Rechtes Gedankengut bei der Polizei: Demokratiegefährder in den eigenen Reihen
Eine Studie zeigt, wie verbreitet rassistische Vorurteile in den Reihen der Hamburger Polizei sind. Polizeigewerkschaften fühlen sich verunglimpft.

Die Studie basiert auf einer Befragung von 2.018 Polizist:innen – Beamt:innen, Auszubildende und Angestellte –, die Teilnahme war freiwillig: 23,8 Prozent der Befragten ordnen sich politisch als rechts oder rechtsaußen ein, 45 Prozent äußern sich abwertend gegenüber Asylbewerbern, 26 Prozent hegen Ressentiments gegen Sinti*zze, Rom*nja und Langzeitarbeitslose.
Durchgeführt wurde die Studie vom Hamburger Institut für interdisziplinäre Kriminalitäts- und Sicherheitsforschung (HIKS) an der dortigen Polizeiakademie in Zusammenarbeit mit der Polizeiakademie Niedersachsen und dem Institut für Kriminalwissenschaften der Uni Münster.
Das Projekt soll empirisch belastbare Erkenntnisse über werte- und demokratiebezogene Einstellungen sowie deren Schutz- und Risikofaktoren bei Auszubildenden, Studierenden, Beamt:innen und Tarifbeschäftigten der Polizei Hamburg gewinnen. Der Bericht vom November stellt Analysen der ersten Befragungen vor, die im Mai und Juni 2024 durchgeführt wurden.
Weniger sympathisch und bedrohlicher
Den Befragten wurden unter anderem Fotos von Gesichtern präsentiert, die als „typisch arabisch“ oder „typisch weiß“ wahrgenommen werden. Auffällig oft wurden muslimisch oder arabisch wahrgenommene Menschen mit negativen Stereotypen belegt, wurden als weniger sympathisch, bedrohlicher und weniger vertrauensvoll eingestuft. Immer wieder tauchen in den Antworten Begriffe wie „bedrohlich“, „undemokratisch“ oder „fremdartig“ auf.
Im Gegensatz dazu wurden „typisch weiße Menschen“ als „tolerant“, „zivilisiert“ oder „geschlechtergerecht“ beschrieben. „Das sind keine riesigen Unterschiede, aber sie sind messbar“, teilt das Forschungsteam mit.
Diese kleinen Unterschiede deuten auf ein größeres Problem hin: latente Vorurteile, die nicht immer offen artikuliert werden. Besonders Schutzpolizist:innen, die im Außendienst häufiger mit Minderheiten in Kontakt kommen, zeigen hier stärkere Tendenzen.
Anfällig für populistische Ideen
Darüber hinaus zeigt sich ein Drittel (33,7 Prozent) anfällig für populistische Ideen. Und 15 Prozent stimmen der Aussage zu, dass „Politikerinnen und Politiker nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte“ seien. Noch deutlicher wird es bei der Aussage: „Die demokratischen Parteien zerreden alles und lösen keine Probleme“, die bei 35 Prozent Zustimmung findet. Diese hohe Resonanz spiegelt eine verbreitete Skepsis gegenüber der Politik wider, die besonders bei Schutzpolizist:innen und Verwaltungsangestellten auffällt.
Verschwörungsglaube ist in der Hamburger Polizei weniger verbreitet. Nur 2,5 Prozent stimmen der Behauptung zu, dass „Studien zum Klimawandel meist gefälscht“ seien. Auch andere Verschwörungsthesen, etwa über geheime Eliten, finden wenig Echo. Insgesamt äußern 6,8 Prozent einen mehr oder minder starken Verschwörungsglauben.
43 Prozent lehnen autoritäre Aussagen ab
Ein gemischtes Bild zeigt die Studie in Bezug auf Autoritarismus – also die Neigung zu Hierarchie, Gehorsam und strenger Ordnung. Fast die Hälfte der Befragten (44 Prozent) kann sich hier weder zu klarer Ablehnung noch zu starker Zustimmung entschließen. 43 Prozent lehnen autoritäre Aussagen ab, während 13 Prozent zustimmen, wobei Schutzpolizist:innen leicht höhere Werte aufweisen als Verwaltungsangestellte oder Kriminalpolizist:innen. Viele der Befragten fühlen sich gesellschaftlich nicht anerkannt.
