Rechtsextreme Gewalt gegen Geflüchtete: Raus, du Opfer
Brandenburg will Flüchtlinge, die Opfer rechter Gewalt wurden, nicht abschieben. Die Bundesregierung ist gegen ein solches Bleiberecht.

Anscheinend ist nicht geplant, bundesweit anzuwenden, was in Brandenburg als einzigem Bundesland seit Januar gilt: Dort hat das Innenministerium per Erlass die kommunalen Ausländerämter dazu aufgefordert, „die Abschiebung vollziehbar Ausreisepflichtiger im Ermessenswege auszusetzen“. Die Behörden sollen bestehende Gesetze anwenden, aber anders auslegen, indem sie das Bleiberecht aus „humanitären oder persönlichen Gründen“ bei Betroffenen anwenden.
„Ein allgemeines gruppenbezogenes Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt wird nicht zuletzt auch aus Gründen des Gleichheitsgrundsatzes kritisch bewertet“, so die Bundesregierung, „da eine Privilegierung ausländischer Opfer rechter Gewalt gegenüber anderen, ausländischen wie deutschen Gewaltopfern, erfolgen würde“.
Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck kann diese Logik nicht nachvollziehen. Als migrationspolitischer Sprecher der Grünen hat er die Anfrage gestellt. Gegenüber der taz kommentierte er, die Regierung könne nicht mit Privilegierung argumentieren, weil Deutsche „ohnehin in Deutschland bleiben dürfen und keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen“. Er sieht auch keine Ungleichbehandlung, sondern eher „Differenzierungen“. Die seien gerechtfertigt, wenn sie „einem legitimen Zweck dienen“ und das sei „bei der Bekämpfung rechter Gewalt sicherlich der Fall“, so Beck zur taz.
Wunden versorgen und Traumata therapieren
Laut dem Innenministerium haben Rechte im letzten Jahr 527 Gewaltdelikte gegen Geflüchtete und Asylbewerber*innen begangen. Mit Abstand am meisten Vorfälle gab es demnach in Brandenburg.
Das Potsdamer Parlament hofft mit seinem Erlass unter anderem Täter*innen abzuschrecken. Denn die wollen bestimmt nicht, dass Geflüchtete ihretwegen in Deutschland bleiben. Außerdem sollen Opfer „eine Wiedergutmachung erfahren“ und in Deutschland die Chance bekommen, Wunden zu versorgen und Traumata zu therapieren. Laut dem Erlass sollten sie auch hier bleiben, um im Falle eines Prozesses gegen Gewalttäter*innen auszusagen.
Laut der Antwort auf die Anfrage reichen existierende Ausnahmeregeln „grundsätzlich aus, um auch Opfern rechter Gewalt einen gesicherten Verbleib im Bundesgebiet für ihre Anwesenheit als Opferzeugen im Strafprozess zu verschaffen“. Wie viele Opfer der 527 Gewaltdelikte die Prozesse miterlebt haben, wie viele davor abgeschoben wurden und wie viele nach dem Verfahren: Das alles kann die Regierung nicht beantworten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links