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Rechte Bedrohung im BundestagMaximilian T. ist Rechtsextremist

Der Bundeswehrgeheimdienst hat einen AfD-Mitarbeiter im Bundestag als Rechtsextremist eingestuft. Gegen ihn wurde im Fall Franco A. ermittelt.

Hier arbeitet Maximilian T.: Bundestag in Berlin Foto: reuters

Berlin dpa/taz Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat Maximilian T., den Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten, als Rechtsextremist eingestuft. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus dem Bundestag. Zur selben Einschätzung war nach taz-Informationen zuvor das Bundesamt für Verfassungsschutz gekommen.

Der Fall des Oberleutnants, der für den AfD-Verteidigungspolitiker Jan Nolte arbeitet und nebenberuflich in dessen Büro angestellt ist, war bereits mehrfach Thema. Öffentlich kritisiert worden war die Erteilung eines Hausausweises für den Bundestag. Maximilian T. war ins Blickfeld der Ermittlungen gegen den Offizier Franco A. gekommen. Dieser soll nach Ansicht des Generalbundesanwalts aus einer rechtsextremen Gesinnung heraus einen Terroranschlag geplant haben. Er gab sich als syrischer Flüchtling aus.

Gegen Maximilian T. hatte der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes im Mai 2017 zeitweise Untersuchungshaft angeordnet. Er war gemeinsam mit Franco A. der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verdächtigt worden. Der Haftbefehl wurde aber im Juli 2017 aufgehoben. Das Verfahren gegen ihn wurde später eingestellt.

Maximilian T. war wie Franco A. Mitglied in einer der Prepper-Chatgruppen, die der damalige KSK-Soldat André S. alias Hannibal ins Leben gerufen hatte. Nach taz-Recherchen hatten Maximilian T. und Franco A. zudem ein engeres persönliches Verhältnis. Franco A. war bei Familienfeiern von Maximilian T., er ist mit Maximilians Schwester Sophia liiert. Ihr Vater, Thomas T, ist seit vielen Jahren als Reichsbürger aktiv und verfolgt Pläne, im Kaliningrader Gebiet in Russland eine deutsche Siedlung aufzubauen.

Maximilian T. ist Schatzmeister der „Jungen Alternative“

Der AfD-Abgeordnete Nolte und sein Büro haben über die Arbeit im Verteidigungsausschuss des Bundestages auch Zugang zu vertraulichen Dokumenten und sicherheitspolitischen Strategien. Die Bundestagsverwaltung erklärte am Donnerstag auf Anfrage, zu Fragen der Ausgabe von Zutrittsberechtigungen könne in Einzelfällen keine Auskunft erteilt werden. In der Bundeswehr führt die Einstufung als Extremist zu Schritten, die eine Entfernung aus dem Dienst zum Ziel haben.

Maximilian T. ist Schatzmeister des Landesverbandes der Jungen Alternative in Sachsen-Anhalt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Nachwuchsorganisation der AfD als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus ein. Zur Aufklärung dieses Verdachts ist auch der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erlaubt.

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Armin Schuster, sagte, nicht nur die strukturellen Reformen beim MAD, sondern auch das neue „offensivere Vorgehen“ gegen erkannte Rechtsextreme in der Bundeswehr seien „angesichts unserer Erkenntnisse ausdrücklich zu begrüßen“.

Schuster hatte im vergangenen Oktober der taz gesagt: „Die politische Hygiene würde es erfordern, dass Maximilian T. nicht im Bundestag arbeitet.“ Er sagte damals weiter: „Dass er hier ein- und ausgehen darf, ist geradezu entwürdigend für das Parlament.“ Rechtsextremisten gehören nicht in Bundestagsbüros“, sagt der FDP-Obmann im Innenausschuss, Benjamin Strasser. „Der Abgeordnete Jan Nolte ist gut beraten, diesen Angestellten schnellstens zu entlassen.“

Anmerkung der Redaktion

Gegen diesen Text ist Maximilian T. presserechtlich vorgegangen. In erster Instanz hat das Landgericht Köln am 9.4.2020 den einstweiligen Verfügungsantrag von Maximilian T. gegen Teile des vorstehenden Artikel zurückgewiesen (Az. 28.0.100/20). Das Oberlandesgericht Köln hat diese Entscheidung durch Beschluss vom 11.5.2020 bestätigt (Az. 15 W 19/20 – 28.0.100/20). Damit ist die Entscheidung rechtskräftig und der Text bleibt in seiner Originalfassung stehen.

