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Rechte Netzwerke in Burschenschaften„Die Brandmauer wird systematisch durchbrochen“

Burschenschaften bilden ein Scharnier von rechten zu rechtsextremen Kräften, sagt Experte Simon Brost. Das zeigt auch der Fall Peter Kurth.

Stramm rechts: Ein Berliner Gothia-Burschenschafter trägt Hosenträger und „Couleur“ – das gestreifte Band Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz
Hanno Fleckenstein
Interview von Hanno Fleckenstein

taz: Herr Brost, aus dem Verbindungshaus der Burschenschaft Gothia in Berlin-Zehlendorf kannte Ex-CDU-Finanzsenator Peter Kurth ein kürzlich festgenommenes Mitglied der „Sächsischen Separatisten“ – dem er Geld für ein rechtsextremes Hausprojekt in Sachsen geliehen hatte. Waren Sie überrascht, als Sie von dieser Verflechtung gehört haben?

Simon Brost: Nein. Zum einen gab es über Peter Kurth bereits zuvor Berichte, die dessen vielfältige Verbindungen in die Neue Rechte offengelegt haben. Zum anderen zeigt dieses Beispiel ein weiteres Mal, was die Attraktivität von Burschenschaften für rechte politische Milieus ausmacht: Wir haben es mit einem Lebensbund zu tun, der nach außen verschwiegen und nach innen autoritär auftritt, aber in dem man einander unterstützt und der so ein wichtiges politisches Netzwerk darstellt.

taz: Wie funktioniert so ein Netzwerk? Rund um die aktive Burschenschaft Gothia gibt es noch eine Schülerverbindung, die „Iuvenis Gothia“, und den Altherrenverband für ehemalige Burschenschaftler.

Brost: Die Gothia bemüht sich sehr stark darum, Nachwuchs zu gewinnen. Dafür dient die Schülerverbindung, sie soll künftige Mitglieder an die Burschenschaft heranführen. Die sogenannten Aktivitas – das sind die studierenden Mitglieder der Burschenschaft – sind verantwortlich für den Betrieb des Hauses in Zehlendorf sowie die Veranstaltungen dort und haben den Anspruch, Präsenz am Campus zu zeigen. Die Alten Herren stellen den finanziellen Rahmen bereit, vermitteln Karrieren und sind diejenigen, die an relevanten Stellen sitzen und die Arbeit der Burschenschaft fördern können.

taz: Ist die Gothia der zentrale Akteur der Berliner Burschenschaftsszene?

Brost: Die Gothia ist in dem Milieu in Berlin der am deutlichsten sichtbare und auch der dominante Akteur – und auch die einzige Burschenschaft, die vereinzelt an den Universitäten auftritt und auf Studierende zugeht. Es gibt noch weitere Burschenschaften, die aber nur äußerst selten öffentlich in Erscheinung treten.

taz: Wie weit rechts steht die Gothia?

Brost: Die Gothia ist aus bürgerlichen Westberliner rechtskonservativen Milieus entstanden und bis heute in diesen verankert. Sie nimmt eine Scharnierfunktion zwischen dem rechtskonservativen Rand der Unionsparteien und weiter rechts stehenden außerparlamentarischen Kräften ein. Seit einigen Jahren beobachten wir bei der Gothia und anderen Burschenschaften, dass sie zu den wichtigsten Vorfeldorganisationen der Neuen Rechten geworden sind, also von der Identitären Bewegung, der AfD und ihrer Jugendorganisation.

Christian Mang/MBR
Im Interview: Simon Brost

Simon Brost hat Politikwissenschaft und Geschichte studiert und ist seit 2017 bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin tätig. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen Antisemitismus und der Kulturkampf von rechts.

taz: Worin zeigt sich diese Scharnierfunktion von rechts nach ganz rechts?

Brost: Burschenschaften sind Orte, an denen die sogenannte Brandmauer systematisch durchbrochen wird. Konservative Vertreter demokratischer Parteien stellen die gemeinsamen Aktivitäten in der Burschenschaft mitunter über die parteipolitische Abgrenzung zum Rechtsextremismus. Deshalb existieren dort – selten nachweisbare, aber dennoch bestehende – informelle Verbindungen.

taz: Aber dafür muss es doch auch ideologische Überschneidungen geben.

