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Rechtsextremer PersonenschützerBodyguard von Knobloch bleibt trotz Hitlergrüßen Polizist

Als Polizist schützte er Charlotte Knobloch, in Chats befürwortete Michael R. „KZs für Ausländer“. Nach einem Urteil bleibt er dennoch im Dienst.

Charlotte Knobloch wurde jahrelang von einem Nazi beschützt. Halb so schlimm, findet das Verwaltungsgericht, das war der ja nur privat Foto: Christoph Reichwein/dpa

Freiburg taz | Ein polizeilicher Personenschützer, der sich in Chats über Jahre hinweg immer wieder rassistisch und antisemitisch äußerte, kann im Dienst bleiben und wird nur um einen Dienstgrad herabgestuft. Das entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München in einem jetzt bekannt gewordenen rechtskräftigen Urteil aus dem Februar dieses Jahres.

Besonders brisant ist der Fall, weil der Personenschützer Michael R. zeitweise auch beim israelischen Generalkonsul und bei Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, eingesetzt war. „Ich scheiß’ ihr vor die Tür, schön braun, mit Fähnchen“, schrieb R. in einem Chat. Nachrichten wurden mit „HH“ oder „SH“ unterzeichnet, was bei Nazis für „Heil Hitler“ oder „Sieg Heil“ steht. Über eine Bahnfahrt schrieb er: „Nur K******* im Zug.“

Das Münchener Polizeipräsidium wollte den heute 45-Jährigen deshalb aus dem Dienst entfernen. Doch das Münchener Verwaltungsgericht stufte ihn 2023 nur um zwei Dienstgrade zurück. In der Berufungsinstanz urteilte der VGH München noch milder und stufte Michael R. nur um einen Dienstgrad herunter, vom Kriminalhauptmeister zum Kriminalobermeister. Das Urteil liegt der taz vor.

Der VGH sah in den Chatnachrichten kein außerdienstliches Fehlverhalten, weil es sich überwiegend um einen 1:1-Chat mit seinem zeitweise einzigen Freund Philipp D. handelte. Äußerungen im engsten Familien- und Freundeskreis dürften aber nicht disziplinarisch geahndet werden, so die Richter:innen. Hier müsse sich jeder frei aussprechen können.

Private Hitlergrüße keine Abkehr von Demokratie

Rechtlich relevant wären die Chatnachrichten nur gewesen, wenn sich daraus eine „innere Abkehr“ Michael D.s von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ergeben hätte. Davon waren die VGH-Richter:innen aber nicht überzeugt, obwohl sie die Kommunikation als „absolut verwerflich“ einstuften.

„Hat ein Beamter seine Äußerungen nicht ernst gemeint, fehlt es an einer verfassungsfeindlichen Gesinnung“, erklärten die Richter:innen, etwa wenn in einem Chat „ein auf kurzfristige Lacher angelegter Überbietungswettbewerb an geschmacklosen und menschenfeindlichen Bemerkungen“ stattfand. So sei es wohl auch bei Michael R. gewesen. Mit der Äußerung zu Charlotte Knobloch habe Michael R. seinen Ärger darüber ausgedrückt, dass er ihren durchfallkranken Hund ausführen musste.

Für R. sprach jedoch, so der Gerichtshof, dass er sich im Dienst nie rassistisch, antisemitisch oder extremistisch geäußert habe. Es habe auch nie Beschwerden über ihn gegeben. Einmal habe er sogar unter Lebensgefahr einen angeschossenen syrischen Flüchtling gerettet. Auf seinen Geräten seien auch keine Nazi-Inhalte gefunden worden. Vor Gericht habe er Reue gezeigt. Den Kontakt zu extremistischen Freunden habe er abgebrochen.

R. soll nun im Innendienst eingesetzt werden

Nur eine Äußerung im Jahr 2021 sahen die Rich­te­r:in­nen als Dienstpflichtverletzung an. Als in einem nicht vertraulichen Chat der Vorschlag aufkam, KZs für Ausländer einzurichten, die sich nicht an Coronaregeln halten, habe er geantwortet: „vernünftig wäre es, wirklich“.

Hauptvorwurf gegen R. war aber die Mitteilung von vertraulichen dienstlichen Informationen an andere Polizisten, eine Staatsanwältin und eine Tante. Vor allem darauf stützte sich die Dis­ziplinarmaßnahme gegen R. Michael R. war in den letzten viereinhalb Jahren suspendiert. Er soll nun im Innendienst wieder eingesetzt werden.

Charlotte Knobloch sagte der taz am Mittwoch: „Das Urteil macht mich ratlos.“ Und weiter: „Menschen, die auf den Schutz von Sicherheitskräften angewiesen sind, müssen diesen vertrauen können. Aber wie ist das möglich, wenn eine solche Gesinnung als privates Entertainment abgetan wird?“

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16 Kommentare

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  • So ganz verloren scheint der Mann ja noch nicht zu sein, wenn er seine Hassparolen in einer realen Begegnung mit einem dieser "K......." vergisst und dem syrischen Flüchtling das Leben rettet. Ich bin sonst auch nicht dafür, Rassismus (bei der Frau Knobloch, mit allem Respekt, muss das nicht zwingend Antisemitusmus gewesen sein - wenn man ihn die Hinterlassenschaften ihres durchfallkranken Hundes hat aufsammeln lassen (das ist wohl kaum Aufgabe eines Personenschützers?), dann könnte ich da auch ganz persönliche Ressentiments sehen) ungeahndet stehen zu lassen, aber vielleicht ist es manchmal besser, den Leuten andere Wege aufzuzeigen, statt ihnen die berufliche Zukunft zu nehmen und damit noch mehr Vorwand für eine extremistische Gesinnung zu liefern? Hier könnte ich mir zB eine psychologische Begleitung, Antirassismustraining oder Sozialstunden vorstellen.