Jony Eisenberg, Rechtsanwalt der taz: „Mit dieser Entscheidung ist die taz erneut einem Versuch eines Mitarbeiters eines AfD-Bundestagsabgeordneten – erfolgreich – entgegen getreten, eine Berichterstattung über das rechtsradikale Milieu, das sich in der Mitarbeiterschaft von AfD-Bundestagsabgeordneten abbildete, zu unterbinden.“ Wir dokumentieren im Folgenden zunächst die Entscheidung des LG Köln.

Maximilian T. ging gegen mehrere Aussagen im Text vor:

Antrag zu 1.:

a.) Gegen ihn wurde im Fall Franco A. ermittelt,

b.) Maximilian T. war ins Blickfeld der Ermittlungen gegen den Offizier Franco A. gekommen.

c.) Gegen Maximilian T. hatte der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes im Mai 2017 zeitweise Untersuchungshaft angeordnet. Er war gemeinsam mit Franco A. der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verdächtigt worden.

d.) Maximilian T. war wie Franco A. Mitglied in einer der Prepper-Chatgruppen, die der damalige KSK-Soldat André S. alias Hannibal ins Leben gerufen hatte. Nach taz-Recherchen hatten Maximilian T. und Franco A. zudem ein engeres persönliches Verhältnis. Franco A. war bei Familienfeiern von Maximilian T.

Mit Beschluss vom 31. 3. 2020 hat das Gericht wie Bedenken wie folgt geäußert:

„Die mit dem Antrag zu 1 angegriffenen Äußerungen dürften von dem Antragsteller im Ergebnis hinzunehmen sein. Bei den Äußerungen gemäß Antrag zu d) und den im selben Abschnitt folgenden Behauptungen handelt es sich zunächst nicht um eine Verdachtsberichterstattung, denn insofern werden Tatsachen über den Antragsteller als feststehend behauptet. Die Unwahrheit dieser Behauptungen wird nicht geltend gemacht. Unabhängig davon, ob die mitgeteilten Umstände der Privat- oder Sozialsphäre des Antragstellers zuzuordnen sind, überwiegt unter Berücksichtigung der Funktion des Antragstellers im Deutschen Bundestag und der hierzu in der Öffentlichkeit geführten Diskussion nach Auffassung der Kammer in jedem Fall das Berichterstattungsinteresse.

Auf dieser Grundlage neigt die Kammer zu.der Auffassung, dass auch die Zulässigkeit der Äußerungen gemäß Antrag zu 1.a) bis 1.c) an den Maßstäben der Verdachtsberichtserstattung zu messen ist. Dies würde voraussetzen, dass tatsächliche Umstände nicht als feststehend behauptet, sondern als ungeklärt in den Raum gestellt werden. So verhält es sich indes im Hinblick auf eine Beteiligung des Antragstellers an der von Franco A. verübten Straftat nicht, denn die taz berichtet (auch) über die Einstellung des diesbezüglich geführten Ermittlungsverfahrens.

Der Kammer ist bewusst, dass im Ausgangspunkt auch die Berichterstattung über eingestellte Verfahren an den Maßstäben der Verdachtsberichterstattung zu messen ist, weil auch in einem solchen Fall die Gefahr besteht, dass bei dem Rezipienten,,etwas hängen bleibt“. Da aber im konkreten Fall die tatsächlichen Umstände, die zur Aufnahme der Ermittlungen geführt haben, zulässigerweise mitgeteilt werden dürfen (s. o. zum Antrag zu 1.d), geht von der weiteren (zutreffenden und die Sozialsphäre des Antragstellers betreffenden) Mitteilung, dass ein deswegen geführtes Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller eingestellt wurde, keine so erhebliche Beeinträchtigung des Antragstellers aus, dass dessen Rechte sich gegenüber dem Berichterstattungsinteresse der Antragsgegnerin durchsetzen würden. Eher wird dadurch der sich dem Leser ggf. stellenden Frage nach einer möglichen Verstrickung des Antragstellers in die von Franco A. verübte Tat aufgrund der Mitteilung, dass die Ermittlungsbehörden das Verfahren eingestellt haben, im Sinne des Antragstellers der Boden entzogen.“

Antrag von Maximilian T. zu 2.:

a.) Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat Maximilian T., den Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten, als Rechtsextremist eingestuft.

b.) Zur selben Einschätzung war nach taz-Informationen zuvor das Bundesamt für Verfassungsschutz gekommen.

