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Reaktionen auf Wagenknechts Rückzug„Aufstehen“ ist völlig überrascht

Sahra Wagenknecht kündigt ihren Rückzug aus der Sammlungsbewegung an. Nicht mal ihre engsten MitstreiterInnen hatte sie informiert.

Wagenknecht wies darauf hin, dass sie eine „neue Balance“ in ihrem Arbeitspensum finden müsse Foto: dpa

Nicht mal ihre engsten MitstreiterInnen hat Sahra Wagenknecht über ihren Rückzug informiert. Der Arbeitsausschuss der „Aufstehen“-Bewegung habe über ihren Rückzug auch nur aus der Presse erfahren, sagte der Bundestagsabgeordnete Marco Bülow am Sonntag der taz. Bülow hatte sich von Anfang an für das linke Projekt engagiert. Nun werde man sich erst einmal im Ausschuss beraten, so Bülow. Mehr wollte er nicht sagen, er ist ein höflicher Mann.

Was für ein Paukenschlag: Wagenknecht, die prominente Frontfrau der linken Sammlungsbewegung, will nicht mehr. Gerade mal ein halbes Jahr nach Gründung gab die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei bekannt, sich aus der Führung zurückzuziehen. „Wir brauchen eine Neuaufstellung an der Spitze von ‚Aufstehen‘“, sagte die 49-Jährige der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Die Parteipolitiker sollten sich zurücknehmen, das betrifft auch mich selbst. Sie waren mit ihren Erfahrungen anfangs notwendig. Aber jetzt ist es richtig, Verantwortung abzugeben.“

Wagenknecht hatte „Aufstehen“ Anfang September zusammen mit ihrem Ehemann Oskar Lafontaine gestartet, um linke Wähler zu erreichen, die sich von den Parteien abgewendet haben. Das Projekt sorgte für viele Spekulationen. Die prominente Linke, lautete eine, könnte „Aufstehen“ zu einer eigenen Partei ausbauen. Wagenknecht liegt in der Flüchtlingspolitik mit der offiziellen Linke-Position überquer. Sie möchte Zuwanderung begrenzen und hält Bekenntnisse zu offenen Grenzen für „weltfremd“.

Doch der durchschlagende Erfolg von „Aufstehen“ blieb aus. Prominente Politiker konnte „Aufstehen“ nicht für sich gewinnen, im Arbeitsausschuss sitzen neben Bülow zum Beispiel der ehemalige Staatsminister Ludger Volmer und Ex-Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, zwei Grüne, die machtstrategisch keine Rolle mehr spielen. Auch der Dramaturg Bernd Stegemann ist dabei.

Interne Probleme

Zwar hat die Bewegung laut Wagenknecht 170.000 Unterstützer und 200 Ortsgruppen. Auf der Straße sichtbar sind sie allerdings nicht. Zuletzt hatten interne Probleme für Schlagzeilen gesorgt. Mitglieder beschwerten sich in einem offenen Brief über mangelnde Aktivitäten und intransparente Strukturen.

Man kann Bewegungen nicht von oben anordnen

Anke Domscheit-Berg, MdB für Die Linke

Für ihre überraschende Ankündigung erntete Wagenknecht viel Kritik aus den eigenen Reihen. „Mit dem Rückzug der Gründerin ist ‚Aufstehen‘ am Ende“, sagte der Bundestagsabgeordnete Thomas Nord. „Das war der Versuch, eine linksnationale Wahlplattform zu gründen – und er ist zum Glück gescheitert.“ Wagenknecht gestehe sich dieses Scheitern aber nicht ein, sondern versuche es anderen anzulasten.

Der Linken-Abgeordnete Norbert Müller forderte Konsequenzen: „Aufstehen hat unsere Partei 1,5 Jahre lang gelähmt. Die Verantwortlichen dafür können sich jetzt nicht einfach wegschleichen und so tun, als sei nix gewesen“, twitterte er.