Die wissenschaftliche Leitung des Projekts, vertreten durch Eva Groß, Professorin für Kriminologie und Soziologie an der Akademie der Polizei Hamburg, betont die potenziellen Konsequenzen problematischer Einstellungen. Die Polizei sei als Institution mit weitreichenden Befugnissen – einschließlich dem Eingriff in Grundrechte – besonders anfällig für die Auswirkungen demokratiefeindlichen Gedankenguts.
Groß vermutet zudem, dass Beamt:innen mit rechtsradikaler Gesinnung nicht teilgenommen haben. Dass diese Einstellungen Folgen haben, zeigen zum Beispiel die laufenden disziplinarischen Ermittlungen gegen 15 ehemalige und aktive Beamte in Hamburg, die verdächtigt werden, rassistische und Nazis verherrlichende Inhalte über Whatsapp ausgetauscht zu haben.
Ähnliches Bild in der Gesamtgesellschaft
Andere aktuelle Studien zeichnen in Bezug auf die Gesamtgesellschaft und die Polizei ein ähnliches Bild: Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 zeigt einen Anstieg rechtsextremer Einstellungen. Besonders im Westen nehmen ausländerfeindliche Haltungen zu, eine Angleichung an Ostdeutschland. Ebenfalls im vergangenen Jahr hatte die Megavo-Studie der Deutschen Hochschule der Polizei den Polizeialltag und Einstellungen bundesweit untersucht, wobei 30 Prozent der Befragten Asylsuchende abwerten – ein Wert, der über dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegt.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Hamburg hat die Ergebnisse der Studie wegen der geringen Teilnahmequote von etwa 13 Prozent angezweifelt. Hamburgs DPolG-Vorsitzender Thomas Jungfer stellt wegen der niedrigen Rücklaufquote die Repräsentativität infrage. Die Studie könne keine verlässlichen Aussagen über die gesamte Hamburger Polizei treffen.
Schon vor der Untersuchung hatten Polizeigewerkschaften wie die Gewerkschaft der Polizei (GdP), der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und die DPolG die Methodik und den Fragebogen der Studie kritisiert und 2021 den ursprünglichen Fragebogen abgelehnt. Sie bemängelten, dass die Anonymität der Teilnehmenden nicht ausreichend gewährleistet sei und Fragen zu politischer Orientierung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen könnten. In der Folge wurde die Studie zunächst gestoppt und erst 2024 nach Anpassungen durchgeführt.
Debatte im politischen Raum
Auch aus politischer Sicht gab es Diskussionen. Die Grünen und die Linksfraktion in Hamburg unterstützten die Studie. Sie sei notwendig, um Probleme wie Rassismus oder demokratiefeindliche Einstellungen in der Polizei aufzudecken. Die Grüne Jugend wertete die Ablehnung der Studie 2022 durch Personalrat und Gewerkschaften als Ausdruck eines mangelnden Problembewusstseins in der Polizei.
Tatsächlich weist die GdP die Studie auch nach der Veröffentlichung pauschal zurück. Sie beklagt, die Diskussion untergrabe das Vertrauen in die Polizei und stellt die eigene Zunft als Opfer pauschaler Verunglimpfung dar. Auch äußert sie Zweifel an der wissenschaftlichen Objektivität, weil die Studienautor:innen keine Einsatzerfahrung haben.
Die Linksfraktion fordert den Senat nun auf, Konsequenzen zu ziehen. Sie regt die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle und regelmäßige Berichte über die demokratische Verfasstheit der Polizei an. Innensenator Andy Grote (SPD) dürfe nicht länger vor den Polizeigewerkschaften einknicken, so ihr innenpolitischer Sprecher Deniz Celik. Er müsse auch „die strukturellen Dimensionen von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit innerhalb der Institution Polizei“ sehen und anpacken.
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