Das Gericht:

„Auch der Antrag zu 2 dürfte unbegründet sein. Die (unstreitig zutreffende) Einordnung des Antragstellers als Rechtsextremist durch den MAD ist vor dem Hintergrund seiner Funktion im Deutschen Bundestag von hohem öffentlichem Interesse. Da die taz zu den Gründen hierfür nicht weiter berichtet, sondern im Folgenden – nach Trennung durch einen Absatz – zu weiter zurückliegenden Ereignissen ausführt („Der Fall... war bereits mehrfach Thema.“), ohne eine Verbindung zwischen diesen und der aktuell vorgenommenen Einstufung durch den MAD (und das Bundesamt für Verfassungsschutz) zu ziehen.

Die Voraussetzungen für eine Unzulässigkeit dieser Äußerungen unter dem Gesichtspunkt der bewussten Unvollständigkeit sieht die Kammer als nicht gegeben an, weil die Hinzufügung der vom Antragsteller vermissten Information, wonach in der Begründung für die Einordnung nur die Tätigkeit des Antragstellers bei der als Verdachtsfall eingestuften Jugendorganisation der AfD genannt wurde, der Berichterstattung kein wesentlich anderes Gepräge geben würde. Gleiches gilt für die Einordnung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Insofern verweist die Kammer auf ihren Hinweisbeschluss vom 6.5.2019 in dem Verfahren 28 0 154/19, in dem es heißt:

„Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich nach Auffassung der Kammer um eine Meinungsäußerung, mit welcher die Antragsgegnerin ihre Einschätzung hinsichtlich der Einordnung der politischen Ausrichtung des Antragstellers durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zum Ausdruck bringt (,,hält... T. für Rechtsextremisten“). Diese hat der Antragsteller hinzunehmen, denn die Äußerung der Antragsgegnerin ist durch Art. 5 Abs. I GG gedeckt. Aufgrund des Umstandes, dass er in leitender Position in der Identitären Bewegung (nicht angegriffen:,Identitären-Chef') tätig ist, als wissenschaftlicher Mitarbeiter für einen Bundestagsabgeordneten tätig ist und aufgrund dieser Umstände Gegenstand von Erörterungen in einer Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages war, besteht ein erhebliches Interesse an der in der Berichterstattung behandelten Frage der Einordnung des Antragstellers durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Zudem streitet für die Antragsgegnerin, dass der Äußerung ein zutreffender Tatsachenkern zu Grunde liegt, nachdem nämlich der Mitarbeiter Schäfer des Bundesamtes für Verfassungsschutz sich – unstreitig mit Bezug auf den Antragsteller – in der genannten Innenausschuss-Sitzung u.a. wie folgt geäußert hat: „...tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung... Ausprägung der Bestrebungen qualitativ unterschiedlich... bei allen drei Protagonisten... Iiegen... die Voraussetzungen vor, um da grundsätzlich als Verfassungsschutz tätig zu werden“ Dieser Sachverhalt konnte wie von der Antragsgegnerin geschehen wertend wiedergegeben werden,...“

Diese Überlegungen sind auf die vorliegend angegriffenen Äußerungen übertragbar.“

Die von der Kammer zitierte Entscheidung bezieht sich auf den Versuch Maximilian Ts., gegen einen Artikel eines anderen Mediums vorzugehen, in dem es hieß:

„Abgeordnete der AfD haben schon mehrfach Rechtsextremisten beschäftigt. Der bekannteste Fall ist Maximilian T., der als Komplize von Franco A. galt und gegen den deswegen die Generalbundesanwaltschaft ermittelt hatte. Das Verfahren wurde inzwischen eingestellt. Maximilian T. war noch während der Ermittlungen vom AfD-Abgeordneten Jan Nolte angestellt worden und hatte Zugang zum Bundestag bekommen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hält A. und T. für Rechtsextremisten. Es lägen bei ihnen „tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor“, sagte ein Vertreter des BfV im Februar in einer Sitzung des Innenausschusses im Bundestag.“

Das Landgericht Köln hat Maximilian T. Gelegenheit gegeben, den Antrag gegen die taz zurück zu nehmen oder zu den oben ausgebreiteten Überlegungen Stellung zu nehmen. Er bestand auf einer Entscheidung.

