene Morgenröte“ bestritten, dass sie Schulkinder agitiert. Mittlerweile gehen die Rechtsradikalen zum Gegenangriff über: Auf ihrer Internetseite wurden Fotos aus dem „patriotischen Unterricht“ für Kinder im Alter zwischen 6 und 10 Jahren veröffentlicht. Nach einem Bericht der Wochenzeitung Proto Thema will die Partei jetzt Kindergärten „nur für Griechen“ eröffnen. Das bestätigte der rechte Abgeordnete Ilias Panagiotaros gegenüber dem Blatt. Dass die Stadt Athen aus Spargründen die Finanzierung ihrer Kitas um 30 Prozent kürzt, kommt den Rechten entgegen.

Und überhaupt treibt die Krise viele Kinder in die Arme der Rechten, glauben Experten. „Das Wirtschaftschaos und die Geringschätzung der politischen Klasse haben dazu beigetragen, dass viele Jugendliche keine Autorität anerkennen“ meint die Psychologin Filio Tsoukala, die sich mit rechter Gewalt beschäftigt. „Zu Hause erlebt ein Heranwachsender, dass der eigene Vater nicht mal seine Rechnungen bezahlen kann. Er vermisst eine starke Identifikationsfigur und sucht seine Bestätigung woanders.“

Antifaschistische Bildungsfront

Eine Statistik über rechte Gewalt wird nicht geführt. Der griechische Lehrerverband hat Gewalt an den Schulen verurteilt. Über 70 Lehrkräfte aus dem ganzen Land haben sich zu einer Antifaschistischen Bildungsfront zusammengeschlossen.

„Wir können nur vorbeugen“ erklärt Evi Georvasaki, die beim Netz der Antifaschisten mitmacht. „Wir wollen mit den Kindern offen reden, Themen wie Armut und Einwanderung zur Sprache bringen. Auch mit Kulturveranstaltungen und zusätzlichen Lehrangeboten könnten wir die Jugend aufklären“ sagt die Pädagogin. Das Problem sei nur, dass auch im Bildungsbereich gnadenlos gespart werde.

Ende Februar haben erstmals drei Sympathisanten der Rechten mit der Athener Zeitung Ta Nea über Gewalt an Schulen gesprochen. Ein 17-Jähriger gibt zu Protokoll: „Früher war der Anarchismus en vogue, heute lehnen sich die Nationalisten gegen das System auf. In der Schule tragen sie Militärkleidung und T-Shirts der Chryssi Avgi.“ Besonders zynisch wirkt ein 15-jähriger Schüler: Er sei kein Mitglied der Rechtspartei, sagt er, aber es sei sein Hobby „Pakistaner zu verprügeln“. Die Psychologin Filio Tsoukala schlägt Alarm: „Die Situation in Griechenland ist vergleichbar mit der Weimarer Republik. Wir erleben eine depressive Generation, die auf der Suche nach Sinn ist.“

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7 Kommentare

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  • A
    @Avanti

    Eins der "sozialen Projekte" wurde inzwischen aufgeklärt. Fernsehbilder von Rentnerbegleitung zum Bankautomat: Dabei handelte es sich um die Oma eines Parteimitglieds.

    Alle anderen Ideen wurden linken Gruppen geklaut und modifiziert.

  • U
    @Ursache

    Ihnen müßte dann ja wohl der Vorschlag der Golden Downer gefallen, allen Flüchtlinge ein Flugticket zu geben. Denn fast alle, die interniert werden, werden in Westgriechenland beim Versuch der Ausreise nach Europa festgenommen.

    Die Chefin der Front National versteht sich übrigens selbst als Partei und hält Golden Dawn für Kriminelle.

  • A
    Avanti/IL

    Rassismus und Gewalt - Faschistische Mobilisierung und staatliche Hetze in Griechenland

     

    Veranstaltungsreihe mit Athanasios Marvakis, Aristoteles Universität Thessaloniki

     

    Tagtäglich zerbricht die griechische Gesellschaft an den Maßnahmen, die die Herrschenden als „Krisenlösungen“ durchzusetzen versuchen. Die Regierung reagiert auf die Zuspitzung der ökonomischen Situation mit „präventiver Aufstandsbekämpfung“ und lädt den Krisendiskurs zunehmend rassistisch auf.

     

    Seitdem sie das Thema „illegale Migration“ auf die politische Agenda gesetzt hat, erlebt die faschistische Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) einen kometenhaften Aufstieg. Während sich der staatliche Rassismus ...in Polizeirevieren und Abschiebelagern mit immer mehr Gewalt und Folter Bahn bricht, nehmen Morde und Mordversuche an MigrantInnen im ganzen Land zu. Chrysi Avgi hat in der aktuellen Krise mit demonstrativer Gewaltanwendung und „sozialen Projekten“ nur für GriechInnen stark an Zustimmung gewonnen.