Die parteilose Abgeordnete Anke Domscheit-Berg, die für die Linke im Bundestag sitzt, erklärte: „Man kann Bewegungen nicht von oben anordnen und nicht undemokratisch führen.“ Es habe Partei und Fraktion sehr belastet, dass Wagenknecht lange „inhaltliche Widersprüche“ vertreten habe. „Ob ihr Rücktritt von ‚Aufstehen‘ das ändert, wird sich zeigen.“

Die Gründe für den Rückzug

Wagenknecht nannte in der FAS drei Gründe für ihren Rückzug. Zum einen die Reaktion der Linken, der SPD und der Grünen. „Die Parteien, die wir ansprechen wollten, haben sich eingemauert.“ „Aufstehen“ sei gegründet worden, um aus der Sackgasse herauszukommen, dass es Mehrheiten in der Bevölkerung für soziale Forderungen gebe, aber nicht ansatzweise eine Chance auf andere politische Mehrheiten im Bundestag. „Die Parteiführungen der SPD und der Linken fühlen sich in der Sackgasse offenkundig so wohl, dass sie die Chance, die ‚Aufstehen‘ mit seiner großen Resonanz bedeutet hat, ausgeschlagen haben.“

Außerdem habe sie die Schwierigkeit unterschätzt, auf ehrenamtlicher Basis Strukturen für so viele Menschen zu schaffen – und Unterstützer „auch in großer Zahl auf die Straße zu bringen“. Dafür brauche es wohl einen Auslöser wie die Benzinpreiserhöhungen für die Gelbwesten in Frankreich. Wagenknecht, die zuletzt vier Wochen krankheitsbedingt ausfiel, wies zudem darauf hin, dass sie eine „neue Balance“ in ihrem Arbeitspensum finden müsse.

Es gab in der Linken aber auch Leute, die sich um Versöhnung bemühten. „Häme oder Nachtreten sind fehl am Platze“, sagte der Außenpolitiker Stefan Liebich. „Der Weg von ‚Aufstehen‘ hat offenkundig keine gesellschaftlichen Veränderungen erreicht.“ Wer sich in oder nahe der Linkspartei für mehr Gerechtigkeit engagieren wolle, sei willkommen. „Unsere Arme sind offen.“

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27 Kommentare

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  • Ehepaare sind wie Hund und Herrchen/Frauchen.



    Der kleine Oskar ist damals auch überall abgehauen wenn der Saarnapoleon mal Widerworte bekam.



    Ministerpräsident im Saarland (gut da wollte er nächster Kanzler werden, dachte er könne Schröder so loswerden wie Scharping)



    SPD Vorsitz und Ministerposten (Angeblich wollte er da mehr Zeit mit der Familie verbringen, die er dann verließ)



    Vorsitz bei Die LINKE (Die Partei habe sich, wie auch die SPD in die falsche Richtung entwickelt, oder anders, er bekam mal Widerworte.)



    Ich hoffe Frau Wagenknechts Angriff auf die Fraktion jetzt endlich Konsequenzen für die Fraktionschefin hat.

    Wenn "Aufstehen" wirklich eine linke Sammlungsbewegung hätte sein sollen, dann hätte man erst mit denen reden müssen die sammeln will.



    Also Grüne- und SPD-Linke, interessierte in der Linkspartei, Gewerkschaften usw.



    Aber auch da machte es klein Sahra wie ihr Mann. Ihr Ego sagte ihr, sie alleine wird es schaffen! Die Linken der Gesellschaft werden sich hinter ihrer Fahne vereinigen! Genau das passierte nicht. Und jetzt verkrümelt sie sich beleidigt.

    Meine Meinung

    • @derSchreiber:

      Oskar und die Linke haben zumindest das 2-Parteiensystem gesprengt und der SPD, *dieser* SPD, auf absehbare Zeit unmöglich gemacht, etwas mehr zu sein, als Steigbügel der Union zum Kanzleramt.

      Nicht schlecht für einen, der "überall abgehauen ist"...

      • @agerwiese:

        Und eine ewige Kanzlerrin Merkel hat den linken Kräften und der Demokratie ja auch soooo gut getan...

        Schröder war für die SPD, was Tony Blair für Labour war. Ein strahlender Stern, der dann aber wie eine Sternschnuppe zu Boden krachte und seine Partei mitriss.



        Das Lafontaine da gegangen ist, kann man ihm vielleicht verzeihen. Eine Messerattacke die er gerade so überlebt hat lag wenn ich mich recht erinnere nur knapp ein Jahr zurück.

        Zu Lafontaines Weggang:



        Doch anstatt dann in seiner neuen politischen Heimstätte zu versuchen, Bande zu den alten Parteifreunden zu knüpfen, schwang er sich auf, die SPD zu stürzen um die LINKE als die neue linke Kraft zu etablieren.



        Eine der größten charakterlichen Schwächen von Oskar Lafontaine ist, meiner Meinung nach, dass er liebend gerne zu anderen sagt: "Ich hab doch gesagt ihr irrt euch. Ich hatte Recht!"



        Auch wenn dem so ist, so etwas hört niemand gerne.

        Und was meinen Sie mit 2-Parteiensystem? Das bei uns Koalitionen aus 2 Parteien gebildet wurden?