Das LG Köln hat daraufhin seinen Antrag wie folgt am 9. 4. 2020 zurückgewiesen:

„Die Kammer bleibt... bei ihrer Auffassung…. Insbesondere bleibt es dabei, dass die mit dem Antrag zu 1. d) angegriffenen Äußerungen …. ebenso wie die sich anschließenden, nicht angegriffenen Aussagen „(...) er ist mit Maximilians Schwester Sophia liiert. Ihr Vater, Thomas T., ist seit vielen Jahren als Reichsbürger aktiv und verfolgt Pläne, im Kaliningrader Gebiet in Russland eine deutsche Siedlung aufzubauen.“ nicht als im Tatsächlichen offen (dann möglicherweise Verdachtsberichterstattung), sondern als feststehend geäußert werden, so dass ihre Zulässigkeit unter Anwendung der für Tatsachenbehauptungen geltenden Abwägungsregeln zu beurteilen ist. Nach wie vor trägt der Antragsteller hierzu nicht vor, dass die behaupteten Tatsachen nicht der Wahrheit entsprächen.

Die Äußerung wahrer Tatsachen muss der Antragsteller aber hinnehmen, soweit sie von einem Berichterstattungsinteresse gerechtfertigt ist. Dass ein solches in erheblichem Maße hinsichtlich der Frage besteht, ob ein Mitarbeiter eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages über Verbindungen in die rechtsextreme Szene verfügt, muss nicht weiter begründet werden. Daher kann letztlich offen bleiben, ob die behaupteten Tatsachen der Privat- oder der Sozialsphäre des Antragstellers zuzuordnen sind, denn auch im ersteren Falle überwiegt nach Auffassung der Kammer das Berichterstattungsinteresse der taz das Interesse des Antragstellers daran, mit den berichteten Umständen nicht in der Öffentlichkeit konfrontiert zu werden.

Die Kammer bleibt auch dabei, dass vor diesem Hintergrund die mit dem Antrag zu 1 a-c angegriffene Berichterstattung über das gegen den Antragsteller geführte Ermittlungsverfahren zulässig ist. Zutreffend ist zwar, dass auch in einer Berichterstattung über die Einstellung von Ermittlungen eine Verdachtsäußerung liegen kann. Vorliegend wird aus Sicht des Durchschnittslesers der Verdacht einer Beteiligung des Antragstellers an der von Franco A. geplanten Tat aber gerade nicht – auch nicht zwischen den Zeilen – reaktualisiert oder aufrechterhalten, weil die Passagen „Der Haftbefehl wurde aber im Juli 2017 aufgehoben. Das Verfahren gegen ihn wurde später eingestellt“ ersichtlich endgültig gemeint sind und unter Berufung auf die Behörden somit nur über die Einstellung als Entlastung berichtet wird, ohne dass die Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden, das Verfahren einzustellen, etwa kritisch hinterfragt würde.

Diese Passage ist daher nicht mehr als Verdachtsberichterstattung, sondern als Information der am Vorfall interessierten Öffentlichkeit über das weitere Verfahren zu werten, nachdem aufgrund der – wie gesagt: zulässigen – Mitteilung der weiter oben angeführten Tatsachen der Leser durchaus auf den Gedanken an eine Mittäter- oder Mitwisserschaft des Antragstellers hinsichtlich der Pläne von Franco A. kommen konnte.

Nach allem handelt es sich auch hier um eine zutreffende, die Sozialsphäre des Angeklagten betreffende Tatsache, hinsichtlich deren wahrheitsgemäßer Mitteilung das Berichterstattungsinteresse der taz sich gegenüber den persönlichkeitsrechtlichen Belangen des Antragstellers durchsetzt.“

Das Oberlandesgericht Köln führt aus:

1. Hinsichtlich der (nur) unter dem Aspekt einer angeblich unzulässigen identifizierenden Verdachtsberichterstattung angegriffenen Äußerungen aus dem Antrag zu 1. fehlt es – mit dem Landgericht – am Verfügungsanspruch.