  • Offenbar nehmen es die beiden deutschen Gerichte mit der Bekämpfung des Neofaschismus und Antisemitismus nicht besonders ernst.

    Das passt zum Urteil über die Zeitung Compact, deren regelmäßige Hetze ja auch nur als bedeutungsloses Kavaliersdelikt hingestellt wird.

  • Man hat der Polizisten Glück das Frau Knobloch sich höchstens politisch betätigt aber keine Politikerin ist.



    Wäre sie Adelige äh Politikerin wäre ihm viel mehr passiert...

  • "Rechtlich relevant wären die Chatnachrichten nur gewesen, wenn sich daraus eine „innere Abkehr“ Michael D.s von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ergeben hätte. Davon waren die VGH-Richter:innen aber nicht überzeugt, obwohl sie die Kommunikation als „absolut verwerflich“ einstuften."

    Was wäre denn dann überhaupt als "innere Abkehr von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung" aufzufassen, wenn nicht das? Und ist nicht die als ernst gemeint aufgefasste Äußerung zu den KZs für Ausländer als Hinweis darauf zu interpretieren, dass die anderen Äußerungen ernst gemeinter Teil eines bestimmten Weltbildes sind?



    Am Ende beruhigt man sich doch lieber damit, dass die Faschisten es gar nicht so meinen. Und wenn sie ihr perfides Programm dann in die blutige Tat umsetzen, verdrängt man das Geschehene indem man sich wohlfeile Ausflüchte für die Indifferenz, mit der man es hat geschehen lassen, bastelt.

  • über 4 Jahre vom Dienst suspendiert und das wahrscheinlich bei vollen Bezügen....

  • Da hat er Glück gehabt, dass er nicht etwa jemandem Profitoptimierung zugeschrieben hat. Da kann die Bayerische Verwaltung nämlich ganz anders.

  • Ich weiß nicht, die zitierten Vorfälle finde ich weder harmlos noch witzig. Einzig positiv wäre, dass er gemäß des Artikels davon abgerückt wäre.

  • Tja, da wäre guter Rat vermutlich teuer. Wenn er denn käuflich wäre, meine ich.

    Menschen, die auf den Schutz durch andere angewiesen sind, müssen vertrauen können, klar. Und nun eine ketzerische Frage: Wer (außer Frau Knobloch) würde einer Person bedenkenlos sein Leben anvertrauen, die a) Teil einer Befehlskette ist und b) bezahlt werden muss für ihre Dienste, nur weil ganz hinten am Horizont eine (nicht sonderlich drastische) Strafe droht, falls die Person als Schutzengel versagt?

    Wäre es nicht viel hilfreicher, jeder und jede von uns übernähme nur so viel Verantwortung für andere, wie er oder sie auch persönlich (er-)tragen kann? Womöglich könnten Richter Gesinnungen dann tatsächlich als Privatsache betrachten: Sie würden kein Sicherheitsrisiko mehr darstellen. Auch nicht für Anführer. Denn der Staat bräuchte niemandem mehr einen Aufpasser bezahlen, der notfalls für ihn/sie in die Schusslinie tritt…

    Klar, nur in albernen Träumen sind Menschenleben gleichwertig. In der Realität sind sich vermeintlich „wertvolle“ und dito „minderwertige“ Menschen einig in ihrer Überzeugung: Macht ist ein Ausdruck für den Wert eines Menschen. Und mancher Taugt eben bloß als Opfer mit KW-Vermerk.

    • @zitterbacke:

      Wenn Sie das nächste Mal einen Stecker in die Steckdose stecken, denken Sie daran, dass die Steckdose von einer Person installiert wurde, die Teil einer Befehlskette ist und bezahlt werden muss für ihre Dienste, und der eine nicht sonderlich drastische Strafe droht, falls sie (ohne erwiesene Fahrlässigkeit) als Schutzengel versagt.

      Unser Staat hat mit gutem Grund ein Gewaltmonopol und damit auch die Verantwortung diejenigen zu schützen, die gefährdet werden. Der Bedarf an Schutz bemisst sich nicht am vermeintlichen Wert, sondern an der Gefährdung.

  • Vielleicht bin ich ja naiv, aber ich möchte gerne jedem ein Einsichtsvermögen zubilligen; die Erklärungen zur Urteilsfindung machen mir das plausibel.



    Auch, wenn ich zum Aufhänger und den ersten Absätzen in Schnappatmung verfiel...

    • @Vidocq:

      Das ging mir auch so. Ich hätte mir da eher einen Titel gewünscht wie "Geläuterter Rechtsextremer Personenschützer mit geringer Strafe".

      Denn ich hoffe, dass das Gericht Recht hat mit der Einschätzung.

  • Naja, als "Ausgleich" dafür hat man in Bayern gute Chancen, nicht Lehrer werden zu dürfen, wenn man in Verdacht steht, links zu sein.

  • Grauenvoll!!! So was nennt man eben: Deutsche Umstände...

  • Man fragt sich was schlimmer ist: die rassistischen und rechtsextremen Ausfälle des Angeklagten oder das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes bzw. dessen Argumentation.

  • Ohne Worte das so jemand im Dienst bleiben darf.

  • ... dier AfD wird sich als Privatpartei einstufen lassen ;-(