Rechte Richter und Burschenschaften: Justizministerium prüft Vorwürfe
Einem Richter aus Gera wird vorgeworfen, Asylklagen tendenziös zu entscheiden und sich im Netz rassistisch geäußert zu haben. Das hat nun Folgen.
Zuerst hatte die taz, dann auch der MDR über die Postings berichtet. Dem Verwaltungsgericht seien die Vorhaltungen aus der Presse bekannt, sagte dessen Präsident Michael Obhues dann Ende der Woche. Man untersuche diese unvoreingenommen. Geprüft werde etwa, ob der betreffende Richter weiter im Bereich Asyl arbeiten solle.
Gericht und Richter Fuchs stehen schon seit einigen Monaten in der Kritik. So hatte eine kleine Anfrage der Linken an die Bundesregierung offengelegt, dass an diesem Gericht die Chance für eine erfolgreiche Klage afrikanischer Asylsuchender statistisch deutlich geringer ist als im Durchschnitt.
Ende Juni hatte die taz Fuchs gefragt, ob er „BeFuchs287“ sei. Über Jahre loggte sich dieser User auf der Internetplattform „Tradition mit Zukunft“ (TraMiZu) ein und verfasste dort auch ausdrücklich gegen Geflüchtete, Sinti und Roma und gegen sexuelle Vielfalt gerichtete Beiträge. An die 15.000 Korporierte unter anderem aus Burschen- und Turnerschaften sind bei der Plattform registriert.
Deutliche Posts
„BeFuchs287 bin ich definitiv nicht“, hatte Fuchs betont, als die taz ihn mit Zitaten dieses Users konfrontierte, und sprach von „Manipulation“. Beim Auswerten der TraMiZu-Daten fällt jedoch auf, dass sich ein User über den Namen „Bengt-Christian Fuchs“ mit der internen Kennung „BeFuchs287“, dem Titel „Dr. iur.“ und dem Beruf „Richter am Verwaltungsgericht“ registrieren ließ.
2011 zog TraMiZu zu Facebook um, wo es inzwischen mehrere Untergruppen gibt. Dort finden sich mehrere Accounts, die einen Bezug zu Fuchs nahelegen. Beim Umzug zu der Facebook-Gruppe „TraMiJUR“ schreibt ein User „Fuchs Benedikt“ im März 2020 zur seiner Person: „Besten Dank für die Aufnahme – Salia Göttingen – Bin Vizepräsident Verwaltungsgericht Gera“. Benedikt ist die deutsche Variante des schwedischen Namens Bengt. Der taz gegenüber hatte Fuchs die Autorenschaft der Beiträge mehrfach bestritten, aber bestätigt, Alter Herr der Turnerschaft Salia Jenensis Göttingen zu sein.
In seinen Eintragungen wird immer wieder Bezug zu rechtlichen Aspekten genommen, stellte die Autonome Antifa Freiburg fest. So bietet „Fuchs Benedikt“ auch Rat an: „Bin Richter im Asyl und AufenthaltR kannst mich kontaktieren“.
Deutlich homofeindlich
Ein „Bengt-Christian Fuchs“ schreibt beim Thema „Abschiebung krimineller Ausländer“: „Meine Idee, die Typen im Überflug mit ner Transall über ihrer Heimat mit nem Fallschirm abwerfen zu lassen, wird von Mitarbeitern in Ausländerbehörden zwar begrüßt, dürfte aber an Voßkuhle und Consorten scheitern…;-D“. Gemeint sein dürfte der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, der seit 2020 Vorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen – für Demokratie“ ist.
2021 bat derselbe User andere Korporierte, bei einem Gründerwettbewerb für den Pitch seiner Frau zu stimmen. In einer Gruppe warnte „Bengt-Christian Fuchs“ Lehrkräfte, seinen Kindern nahezubringen, dass „homo- oder transsexuelle Veranlagungen einem heterosexuellen Dasein gegenüber als gleichberechtigt und normal zu beurteilen“ seien. Auffallend: nach der Konfrontation durch die taz kündigte der Richter an, „dieses Portal für mich zu löschen“. Das Profil hat mittlerweile alle „TraMi“-Facebook-Gruppen verlassen.
Die Thüringer Linken-Politikerin Katharina König-Preuss sagte, es sei „dringend an der Zeit, dass das Thüringer Justizministerium aktiv wird und weitere Entscheidungen verhindert, die zu Lasten von Geflüchteten gehen, die Anspruch auf Asyl haben“. Die Veröffentlichungen lieferten „genügend Anhaltspunkte“, um „endlich zu handeln“. Auch die Grüne Astrid Rothe-Beinlich forderte eine umfassende Aufklärung: „Bis diese erfolgt ist, sollte der Richter im eigenen Interesse seine Tätigkeit ruhen lassen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los