a) Der Senat teilt dabei zwar ausdrücklich die Einschätzung, dass – gerade in einer Kette tagesaktueller Berichterstattungen, aber auch durchaus darüber hinaus – eine Berichterstattung über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens weiterhin den diesem ursprünglich zugrundeliegenden Verdacht transportieren und perpetuieren kann und dies oft sogar mehr oder zwangsläufig geschieht (so wohl auch BGH v. 16.02.2016 – VI ZR 367/15, NJW-RR 2017, 31 Rn. 32). Dies ist aber im jeweiligen Einzelfall – wie auch sonst im Äußerungsrecht – stets eine Frage der zutreffenden Sinnermittlung einer Äußerung in ihrem Gesamtkontext.

Hier befasst sich die angegriffene Berichterstattung aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten allein und ausschließlich mit der Frage, ob und wie es akzeptabel erscheint, dem politisch extrem rechten Spektrum zugeordnete Personen – insbesondere als Mitarbeiter eines im Verteidigungsausschuss tätigen Bundestagsabgeordneten – im Bundestag frei ein- und ausgehen zu lassen. Das unterlegt im Kontext hier schon das gleich zu Beginn der Berichterstattung eingeblendete Foto des Bundestagsgebäudes, das auf diese Weise als Sinnbild gleich zur Thematik hinführt und diese so dem Rezipienten besonders veranschaulicht.

Die Berichterstattung stellt dann die mit dem Antrag zu 2. angegriffenen Passagen gleichsam vorweg und bietet im Folgenden nur eine Art „Rückblick“ zu den – dem durchschnittlichen Leser oft ohnehin schon bekannten – Ereignissen rund um Franco A. und beschreibt dort in der Tat zwar auch das gegen den Antragsteller geführte Ermittlungsverfahren, betont aber zugleich die spätere Aufhebung des Haftbefehls und die Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Der Senat unterscheidet – mit dem Landgericht – in solchen Fällen regelmäßig danach, ob eine Verdachtsäußerung aus Sicht des Durchschnittslesers – sei es zwischen den Zeilen (jedenfalls bei entsprechender Antragstellung) – reaktualisiert oder aufrechterhalten wird oder ob die Passagen quasi endgültig gemeint sind und unter Berufung auf die Ermittlungsbehörden dabei hinreichend deutlich wird, dass die Vorwürfen sich nicht erhärtet haben (vgl. etwa zuletzt Senat v. 26.03.2020 – 15 U 95/19, n.v.).

Hier liegt der Fall mit dem Landgericht – das nur die mit der Beschwerde aufgegriffenen Passagen etwas unglücklich formuliert haben mag – aber gerade so, denn die strafrechtlichen Fragen des früheren Ermittlungsverfahrens werden in der streitgegenständlichen Berichterstattung durchaus als im Sinne des Antragstellers geklärt und als solche abgeschlossen dargestellt; es geht allein und ausschließlich um die – im Kern unstreitige – Nähe des Antragstellers zu Franco A. sowie zur Prepper-Szene und um die Tätigkeit des Antragstellers als Schatzmeister der „Jungen Alternative“, aus denen hier der Ruf nach „politischer Hygiene“ im Bundestag mit den entsprechenden Forderungen an den Abgeordneten Nolte zur Trennung von dem aus Sicht der Antragsgegnerin zu sehr einschlägig belasteten Mitarbeiter einhergeht.

Dass – ungeachtet der Frage nach strafbarem Verhalten, das für das vorbezeichnete Thema des Beitrages auch gerade gänzlich irrelevant ist – an diesem Geschehen ein ganz erhebliches Öffentliches Interesse besteht, steht mit dem Landgericht außer Frage; letztlich geht es um die klassische Aufgabe der Presse als sog. „public watchdog“ betreffend die Verhältnisse im Bundestagsumfeld, die hier – zugegeben scharf und für den Antragsteller durchaus belastend, indes noch im Rahmen des Zulässigen – wahrgenommen wird. Aus Sicht eines durchschnittlichen Rezipienten entsteht dabei nicht, jedenfalls nicht – was aber erforderlich wäre (st. Rspr., vgl. etwa zuletzt BGH v. 02.07.2019 – VI ZR 49417, N.J 2019, 45 Rn. 30; Senat v. 07.06.2018-15 U 127/17, BeckRS 2019, 7664 Rn. 20) – unabweislich, der Eindruck, dass der dem früheren Ermittlungsverfahren zugrundeliegende und seitens der Strafverfolgungsbehörden fallengelassene Terrorismus-Verdacht seitens der Presse trotz der berichteten Einstellung weiterhin aufrechterhalten oder sogar vertieft werden soll.

