Rechte Angriffe auf Kirchen: Gottesdienst mit Störfaktor
„Zoombombing“ nennt man das Stören von Onlineformaten. Kirchen kämpfen im digitalen und realen Raum gegen Angriffe von Rechtsextremen.
Anja Dierschke, Sprecherin der Berliner Polizei bezeichnet diese Störungen als „ laute und überlagerte englischsprachige Audioeinspielungen sowie das digitale Beschmieren des Zentralbildschirms mit Hakenkreuzen und Penissen.“ In englischer Sprache war zum Töten Andersgläubiger aufgerufen worden.
Bei den Online-Gottesdiensten kann die Kirchengemeinde der Predigt des vertrauten Pfarrers oder Pfarrerin lauschen und zusammen mit der Gemeinde singen, so dass trotz der räumlichen Distanz eine Nähe da ist. Solche Angebote werden über den Gemeindebrief oder die Webseite der Gemeinde veröffentlicht und erreichen damit Menschen, die normalerweise in die Kirche zum Gottesdienst gehen würden, das in der Pandemie aber nicht tun möchten, sagt Landesonlinepfarrer Andreas Erdmann der taz. Der Job des Onlinepfarrers wurde erst mit der Coronapandemie geschaffen.
Wie es scheint, kann die unter Mitgliederschwund leidende Evangelische Kirche durch ihre Onlineangebote auch Menschen erreichen, die sonst nicht in die Kirchen gehen – wie durch Videospiele, die die Landeskirche entwickelt hat. Hier können Nutzer eine Kirche aufbauen, in der sie einen Gottesdienst feiern können. Laut Onlinepfarrer Erdmann spricht das vor allem Menschen unter 35 Jahren an, die eher nicht aus dem kirchlichen Spektrum stammen.
Analog Gottesdienste sind in der Pandemie erlaubt. Ob sie tatsächlich stattfinden, entscheiden die Gemeinden, denn, so Superintendent Michael Raddatz, „da ist die Evangelische Kirche wie eine Graswurzelbewegung.“ Der Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg rät davon ab und nach seiner Einschätzung folgen die meisten Gemeinden auch zu Weihnachten der Empfehlung.
Digital Statt einen Gottesdienst in der Kirche durchzuführen, erreichen Gemeinden ihre Mitglieder digital über Onlinegottesdienste. Und sie öffnen in der Weihnachtszeit die weihnachtlich geschmückten Kirchen für stille Andachten, wahlweise auch mit Orgelmusik, und geben Hilfestellung für Hausandachten.
Vor allem in Gemeinden, die sich gegen rechts engagieren
Um rechte Angriffe abzuwehren, empfiehlt Erdmann den Kirchengemeinden, dass nur Menschen an den Onlinegottesdiensten teilnehmen dürfen, die die Gemeinde kennt oder die sich zumindest mit ihrer E-Mail-Adresse registrieren, sagt Erdmann. „Das ist aber ein Abwägprozess, denn damit schließt man nicht nur rechtsextreme Störer aus, sondern auch Menschen, die wir eigentlich erreichen wollen.“
Mit Angriffen von Rechtsextremen sind einzelne Kirchengemeinden aber auch im realen Leben konfrontiert. Die Landeskirche führt dazu keine Listen. Wie die taz erfuhr, betrifft das vor allem Gemeinden, die sich gegen Rechts oder für Flüchtlinge engagieren oder die Gottesdienste zur Erinnerung an NS-Opfer begehen wie beispielsweise die Evangelische Kirchengemeinde in Rudow. Deren Gebäude stehen nach mehreren Übergriffen inzwischen unter dem Schutz des polizeilichen Staatsschutzes. Pfarrerin Beate Dirschauer zur taz: „Es gab schon Schmierereien wie „Ausländer raus“ und Hakenkreuze an der Küsterei. Ein Banner des Kirchenkreises Neukölln mit der Aufschrift „Gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ wurde zerstochen, ein anderes entwendet.“ Auch wurden die Autoreifen der Pfarrerin schon zerstochen.
Anfang Dezember wurde des Nachts der Gemeindebriefkasten in Brand gesetzt. Die Polizei geht auch hier von einem rechten Hintergrund aus, der Pfarrerin zufolge passe diese Tat aber eher nicht in die Serie, sie kann sich in diesem auch andere Motivationen vorstellen.
Flut von Hassmails
Ähnliche Erfahrungen hat ihre Kollegin Mechthild Falk im Brandenburger Jüterbog gemacht, deren Gemeinde sich für Flüchtlinge engagiert. Die Gemeinde bekam eine Flut von Hassmails, sie selbst einen Brief, in dem ihr eine Vergewaltigung gewünscht wurde, sagt sie der taz. 2015, in der Nacht nach einer NPD-Demo vor Ort, wurden eine kirchliche Begegnungsstätte zerstört und Gegenstände angezündet. 2017 habe der AfD-Nachwuchs unter Missachtung des Hausrechts der Kirche beide Kirchtürme besetzt und dort ein Banner entrollt, so die inzwischen pensionierte Pfarrerin.
Auch Pfarrerin Josephine Furian aus Eisenhüttenstadt berichtet als bekennende Feministin von Anfeindungen gegen sie. In einem Brief hätte es geheißen, wer so feministisch predige, dürfe keine Pfarrerin sein.
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