Reality-Show auf Netflix: Extrem reich und unfassbar fern
In „Selling Sunset“ verkaufen Makler:innen Villen in Los Angeles. Die Show ist weder innovativ noch spannend. Warum wird sie so gehypt?
Sechs Schlafzimmer, acht Badezimmer, knapp 1.100 Quadratmeter: Eine Villa mit Pool, Tennisplatz und Basketballfeld in Beverly Hills steht zum Verkauf, es soll eines der größten Anwesen in 90210 sein. Der Preis liegt bei 18 Millionen Dollar, die Kommission für die Makler:in bei gut 500.000.
Immobilien dieser Art sind es, die die in Los Angeles angesiedelte Oppenheim Group unters (nicht so gemeine) Volk bringen will. Und da die Kommissionen die Makler:innen selbst zu Millionär:innen machen können, gibt es auch den ein oder anderen Streit darüber, wer welches Haus verkauft. Dabei begleitet die Netflix-Produktion „Selling Sunset“ die echten Maklerinnen Chrishell, Christine, Maya, Mary, Heather, Davina und Amanza sowie ihre Chefs, die nahezu identisch aussehenden Brüder Brett und Jason, in ihrem Berufsalltag. Von Telefonaten und Konferenzen im Büro, zum Lunch mit der Kundin und den Partys und Führungen in den Luxusimmobilien.
Und da die Schönen und Reichen beeindruckt werden wollen, überlegen die Makler:innen sich allerhand Kreatives, um die Villen loszuwerden. Beispielsweise ein Haus-Showing unter dem Namen „Burger and Botox“, bei dem es, wie der Name schon sagt, Burger und Botoxspritzen gibt – für umme.
Die sieben Frauen sagen die meiste Zeit nur „Oh my God“, „gorgeous“ und „awesome“ – wenn sie sich nicht gerade streiten und beleidigen („You are the kind of person who would feed chicken to a chicken“). Denn viel mehr als um Immobilien geht es in der Serie um Liebesbeziehungen, Freundschaften, Hochzeiten, Geburtstage und ja vor allem um das Drama drumherum. Einmal wird Davina nicht zur Hochzeit von Mary eingeladen, da diese über den Verlobten gelästert hatte, weil er sich keinen Diamentring leisten konnte. Buh! Ein Streit, der sich über mehrere Folgen zog.
Wenn überhaupt nur ein Teil der Realität
Alles also ziemlich belanglos. Und während die erste Staffel von Reality-TV-Produzent Adam Divello („Laguna Beach“, „The Hills“, „The City“) auch nur wenig Aufmerksamkeit auf sich zog, stießen die zweite und dritte Staffel, die im Mai und im August bei Netflix online gingen, durch die Decke. Ständig in der Top 10 des Streaminganbieters, Twitter und Instagram voller Memes und Jokes aus der Serie, und US-amerikanische Stars debattieren in Sozialen Medien darüber, wie real die Sache ist.
Eine Frage, die für die meisten Zuschauer:innen wohl keine Rolle spielen wird. Denn allen sollte klar sein, dass Realityshows, wenn überhaupt, immer nur einen Teil der Realität zeigen. Und der Häuserkauf von 15 Millionen US-Dollar teuren Villen ist für die meisten sowieso fernab jeglicher Realität.
Und genau das ist es vermutlich, was die Serie jetzt so erfolgreich macht. „Selling Sunset“ ist Eskapismus von der pandemischen Realität. Eine Show über den Verkauf von 3-Zimmer-Altbauwohnungen mit Balkon in Berlin-Neukölln oder im Leipziger Osten wären wohl zu deprimierend. Stattdessen sitzen wir quasi eingesperrt auf wenigen Quadratmetern und urteilen über millionenschwere Villen, goldene Kronleuchter und 20 Meter lange Pools. Hören zu, wie die Frauen in ihren 30ern und 40ern statt über Masken und Abstand über Silikonbrüste und Zebras auf Geburtstagspartys sprechen. Und es ist herrlich.
Da Corona uns wohl noch eine Weile begleiten wird, könnten wir ruhig auch noch eine vierte und fünfte Staffel „Selling Sunset“ vertragen. Bestätigt hat Netflix bisher aber keine weiteren Staffeln. Bis es soweit ist, kann man mal in die Reality-Show „Million Dollar Beach House“ (dt. Kein Strandzugang!) reingucken. Auch hier geht es um eine Gruppe von Makler:innen, die versuchen, millionenschwere Villen zu verkaufen. Und dabei einige Probleme haben – vor allem auch untereinander. Klingt wie „Selling Sunset“, ist aber etwas ganz anderes. Schließlich spielt es nicht in Los Angeles, sondern in den Hamptons.
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