Berichterstattungsanlass ist vielmehr allein die im Kern unstreitige Nähe des Antragstellers zu Franco A., das sonstige Engagement des Antragstellers und dessen Tätigkeit für Herrn Nolte, die hier als handfester politischer Skandal dargestellt und entsprechend herausgestellt wird. Es werden insbesondere keine tatsächlichen Fragen zum Strafvorwurf thematisiert oder die Einstellung sonst sachlich irgendwie in Frage gestellt. Daher kommt es auch nicht mehr entscheidend darauf an, dass dann, wenn auf Grundlage unstreitiger Tatsachen nur Schlussfolgerungen als möglich in den Raum gestellt würden, etwa ein angeblicher Zufall als zumindest hinterfragenswert erachtet und die Bewertung im Übrigen dem Leser überlassen bliebe, ohnehin oft nicht eine (unzulässige) Verdachtsberichterstattung vorliegen würde, sondern nur ein – im Zweifel hinzunehmendes – reines Werturteil, wenn und soweit einem unbefangenen Leser nicht die Erkenntnis verstellt wird, dass konkret nur wenige tatsächliche Anhaltspunkte in eine bestimmte Richtung geliefert werden (BGH v. 27.09.2016 – Vl ZR 250/173, NJW 2017, 482 Tz. 11, 15; Senat v. v. 28.06.2018 – 15 U 150/17, BeckRS 2018, 16334 Rn. 20).

Aus der im Beitrag erfolgten Verlinkung auf die anderen Beiträge – insbesondere auch auf denjenigen in Anlage ASt 10 – ergibt sich mit den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im Nichtabhitfebeschluss nichts anderes. Auch dort wird zudem der Antragsteller durchweg als „juristisch unbescholten“ herausgestellt und nur ganz außerhalb jedweder Strafrechtsfragen auf Basis der sonstigen Tatsachen, der Nähebeziehungen und sonstiger Fakten kritisch hinterfragt, ob „man ihn jetzt wirklich seine Arbeit im Bundestag machen lassen“ könne; genau darum geht es aber auch hier und gerade nicht um ein In-Frage-Stellen der Ergebnisse des Strafverfahrens, das für die diskutierte Kernfrage der Berichterstattung ohnehin auch gar keine Rolle spielt.

b) Sind damit hier aber gerade nicht (zusätzlich) die Grundsätze einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung zu prüfen, ist die Zulässigkeit der Berichterstattung aufgrund des Rahmenrechtscharakters des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu beurteilen. Dabei ist – wie bei zurückliegenden Straftaten (BGH v. 18.06.2019 – VI ZR 80/18, NJW 2020, 45 Rn. 22), hier aber wegen der bloß eingestellten Ermittlungen natürlich umso eher – zwar der gewisse Zeitablauf zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen sowie die abstrakte Gefahr, dass bestimmte Leserkreise zumindest zum Nachdenken über mögliche weitergehende Verstrickungen des Antragstellers in rechtsradikalen Netzwerken animiert werden mögen; auch droht insgesamt durch die namentliche Herausstellung eine nicht unerhebliche Gefahr für den sozialen Geltungsanspruch des Antragstellers.

