Reality-TV-Wettbewerb um US-Pass: Deutschland sucht den Superstaatsbürger nicht
Die US-Regierung will eine Show starten, bei der Migranten um die Staatsbürgerschaft kämpfen. Daran könnte sich die Bundesregierung ein Beispiel nehmen.
F ans des Reality-TV dürfen sich auf ein neues Format freuen. Laut einem Bericht der New York Times erwägt das US-amerikanische Ministerium für Heimatschutz eine Show, deren Gewinner die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten sollen. Dafür sollen sie Challenges bewältigen, die amerikanische Traditionen widerspiegeln, zum Beispiel eine Rakete bauen, um die Raumfahrtbehörde Nasa zu würdigen. Es gehe darum, das Amerikanisch-Sein zu feiern, sich klarzumachen, welches Privileg es bedeute, einen amerikanischen Pass zu haben, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.
Das erinnert an den Asyl-Container, den der Regisseur Christoph Schlingensief vor 25 Jahren vor der Wiener Staatsoper aufgebaut hatte. Unter dem Motto „Bitte liebt Österreich“ und einem Transparent „Ausländer raus“ ließ er Asylbewerber gegen die Abschiebung antreten. Online konnten das Interessierte im Livestream verfolgen und per Telefon darüber entscheiden, wer als Nächstes abgeschoben wird. Der Gewinner durfte sich über eine Aufenthaltsgenehmigung freuen. Die erste schwarz-blaue Regierung war im Sommer 2000 gerade erst ein paar Monate im Amt, die Brandmauer zur rechtsextremen FPÖ gefallen – und Schlingensief traf einen Nerv: Rechte Wutbürger beschimpften ihn, linke Demonstranten stürmten den Container, um die Flüchtlinge zu befreien.
Was damals in Österreich als Aktionskunst für Furore gesorgt hat, erwägen Offizielle in den USA heute ganz ernsthaft.
Und Deutschland?
In Deutschland verstehen wir bei den Themen Migration und Integration keinen Spaß! Deshalb hat das Bundeskabinett vergangene Woche zwei Gesetzesentwürfe beschlossen: Geflüchtete mit subsidiärem Schutz sollen zwei Jahre lang keine Familienangehörige mehr nachholen können. Außerdem schafft die neue Bundesregierung die sogenannte Turbo-Staatsbürgerschaft ab, die ihre Vorgängerin eingeführt hatte, um Menschen zu würdigen, die sich nachweislich besondere Mühe geben, um in Deutschland anzukommen. „Heute ist ein entscheidender Tag bei der Frage der Reduzierung von illegaler Migration und im Kampf gegen die Überforderung der Integrationssysteme“, sagte dazu Bundesinnenminister Alexander Dobrindt von der CSU.
Was für eine Spaßbremse!
Es mag wegen der vielen aktuellen Schreckensmeldungen von Übersee irritierend klingen, aber die Bundesregierung könnte sich ein Beispiel an den USA nehmen. So heftig US-Präsident Donald Trump gerade die autoritäre Wende im einstigen Land der Freiheit vollzieht, so sehr bleibt das amerikanische Verständnis der Staatsbürgerschaft doch fortschrittlicher als das deutsche: Amerikaner kann man werden – auch wenn es einem nicht geschenkt wird. Deutscher wird man nie so richtig – selbst wenn man sich mit viel Mühe einen deutschen Pass erkämpft hat.
Die neue Bundesregierung passt nun das Gesetz wieder an die traurige gesellschaftliche Realität an. Dabei gäbe es doch so viele tolle Challenges für eine deutsche Version von „Amerika sucht den Superstaatsbürger“: Komasaufen und Weißwurstwettessen auf der Wiesn, Wettrennen auf deutschen Autobahnen ohne Tempolimit oder Überleben im Bahnchaos ohne Internet und Handyempfang.
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