Rebellen in Nigeria: Revival einer blutigen Vergangenheit

Im Südosten des Landes verüben Rebellen Anschläge in den Ölgebieten. Jetzt protestieren auch noch Nostalgiker des Sezessionsstaates Biafra.

Eine Frau mit weiß bemaltem Gesicht hält ein Megaphon in der Hand

Der Streit um das Öl geht quer durchs Land Foto: ap

ABUJA taz | Die Proteste und Anschläge im Südosten Nigerias häufen sich, und sie werden brutaler. So sollen am Montag in der Stadt Onitsha bei einer Demonstration bis zu 40 Menschen getötet worden sein. Laut Polizei gab es zehn Todesopfer, unabhängige Quellen sprechen von sehr viel mehr. Die Demonstranten wollten an den Jahrestag der Gründung von Biafra erinnern, der sich 1967 als Staat des südostnigerianischen Igbo-Volkes von Nigeria abgetrennt hatte – das nigerianische Trauma schlechthin, denn anschließend folgte ein fast dreijähriger Bürgerkrieg, in dem mehr als eine Million Menschen starben, bis Nigerias Armee Biafra 1970 zurückerobert hatte.

Die Bewegungen Massob (Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra) und Ipob (Indigenous People of Biafra) möchten gern eine erneute Sezession dieses Landesteils. Vor allem seit der Amtseinführung des neuen nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari vor einem Jahr, ein Muslim und Fulani aus dem äußersten Norden des Landes, ist Biafra präsenter als lange zuvor. Neben Onitsha ist es bereits mehrfach zu Kundgebungen in der Hafenstadt Port Harcourt gekommen, mitten im Ölgebiet des Nigerdeltas, und auch in der Hauptstadt Abuja fanden kleinere Demonstrationen statt.

Zu sehen war stets die Flagge der Biafra-Separatisten, die eine aufgehende Sonne zeigt. Der Konflikt kocht auch deshalb hoch, weil Nnamdi Kanu, Ipob-Anführer und Leiter des Exilsenders Radio Biafra in London, bei einem Aufenthalt in Lagos im Oktober verhaftet wurde. Ein Anklagepunkt: Hochverrat. Für seine Anhänger ist er ein politischer Gefangener.

Wie viel Unterstützung Kanu und seine Anhänger haben, ist allerdings unklar. Über den Biafra-Krieg wird bis heute in Nigeria nicht öffentlich gesprochen. Er gilt als ein wunder Punkt in der Geschichte, den vor allem die ältere Generation nicht noch einmal erleben will. Geblieben ist das Gefühl von Benachteiligung: Im Nigerdelta, wo Nigerias Öl gefördert wird und das 1967 Teil von Biafra war, war man bei den Wahlen 2015 davon ausgegangen, dass dem damaligen Präsidenten Goodluck Jonathan – er ist Ijaw und Christ aus dem Bundesstaat Bayelsa – eine zweite Amtszeit gelingt. Viele Menschen aus der Region fühlen sich betrogen, seit Jonathan die Wahlen gegen Buhari verloren hat, und das Nigerdelta ist seit dem Machtwechsel wieder politisch unruhig.

Aufräumarbeiten im Ölfördergebiet

Gegen Buhari richten sich auch die teils spektakulären Sabotageakte der neuen Rebellengruppe „Niger Delta Avengers“ („Rächer des Nigerdeltas“), die weite Teile der Ölförderung lahmgelegt haben und am Mittwochmorgen im Bundesstaat Delta erneut einen Anschlag verübten. In den vergangenen Wochen hatten Mitglieder der bis vor Kurzem unbekannten Gruppe mehrfach Ölpipelines angegriffen und auch dazu aufgefordert, dass die Öleinnahmen nicht mehr in Nigerias Norden fließen.

Nicht von ungefähr kommt deshalb wohl die Ansage der Regierung, dass ab heute endlich die Aufräumarbeiten im Ogoniland beginnen sollen, ein von der Ölförderung besonders stark ökologisch ruiniertes Gebiet mitten im Nigerdelta, dessen Verschmutzung durch den Shell-Konzern in den 1990er Jahren internationale Proteste hervorgerufen hatte.

Vor zwei Wochen hatte Umweltministerin Amina Mohammed die Verschmutzung der Region als „Tragödie“ bezeichnet, die so nicht hätte geschehen dürfen. Wenig später kündigte Präsident Buhari seinen Besuch an und wollte damit ein Zeichen setzen: Unter seinem Vorgänger hatte es keine Aufräumarbeiten gegeben, obwohl in der Zeit von 2008 bis 2009 nach Angaben von Umweltschützern täglich mehrere tausend Barrel Öl ausliefen und den Boden verseuchten.

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