Rechte Drohbriefe in Schleswig-Holstein: Gerüstet gegen die „Sturmfront“
In Schleswig-Holstein kursieren anonyme Drohbriefe der „Sturmfront“ mit Maschinengewehr und AfD-Logos. Die Empfänger:innen lassen sich nicht einschüchtern.
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„Die Intention ist offensichtlich“, sagt Lasse Petersdotter. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag betont gegenüber der taz: „Ich lasse mich nicht einschüchtern“. Die verwendeten Logos seien professionell gesetzt. Das Symbol der Landvolkbewegung – eine schwarze Fahne mit weißem Pflug und rotem Schwert – stamme aus den 1920er Jahren und zeuge von historischem Traditionswissen. In der Weimarer Republik organisierte die Bewegung Steuerboykotte und verübte Sprengstoffanschläge. Auch bei den Bauernprotesten gegen die Ampel-Regierung tauchte das Symbol auf. Der oder die Absender hätten sich Mühe gemacht, sagt Petersdotter.
Ein Schreiben von der „Sturmfront“, die sich im Brief weiter als „patriotischer Untergrund der AfD mit Unterstützung der Bauernschaft“ bezeichnet, erhielt auch Serpil Midyatli. Die SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag warnt, wie Petersdotter, seit Langem vor einem Rechtsruck in Schleswig-Holstein. Einschüchtern lässt sie sich nicht. Der Brief sei nicht die erste Drohung. Beide Politiker haben Anzeige erstattet und die Schreiben den Ermittlungsbehörden übergeben. Auch der NDR Schleswig-Holstein erhielt ein ähnlich formuliertes Schreiben.
In der vergangenen Woche erreichte ein Drohbrief der „Sturmfront“ ebenso Steffen Paar, Propst des Kirchenkreises Rantzau-Münsterdorf. Die Drohung richtete sich auch gegen seinen Ehemann. Beide leben offen homosexuell und engagieren sich gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. In dem Schreiben heißt es nicht nur wie in den anderen Briefen: „Wir wissen wo Sie (…) wohnen“, sondern es wird sich zudem beklagt, dass die Kirche das Volk durch Homosexuelle gängele.
AfD will mit nichts zu tun haben
Die individuelle Anpassung der Texte verstärkt den Eindruck gezielter Bedrohung. Paar machte die Bedrohung öffentlich und antwortete: „Schade, dass Ihr zu feige gewesen seid, Euren Namen zu nennen“. Weiter schrieb er: „Migrant:innen werden als Ursache vieler Probleme ausgemacht. Je härter die Wortwahl und die Maßnahmen, umso besser scheint man sich zu fühlen. Ihr als Briefeschreibende wollt unser Land reinigen.Von ihnen. Von uns“.
Paar und sein Partner wollen nicht nachgeben: „Mein Mann und ich sind achtsam. Angst haben wir keine“. Die AfD möge „mit diesem Brief nichts zu tun haben“, so Paar. „Doch Vertreter:innen dieser Partei schaffen mit ihren Äußerungen und ihrem Handeln den Nährboden dafür“.
Die AfD reagierte prompt. Bundesgeschäftsführer Hans-Holger Malcomeß distanzierte sich von den Schreiben. Auf der Website des Landesverbands erklärte die Partei: „Die AfD hat damit, wie leicht erkennbar, nichts zu tun. Selbstverständlich erfolgte die Logonutzung ohne unser Wissen und unsere Zustimmung“. Gleichzeitig schließt die AfD nicht aus, dass „dritte Seiten“ die Briefe bewusst einsetzen könnten, um der Partei „im Wahlkampf zu schaden“.
Eine False-Flag-Operation? Dem Verfassungsschutz liegen bisher keine Erkenntnisse zur „Sturmfront“ vor. Diese sei im Norden bisher nicht öffentlich in Erscheinung getreten, sagt auch Torsten Nagel vom Regionalen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus zur taz. „Ob Einzelperson oder Gruppe, die Drohschreiben verbreiten Hass und Terror und phantasieren eine unmittelbar bevorstehende Machtergreifung des ‚Volkes‘ herbei“, sagt er. Er betont, dass die AfD mit ihrer Rhetorik und ihrem Handeln ein Klima schaffe, das sich gegen Migrant:innen, LGBTIQ+, Grüne und Antirechts-Engagierte richte. „Auch ein Einzelner, aufgehetzt durch die gesellschaftliche Stimmung, kann seinen Worten Taten folgen lassen“.
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