     

    Zusammen mit Athanasios Marvakis wollen wir der Frage nachgehen, wie diese Entwicklung zu erklären ist. Wie gestaltet sich die Lage der MigrantInnen vor dieser Gewaltkulisse? Wie sehen Selbstorganisationen aus, welche gemeinsamen Projekte mit der griechischen Linken gibt es? Athanasios Marvakis lehrt Psychologie an der Aristoteles Universität Thessaloniki und ist in der antirassistischen Bewegung aktiv

     

    Berlin: 14.03.2013 19:30 SO 36, Oranienstr. 190 Hannover; 15.03.2013,20 Uhr UJZ Kornstraße, Kornstraße 28-30

    Leipzig: 16.03.2013, 19 Uhr, Bäckerei, Josephstraße 12, Leipzig (Prisma Leipzig)http://www.facebook.com/#!/events/513793865328599/

    http://www.avanti-projekt.de/ereignis/20130314/rassismus-und-gewalt

  • N
    noevil

    Was Sie aus Griechenland beschreiben finden Sie hier genauso. Diese Entwicklung verläuft überall gleich, wo eine Mittelschicht finanziell und sozial abrutscht. Wir brauchen nicht anderswo Wasser predigen, wenn wir hier Wein trinken. Auch hierzulande haben sich Viele eine goldene Nase verdient an abrutschenden Mittelschichten bspw. im Osten unserer Republik - aber nicht nur dort... Leider hat diese neue Armut kein persönliches Gesicht für die Verursacher.

  • US
    Ursachen ändern statt heucheln

    Wer Griechenland von früher kennt und erst mal durch Athens Zentrum und dann durch die kleineren sich allmählich ähnlich entwickelnden Orte fährt, der weiß wo die Ursache liegt. Es kann nirgens gutgehen wenn man jahrzehntelang die Leute mit den Problem der im größten Teil Wirtschaftflüchtlinge alleine lässt, bei Vergewaltigung über Kleinkriminalität bis zu Mord und organisierter Kriminalität außer "Integration" und "Open Borders" Rufen mit anschließender Rückkehr ins heile Besserviertel nichts anzubieten hat. Wenn dann noch eine von den korrupten und kleptokratischen "Eliten" von Sozialisten über Konservative bis zu den Gewerekschaften und Linksextremen verursachte Krise mit gigantischen Folgen hinzukommt, dann darf man sich über die Folgen nicht wundern. Irgendeine "Antifaschistische Bildungsfront" wird gar nichts bringen, weil sie an den Ursachen nichts ändert und dann noch hauptsächlich von Leuten organisiert wird, die selbst radikal und für potentielle Wähler der "Morgenröte" ein rotes Tuch sind. Das ist so als ob Geirge Bush in Kreuzberg eine "Bildungsfront" gegen eine der steinewerfenden linken 1.Mai-Sekten eröffnete. Da wären die plötzlich zehnmal so viele. Man kann nicht Millionen Leute aus völlig anderen Kulturen aufnehmen wenn es dazu keinen 90%-99% Konsens gibt. Den gibt es weder in Griechenland noch sonstwo in Europa. Durch die mediale Leugnung, Vertuschung und Umdeutung der Zustände treibt man den Radikalen noch mehr Leute zu. Sobald es eine Partei wie z.B. die französische Front National bei uns gibt, bekommt sie auf den Schlag 20%. Was wäre wenn wir eine Krise wie in Griechenland hätten und die Politik irgendwo zwischen Merkel, Steinbrück und Trittin das alte "bunte" Gemeinschaftslied sänge, das will ich mir lieber gar nicht vorstellen. Dagegen sind die Griechen noch recht locker.

  • W
    Wolfgang

    Im Kapitalismus ist die faschistisch-rassistische Gesinnung ein Bestandteil der Gesellschaftsordnung und zugleich eine Sicherheitsreserve für den (dauerhaften) Machterhalt der herrschenden und regierenden Bourgeoisie und Administration. Eine Überwindung ist nur auf der Grundlage des Gemeineigentum an den gesellschaftlichen Produktionsmitteln und der sozial-ökonomisch-ökologischen Gleichheit der Menschen möglich. Hierfür bedarf es auch in Griechenland, ebenso wie in Deutschland und den anderen europäischen Staaten, einer sozialökonomischen und gesellschaftspolitischen Emanzipation und Umwälzung (Revolution)! Eine Zukunft - ohne Kapitalismus und Ungleichheit, ohne Nationalismus und Rassismus - gibt es nur im unvollkommenen realen Sozialismus!

     

    Trotz alledem!

  • V
    Video

    X.A. in voller Pracht: "Öfen an!" "Migranten zu Seife" und da die "Seife" zu eklig ist wird sie "nur zum Autowaschen genommen" "Goldzähne dem Staat" ...

    Nachdem ein Filmstudent einen Film ein halbes Jahr zu spät veröffentlicht, zeigen sich Teile der griechischen Öffentlichkeit erschüttert und Deutschland pennt:

    http://www.grreporter.info/en/golden_dawn%E2%80%99s_candidate_deputy_threatens_immigrants_gas_chambers/8836