Rechte Burschenschaft in Österreich: Germania wird aufgelöst
Die Burschenschaft des FPÖ-Politikers Udo Landbauer war wegen eines Liedbuches in die Schlagzeilen geraten. Es verherrlicht den Holocaust.
Anlass ist das vergangenene Woche in die Schlagzeilen geratene Liederbuch der Burschenschaft, in dem der Holocaust verherrlicht wird. Udo Landbauer, FPÖ-Spitzenkandidat bei den niederösterreichischen Landtagswahlen am Wochenende, war bis vor Kurzem stellvertretender Vorsitzender dieser Burschenschaft. Er wird den seiner Partei zustehenden Sitz in der Landesregierung voraussichtlich nicht einnehmen.
Für einen Parteiausschluss Landbauers sieht Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aber derzeit keine Veranlassung. Landbauer habe glaubhaft versichert, die Liedertexte nicht gekannt zu haben, so Strache. All jenen, die sich etwas zuschulden kommen ließen, drohten aber „strafrechtliche und moralische Konsequenzen“.
Vor einigen Tagen hat Strache sogar eine Aufarbeitung der braunen Flecken der Partei durch eine Historikerkommission in den Raum gestellt. Ein gewagtes Vorhaben, ging die FPÖ doch aus dem Verband der Unabhängigen (VdU) hervor, der als Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten gegründet wurde, als das Verbot politischer Betätigung für die „Ehemaligen“ 1949 auslief.
Experte: „Kein Einzelfall“
Bernhard Weidinger, Rechtsextremismusexperte des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes (DÖW), zeigte sich überrascht über die geplante Auflösung der Germania: Das passe nicht zur bisherigen Erzählung. Warum sollte man den ganzen Verein auflösen, wenn es sich doch, wie bisher behauptet, „nur um Verfehlungen von Einzelnen handelt?“ Weidinger hat inzwischen Schilderungen aus anderen Burschenschaften gehört und ist überzeugt, „dass solche Liedtexte kein Einzelfall sind“.
Vizekanzler Strache hatte zuletzt treuherzig versichert, dass die Burschenschaften nichts mit der FPÖ zu tun hätten. Allerdings sind die meisten seiner Minister und 18 von 51 Nationalratsabgeordneten seiner Partei Mitglieder einer solchen – Strache eingeschlossen.
Experte Bernhard Weidinger sagt, man dürfe sich „die Burschenschaften in der FPÖ nicht als monolithischen Block“ vorstellen. In Summe seien sie aber eine Kraft, die die FPÖ „über Jahrzehnte am rechten Rand gehalten“ hätte. Gemein sei ihnen Demokratie-Skepsis, völkischer Nationalismus, das männerbündlerische Prinzip und die politische Standhaftigkeit, die es verbiete, Kompromisse zu schließen.
Zwar seien die Burschenschafter mit 0,4 Promill der Bevölkerung eine verschwindende Minderheit der Bevölkerung, sagt etwa Henning Scharsach, Autor des Buches „Stille Machtergreifung. Hofer, Strache und die Burschenschaften“. In der FPÖ hätten sie aber „de facto die Macht übernommen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin