Rechtsanspruch auf Hauptschulabschluss: Arbeitgeberverbände drohen mit Klage
Die Arbeitsagenturen sollen nachträgliche Schulabschlüsse fördern. Doch in der Regierung gibt es Streit über das Projekt des SPD-Arbeitsministers.
BERLIN taz Es ist ein Prestigeprojekt von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD): Wer keinen Job findet, soll mit Unterstützung der Arbeitsagentur seinen Hauptschulabschluss nachholen. Der Minister will gar einen Rechtsanspruch auf Förderung. Die Idee ist einleuchtend: Studien zeigen, dass der Erfolg am Arbeitsmarkt entscheidend vom Bildungsabschluss abhängt. Bisher ermöglicht die Arbeitsagentur nach Ermessenslage nur Jugendlichen unter 25 Jahren, den Hauptschulabschluss nachzuholen.
Nach langem Hin und Her hat sich Scholz in dieser Woche mit Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) im Grundsatz geeinigt. Geht es nach dem Arbeitsminister, soll der Gesetzentwurf schon am kommenden Dienstag im Kabinett gebilligt werden. Allerdings gibt es noch einen Dritten im Bunde, an dem der Kompromiss nun scheitern könnte.
Das Wirtschaftsministerium sieht noch "Gesprächsbedarf", sagte eine Sprecherin zur taz. Auch wirtschaftsnahe Kreise der Unionsfraktion murren. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach gar von einem "Skandal".
Im Kern geht es um die Frage, ob mit Beiträgen aus der Arbeitslosenversicherung auch Maßnahmen für solche Arbeitslose finanziert werden sollen, die keinen Anspruch auf Versicherungsleistung haben - wie etwa Hartz-IV-Empfänger und Jugendliche ohne Lehrstelle. Das Arbeitslosengeld I zählt als Versicherungsleistung; das Arbeitslosengeld II hingegen wird aus Steuermitteln finanziert. Arbeitgeber und Wirtschaftsministerium sperren sich dagegen, dass Gelder aus dem Versichertentopf für die Qualifizierung von Arbeitslosen ohne Abschluss genutzt werden.
Der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) will per Klage Klarheit schaffen. Ein Berliner Ingenieursbüro hat Verfassungsbeschwerde eingereicht, andere Unternehmer ziehen auf BDA-Initiative hin vor die Sozialgerichte. In den Verfahren geht es allerdings nicht direkt um die Förderung von Hauptschulabschlüssen, sondern um eine ähnliche Maßnahme: Seit Januar werden rund fünf Milliarden Euro als sogenannter Eingliederungsbeitrag aus der Arbeitslosenversicherung abgezweigt, um Programme für Hartz-IV-Empfänger zu finanzieren.
Das Arbeitsministerium sieht darin kein Problem. "Es gibt ohnehin eine Mischfinanzierung", sagte eine Sprecherin. So überweise auch der Bund der Bundesagentur Milliardenbeiträge aus Steuermitteln.
Leser*innenkommentare
1,30Eur-Jobberin
Gast
Aus dem noch bestehenden sozialen Image leistungsschwächeren Menschen eine Weiterbildung oder Schulabschlüsse zu finanzieren will der freie Arbeitsmarkt sowieso weg.
Das tut er auch schon seit Jahren, indem er sich seine besten qualifizierten Mitarbeiter nach allerbesten Leistungen aussucht. Des Weiteren will man die Situation auf dem zweiten Arbeitsmarkt stärken, um gering Verdiener in Minijobs einzubringen. So zählt z. B. dann schon ein Hartz IV-Empfänger, der durch einen 1,30EUR-Job zu einem Minijob aufsteigt als Arbeitnehmer für den ersten Arbeitsmarkt. Wer dann immer noch durchfällt muss sich den derzeitigen willkürlichen umstrittenen Studien zu Hartz IV unterordnen, die ja in den taz Leserforen mit 122 Leseraktivisten hart umstritten wird