Rechte Bewegung in Polizei und Justiz: Blaue Linie überschritten

Im Landgericht Kiel trug ein Justizbeamter einen Aufnäher der „Thin Blue Line“-Bewegung. Das Logo ist bei Rechten beliebt. Das Ministerium reagierte.

Ein Justizbeamter steht im Gerichtssaal, im Hintergrund des Bildes findet ein Prozess statt

Wie verbreitet ist die Thin-Blue-Line-Bewegung im Justizapparat? Foto: Christian Charisius/dpa

Der Aufnäher fiel auf. In der Verhandlung vor dem Landgericht Kiel trug aber nicht der des dreifachen Mordes angeklagte Hartmut F. ein einschlägiges Abzeichen. Auf der Schutzweste eines Justizbeamten war rechts das Landeswappen von Schleswig-Holstein angebracht, links das Logo von „Thin Blue Line“, mit Schriftzug und Spartaner-Helm – bei rechten Polizei- und Jus­tiz­be­am­t:in­nen ein beliebtes Symbol.

Journalisten war der Aufnäher aufgefallen. Das Justizministerium in Kiel teilte inzwischen mit, dem Beamten sei das Tragen des Abzeichens untersagt worden – unter Hinweis auf die Dienstbekleidungsvorschrift und das Neutralitätsgebot. Außerdem seien alle Be­am­t:in­nen erneut auf das Gebot hingewiesen worden. „Wie das Justizministerium die Bewegung bewerte, darauf gab es keine Antwort“, twitterte Carsten Janz vom NDR.

In Polizei und Justiz erfährt die Bewegung aus den Vereinigten Staaten stetigen Zulauf. Die „Thin Blue Line“ soll die Idee von der Polizei als letzte Verteidigungslinie gegen das Abrutschen der Gesellschaft ins Chaos symbolisieren. Die Farbe verweist auf die Uniformen der US-Polizei. Im Kontext der Black-Lives-Matter-Bewegung war auch die Blue-Lives-Matter-Bewegung entstanden.

2016, nach dem Attentat auf fünf Polizisten in Dallas, Texas, wurde das Symbol populärer – auch als Solidaritätsbekundung für die Polizei. In der White-Supremacy-Bewegung für eine Weiße Vorherrschaft ist das Symbol ebenfalls präsent. Beim Sturm auf das Kapitol in Washington D.C. 2021 trugen die Angreifenden Fahnen dieser Bewegung.

Polizei sieht keinen politischen Kontext

Bereits an Weihnachten 2021 hatten mehrere deutsche Po­li­zis­t:in­nen einen Tweet zur „Thin Blue Line“ verbreitet. In Kiel hatte die Polizei an Heiligabend die mittlere Etage der dreistöckigen Wache am Hauptbahnhof dunkelblau beleuchtet. Auf der privaten Website „Polizei=Mensch“ wurde der Weihnachtsgruß veröffentlicht, berichtet netzpolitik.org. Die Landespolizei Schleswig-Holstein hatte sich damals hinter die Aktion gestellt.

Die Nachtschicht habe verdeutlichen wollen, dass die Polizei auch während der Weihnachtsfeiertage „rund um die Uhr für alle“ zur Verfügung stehe. Ein politischer Kontext sei nicht gegeben, erklärte der Account „Polizei SH“ am 27. Dezember auf Twitter.

Im März 2021 erklärte der Berliner Senat auf eine Grünen-Anfrage zu einem Polizisten, der das Symbol an der Uniform trug, es sei dem „Senat bekannt“, „dass die ‚Thin Blue Line‘ einerseits eine Vorstellung von der Polizei hat als vorderste Linie gegen das Abrutschen der Gesellschaft in gewalttätiges Chaos“, andererseits finde „das Symbol in rechten Zusammenhängen Verwendung und ist daher insbesondere im Zusammenhang mit der Dienstkleidung nicht akzeptabel“.

Seine Verwendung bestätigt die Existenz rechter Netzwerke in der Polizei – auch in Schleswig-Holstein. Wenig überraschend, dass der AfD-Landtagsabgeordnete Claus Schaffer sich mit der Bewegung und dem nun auffällig gewordenen Justizbeamten solidarisiert. Als Hauptkommissar kommt er von der Landespolizei.

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Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).

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