Brost: Früher, nach dem Zweiten Weltkrieg, waren das zum Beispiel geschichtsrevisionistische Ansichten, etwa in Bezug auf die Oder-Neiße-Grenze. Heute sind das oftmals zumindest teilweise geteilte Gesellschaftsentwürfe und politische Positionen – etwa beim Thema Geschlecht. Vielfältige Lebensentwürfe und feministische Errungenschaften werden als Bedrohung für die eigene gesellschaftliche Stellung empfunden. Dieses bestimmte Männlichkeitsbild ist ein verbindendes Element, das über den programmatischen Linien der Parteien steht, in denen die Burschenschaftler aktiv sind.

taz: Das zeigt sich bei den ehemaligen „Gothen“: Darunter sind Berliner CDU-Politiker, aber auch zahlreiche aktive AfD-Mitglieder. Mischt die CDU in einer Vorfeldorganisation der Neuen Rechten mit?

Brost: Mit Blick auf die Vereinsstrukturen lässt sich feststellen, dass in der Gothia CDU-Mitglieder zumindest bis in die jüngste Vergangenheit eine wichtige Rolle gespielt haben – und das gerade auch in der Zeit, in der sich die Burschenschaft zur AfD und zur Neuen Rechten hin orientiert hat. Man kann hier sicherlich kritisch nachfragen, ob die Abgrenzung innerhalb der CDU von diesen Mitgliedern ausreichend erfolgt – und zwar nicht erst, wenn das in der Öffentlichkeit skandalisiert wird.

taz: Wie sieht das mit der Identifikation aus: Steht die Burschenschaft immer an erster Stelle – und folgt erst dann etwa die Partei?

Brost: Die Identifikation ist, soweit wir das beurteilen können, sehr stark. Es gibt Beispiele in der Vergangenheit, wo Personen vor die Wahl gestellt wurden zwischen einer politischen Karriere und ihrer Mitgliedschaft in der Burschenschaft als Lebensbund – und sich dann für die Burschenschaft entschieden haben. Doch damit diese Entscheidungen erst gar nicht getroffen werden müssen, sind viele Mitglieder tunlichst darauf bedacht, dass die Netzwerke und das gemeinsame Agieren im Verborgenen bleiben.

taz: Welche Rolle spielen Burschenschaften wie die Gothia beim Aufstieg von AfD und der extremen Rechten in Berlin?

Brost: Das Gothenhaus in Zehlendorf ist als Wohn- und Veranstaltungsort in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Kristallisationspunkt neurechter In­frastruktur in Berlin geworden. Schon früh wurden dort die Türen geöffnet für Veranstaltungen aus dem AfD-Milieu. Insgesamt sind Burschenschaften Strukturen, die schon lange vor der AfD bestanden und auf welche die AfD nun zurückgreifen kann.

taz: Nehmen Politik und Sicherheitsbehörden die Gefahr, die von diesen Netzwerken ausgeht, ernst genug?

Brost: Burschenschaften konnten jahrzehntelang unbeobachtet auf ihre politischen Ziele hinarbeiten. Zu lange wurde dort nicht ausreichend hingeschaut. Das hat sich erst durch investigative Recherchen einzelner Medien geändert. Die Sicherheitsbehörden lassen sich zu der Frage, wie genau sie die Netzwerke der Neuen Rechten beobachten, allerdings bis heute nicht gerne in die Karten schauen.

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11 Kommentare

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  • „Es kann einem bange werden." (Heinrich Böll) - auch durch den Inhalt einiger Kommentare zum Interview.



    Leseempfehlungen: Sebastian Haffner, „Geschichte eines Deutschen". Und teilsatirisch: Heinrich Mann, „Der Untertan." („Hurra, Hurra, Hurra!")

  • Wer glaubt, er könne unverfänglich von Nationalmannschaften, der deutschen Wirtschaft oder nationalen Interessen reden, irrt. Er bezieht sich auf die Nation als Referenzpunkt und steckt schon mittendrin im Nationalismus.

    Wer im Liberalismus mit seiner Idealisierung des freien Wettbewerbs den sozialdarwinistischen Kern nicht erkennt, muss schon mit Blindheit geschlagen sein.

    Es gibt daher keinen Abstand zwischen nationalliberaler Mehrheitsgesellschaft und extremer Rechte, wo Platz für eine Brandmauer wäre. Die Maske der Offenheit fällt immer dann, wenn die Mitte sich auf der Gewinnerseite oder bedroht sieht.

    • @Stoersender:

      Es gibt sehr wohl einen Unterschied zwischen normalen Nationalgefühl, das ist mehr so wie Familie, und Menschenverachtenden , abwertenden, die eigene Gruppe überhöhenden Nationalismus.



      Nur weil Du besser mit den Leuten in Deinem Dorf oder mit Deinen Geschwistern was unternehmen kannst, musst Du ja nicht die Leute in der Ferne total runter machen.

  • Welche echte Gefahr geht von den Burschenschaften oder den "Netzwerken" denn aus?



    Stellen diese militarisierte Gruppen zum Umsturz bereit? Werden von den Burschenschaften direkt unterstützte Straftaten begangen oder bleibt es bei einem diffusen "die sind aber alle rechts und deswegen gefährlich" ?

    • @hkj2314:

      Ja nee klar - die tun nix - die wolln nur spielen!



      So wie einst der Bruder meiner Mutter



      (“der. Buchse“ uns Ohl) - der dann beim Kapp-Putsch mit ähnlichem Milchreisbubis dabei war. (Fotos at hand)



      & Bruno Paul im Simpl



      images.app.goo.gl/hxjq65otL7zDCMZa8



      “Sind wir nicht zur Herrlichkeit geboren …“

      Na Servus & always at your servíce

  • Es gibt keine Brandmauer und es hat auch noch nie eine gegeben. Was es gibt sind Fraktionszwang und Seilschaftenmentalität in der Partei. Weltanschaulich war die Union schon immer rechtsoffen weil rechtsextreme Versatzstücke im Konservatisums schon immer konsensfähig waren wenn man den Leuten nur lange genug eingeredet hat dass man ihnen was wegnehmen will.

    Ich empfehle hierzu "The reactionary mind: conservatism fron Edmund Burke to Sarah Palin". Konservatismus ist im Kern nichts anderes als Reaktion.

    1932 haben über 17 Millionen Menschen die NSDAP gewählt, das war ausweislich der Wählerbewegungen aus den vorangegangenen Wahlen praktisch das gesamte konservative Spektrum.

    Bis heute hat das konservative Bürgertum das verdrängt und wer aus Fehlern nicht lernt, ist dazu verdammt sie zu wiederholen.

    Ein zwei größere Krisen und noch ein paar Jahre Aussitzen von bestehenden Problemen plus social media-Verdummung und wir haben die AfD mit 30 Prozent im Bundestag sitzen. Und selbst wenn die CDU nicht koaliert kann die AfD schon heute die Agenda bestimmen.

    Brandmauer, dass ich nicht lache.

  • Ein wichtiges Thema, aber warum nennt Herr Brost keine Namen außer dem schon sattsam bekannten Herrn Kurth. Hat der in der Berliner CDU denn noch irgendetwas zu sagen?

    Dieses im Allgemeinen bleibende Geraune hilft nicht weiter.

    Wer sind etwa die rechtskonservativen West-Berliner Kreise?

    Wer in der CDU hat Verbindungen zu den Burschenschaftlern? Sind das nur Hinterbänkler, oder Leute, die in der CDU-Berlin etwas zu sagen haben?

    Auch einige Beispiele für die Karriereförderung durch die "Alten Herren" der Gothia hätten mich interessiert.

    Sollte Herr Brost auf Namensnennung verzichten, um nicht mit Strafanzeigen der Betroffenen rechnen zu müssen, hätte man das doch kurz erwähnen können.

    Nach meinem Eindruck bleiben zu viele Artikel zu diesem Thema im Vagen - was es AfD & Co erleichtert, sich als verfolgte Unschuld darzustellen, weil es angeblich an konkreten Vorwürfen und Belegen fehle.

    • @ PeWi:

      Vielleicht hat die Antifa da was zu bieten, wenn hier Herr Brost jemanden öffentlich hinlänglich hat er mit Sicherheit ein Rudel rechter Juristen am Bein. In meiner Region gibt es eine Doku der Antifa, die anhand von Fotos von Veranstaltungen die Verflechtungen der Burschis mit der AgD und Mördern darstellt. Die Veröffentlichung erfolgt aus gutem Grund anonym, die Bilder sind sagen aber alles.

  • Wirklich beängstigend die Recherche. Nur frage ich mich, ob mit gleicher Inbrunst auch gegen islamistische Umtriebe vorgegangen oder Ausländerkrimialität thematisiert wird. Wenn schon der Begriff Clankriminilatät in bestimmten Kreisen, die diesem Medium nahestehen, als rassistisch tabuisiert wird, wirkt das Ganze aufgesetzt. Oder wo blieb der Aufschrei, als tausende auf den Straßen ein Kalifat forderten? Pluralismus ist ein hohes Gut und sollte für alle Medien Maxime sein.

    • @Schö51:

      Billiger Whataboutism und Derailing. Wollen Sie jedem, der eine Recherche zu rechten Burschenschaften macht, vorwerfen dass er nicht auch zu Clankriminalität recherchiert?

    • @Schö51:

      Das ist doch nur eine Recherche, wer geht denn gegen die Burschis vor?



      Damit was passiert müssen sie ja erstmal ein Depot mit Kriegswaffen anlegen und irgendwo Übungen abhalten. Bei Islamisten reicht ja dankenswerterweise auch schon mal ein Hinweis von einem ausländischen Geheimdienst über verdächtige Aktivitäten im Internet, damit die Polizei einschreiten.