Indes ist gerade der Zeitablauf von ca. 1 ½ Jahren seit dem von hohem öffentlichen Interesse begleiteten Geschehen rund um Franco A. noch nicht sehr lang, sind bei einer Einstellung eines Ermittlungsverfahren sicher Stigmatisierungs- und Resozialisierungsfragen andererseits auch besonders gewichtig zu bewerten. Dennoch ist das Berichterstattungsinteresse – gerade vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion um eine nähere Beobachtung der AfD und anderer Gruppierungen durch Verfassungsschutzorganisationen – hier ganz besonders hoch, zumal der Antragsteller durch das eigene politische Engagement, möglicherweise auch durch seine direkte Tätigkeit für einen Bundestagsabgeordneten, was hier daneben dahinstehen mag, zumindest auf Landesebene als „personne politique“ im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einzustufen war (vgl. für die kommunale Ebene ähnlich bereits BGH v. 17.12.2019 – VI ZR 249/18, GRUR-RS 2019, 3796 Rn. 27) und deswegen umso eher eine kritische Berichterstattung über sein Engagement zu dulden hat. Zusammen mit dem – im Kern... unstreitigen – Geschehen rund um die Einschätzung des MAD, das unstreitige Engagement des Antragstellers bei dem damals schon vom Verfassungsschutz beobachteten Landesverband der JA und auch das Tätigsein des den Antragsteller beschäftigenden Abgeordneten Nolte im sog,,,Flügel“ der AfD überwiegen hier im Ergebnis dann die Berichterstattungsinteressen der Antragsgegnerin.

Dabei ist insbesondere zusätzlich auch noch zu Lasten des Antragsstellers zu würdigen, dass – wie auf S. 12 der Schutzschrift dargestellt – ein gewisser Kontrast der Tätigkeit des Antragstellers im Bundestag zu dem vorausgehenden Strafverfahren auf dem Twitter-Account des Abgeordneten Nolte, ersichtlich im Einvernehmen mit dem Antragsteller, selbst öffentlich thematisiert worden ist; umso mehr muss er sich darher aber eine kritische Darstellung in der Presse gefallen lassen.

c) Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass selbst eine Berichterstattung über wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreifen kann, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, ist das zwar abstrakt zutreffend. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten oder eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 18.06.2019 – VI ZR 80/la, NJW 2020, 45 Rn. 21 m.w.N.).

So liegt der Fall hier jedoch nicht: Es werden – wie gezeigt – keine strafrechtlichen Vorwürfe erhoben/reaktualisiert, sondern die von der Antragsgegnerin so empfundene persönliche Ungeeignetheit des Antragstellers für eine Tätigkeit im Bundestag wird auf die persönliche Nähe zu Franco A., die sonstigen (im Kern unstreitigen) Tatsachen und auf die Tätigkeit dieses Abgeordneten (ausgerechnet) im Verteidigungsausschuss gestützt. Der Antragsteller wird nicht etwa als „Terrorist“ gebrandmarkt, sondern – letztlich auf Basis unstreitiger Tatsachen – als „Rechtsextremist“ (nur) mit einer persönlichen Nähe zu einem Straftäter eingeordnet; dies hat er im fraglichen Kontext wegen des überwiegenden Berichterstattungsinteresses an den Geschehnissen im Parlament als Schaltzentrale der parlamentarischen Demokratie aber trotz der gegen ihn gerichteten Schärfen im Ergebnis so hinzunehmen.

d) Etwas anderes folgt schließlich nicht aus den Erwägungen auf S. 7 f. des Schriftsatzes vom 08.04.2020 (Bl. 37 f. d.A.), da der Antragsteller in der Berichterstattung nur als „Mitglied in einer der Prepper-Chatgruppen, die „Hannibal ins Leben gerufen“ hat, bezeichnet wird und auch insofern keine Straf- und Terrorismus-Vorwürfe erhoben worden sind. Die Äußerung wird im Übrigen auch hier gerade nicht unter dem Vorwurf einer unwahren Tatsachenbehauptung angegriffen.

2. Auch hinsichtlich der mit dem Antrag zu 2. angegriffenen Äußerungen ist die sofortige Beschwerde unbegründet.

a) Der Passus zu a) wird unter dem Aspekt einer bewussten Unvollständigkeit angegriffen, weil nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass die negative Einschätzung des Antragsstellers durch den MAD „nur“ aufgrund des Engagements für die JA erfolgt sei und sonstiges Verhalten dafür keine Rolle gespielt habe. Dieser Umstand ist aber – was Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch wäre (etwa BGH v. 22. 11. 2005 – VI ZR 204/04, NJW 2006, 60) – nicht so gelagert, dass gemessen am Gesamtkontext durch das Verschweigen dieser Tatsachen beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Eindruck über den Antragsteller entstehen würde. Denn die vom Leser aus Sicht der Antragsgegnerin zu ziehende Schlussfolgerung, dass es ein politischer Umstand sei, Personen wie den Antragsteller unkontrolliert im Bundestag arbeiten zu lassen, wird nicht nennenswert dadurch beeinflusst, wenn zusätzlich noch deutlich gemacht worden wäre, dass die Einschätzung des MAD sich nur auf Tatsache Nr. 1 stützt und nicht auch auf die mitgeteilten weiteren Tatsachen Nr. 2 ff.. Schon die – auf unstreitige Tatsachen fußende – negative Einschätzung überhaupt trägt den hier erhobenen Ruf nach „politischer Hygiene“, ohne dass es aus Lesersicht noch wesentlich auf solche weiteren Einzelheiten ankommen würde. Es wird – entgegen der Antragsschrift – dadurch auch nicht etwa ein einseitig entstelltes Bild der Person gezeichnet.

b) Hinsichtlich des Passus zu b) hat das Landgericht schon im Hinweisbeschluss vom 31.03.2020 (Bl. 15 f. d.A.) zutreffend die Passage nur als eigene Bewertung der Erkenntnisses des Verfassungschutzes verstanden. Dass nach den zitierten Äußerungen in Anlage ASt 7 aus Sicht der Verfassungsschützer qualitative Abstufungen bei beteiligten Personen im Hinblick für den Grad von deren Verfassungsfeindlichkeit erkennbar gewesen sein mögen, mag man möglicherweise als erfreulich bewerten. Es ändert aber nichts an der Zulässigkeit der entsprechenden Bewertung und Einordnung auf dieser Tatsachenbasis, zumal auch nach ASt 7 „bei allen drei Protagonisten... die Voraussetzungen vor(lagen), um da grundsätzlich als Verfassungsschutz tätig zu werden.“; auf die fein ziselierten Abstufungen in Anlage ASt 8 kommt es dabei nicht an, zumal sich die Berichterstattung dazu auch nicht verhält.

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8 Kommentare

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  • Ich stelle mir gerade vor, was 1983 im Parlament und Blätterwald los gewesen wäre, wenn ein Grüner einen als RAF-Unterstützer identifizierten Mitarbeiter in seinem BT-Büro beschäftigt hätte.

    • @Drabiniok Dieter:

      Der Chef liest sich aber auch putzig: "AfD-Verteidigungspolitiker Jan Nolte" ist Oberbootsmann in Frankenberg und seit 2008 in Uniform. Den 2. Winkel bekommt man meiner Erfahrung nach nach 5 Jahren, seitdem scheint seine Laufbahn zu stagnieren. Soweit, so beruhigend. Aber: Frankenberg ist Eloka, Nolte bekam also in den letzten 2 Jahren eine frische Sicherheitsüberprüfung vom MAD (nach 5 Jahren nach Aktenlage, nach 10 Jahren in gründlich vorgeschrieben). Bestimmt nur ein Einzelfall...

  • Mal schauen wie die rechten in den Parteien vernetzt sind. Es ist schon wirklich interessant sowas zu lesen.

  • Warum werden Rechtsextremisten eigentlich selten mit vollem Namen genannt? In den 1970er Jahren war auch nicht von Andreas B. und Gudrun E. die Rede.

    • @Joba:

      Vermutlich weil es Idioten gibt, die nicht wissen, dass es mehrere Menschen mit gleichem Namen geben kann und dann Unschuldige anfreunden.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Joba:

      Weil das in den 70er Jahren war und wir uns als Gesellschaft und Rechtsstaat seit dem weiter entwickelt haben. Zudem ist er bisher nur verdächtigt und nicht verurteilt und dadurch hat unser Rechtsstaat die Pflicht ihn vor übler Nachrede oder Nachwirkungen zu schützen.

      Abgesehen davon hat die RAF selbst (!) Stellungnahmen zu Ihren Aktionen veröffentlicht, teilweise mit Klarnamen.

      Finden Sie doch einmal ein aktuelles Beispiel, sonst hinkt das Argument fürchterlich :-)

    • @Joba:

      Soweit es die hiesige Berichterstattung betrifft, sehe ich keinen Mord und keine Entführung durch Maximilian T. Das war bei Baader, Meinhof und Ensslin - jedenfalls in den 1970ern spätestens - anders.

      Den rassistischen Mörder von Hanau hat die taz mit vollem Namen genannt.

    • @Joba:

      A.B. und G..E standen halt mit vollem Namen auf Fahndungsplakaten.