        Denn, auch wenn bisher alle Kanzler von einer der beiden (ehemals) großen Volksparteien kamen, haben wir alles andere als ein 2-Parteinsystem.

        Die USA haben eines, dort hieß die letzte Wahl: Clinton oder Trump.



        Bei uns war das anders.



        Man wählt: SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP, LINKE oder AfD und bekam: Merkel...

  • Ich muss gestehen, das ich in den letzten Wochen nicht oft da war.

    Aber wir haben ja jetzt eine Frankfurt weite Umweltzone und wir haben einen Grün mitregierten Römer und leben in einem Grün mitregierten Bundesland, was soll da mit der Umwelt noch schiefgehen... ;-)

    Gut wir sind neben Hanau der einzige Ort in Hessen mit einem Kohlekraftwerk und das auch noch mitten in der Stadt, aber das hat hier noch nie die Grünen gestört seit sie mitregieren.

    Und das Feinstaub ist mir eines der liebsten Orte in Frankfurt.

    feinstaub.rocks/

    • @Sven Günther:

      Alter Schwede - Allein die Wegbeschreibung von der Konstabler:

      m.youtube.com/watch?v=DVrk7mQIelM



      Wie geht’s denn hier nach Vogelheim? (Birdland), das Spardosen-Terzett

      • @Lowandorder:

        Das verhindert, das Auswärtige eine dieser letzten Oasen finden ;-)

        • @Sven Günther:

          Mach Bosse -,…un blinde Hess' - finde dess'^¿*

    • @Sven Günther:

      @ lowandorder

  • Schon spannend, anstatt mit den Leuten von "Aufstehen" zu diskutieren, verkündet Fra Wagenknecht ihren Ausstieg in der Faz am Sonntag - dem Wochenblatt für den aufgeklärten Konservativen. Eines besseren Beweises für ihr elitäres Politikverständnis hätte es wohl nicht bedurft.

    • @Philippe Ressing:

      Ich bin ja nicht mehr aus dem Lachen rausgekommen, als ich den Verkündigungskanal von Frau W. erfahren habe.

      Und die FAS ist ja nicht nur das Wochenblatt für den "aufgeklärten Konservativen", sie steht für die bei Linken verhasste "neoliberale" Wirtschaftspolitik.

      • @Sven Günther:

        & Um den Canale Grande noch a weng -

        Aassem Kohlekeller ins rechte Licht -



        Nunja zu rücken: Volles Risiko - wa^¡*

        Nò. Wose doch so gern helle Klamotten trägt. Newahr. Normal. Doch Doch.



        Na - Si’cher dat. Da mähtste nix.

        unterm——-& nochens —-



        Bei der Feinstaubmessung in Ffm dann.



        Ha no. Bitte nicht zu nah dran.

  • Was auch immer.



    Ich wünsche mir, daß die Sympathisanten der Linken oder von Aufstehen unsere Zeit nicht mit Haarspaltereien verschwenden, sondern erkennen, was das Wichtigste ist, und das besteht für mich in der Schaffung einer gerechten Welt, die nicht untergeht. Viele scheinen lieber Frau Wagenknecht zu kritisieren als etwas für einen Regierungswechsel zu tun.

    • @shashikant:

      Das kann man wohl so sagen.

  • Als ob das jetzt - nach dem medialen Scheißeregen (incl. von der taz) noch irgendjemanden ernsthaft überraschen könnte.

    • @Rainer B.:

      ist ˋmedialer Scheißeregen ´ jetzt ein Derivat von ˋLügenpresse/Systempresse ´?

      Ich sagte ja, eine Frage der Zeit, bis sowas kommt.

      • @uli moll:

        Ruhig Brauner! Scheißeregen ist nur eine freie Übersetzung von „shitstorm“

        • @Rainer B.:

          Ja wie*¿^ - Mal bei Wernersen Brösel -

          Werner Rennen 2018 - Holgi wird mit Katzenscheiße bespritzt!!! Reinriechen:



          m.youtube.com/watch?v=Qwn08ASlzgk

          Liggers. Alles schon was älter viel.



          Inn Hohen Norden - bei Kiel.



          Da war #&shitstorm - nochnicheborn.

          • @Lowandorder:

            Das kommt dann davon, wenn ein BMW-Fahrer sein Polohemd auszieht (;-))

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Wie sollten die Medien denn mit aufstehen umgehen?

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Unaufgeregt, sachlich und informativ - oder wie stellen Sie sich Medien in einer Demokratie vor?

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Rainer B.:

          "Unaufgeregt, sachlich und informativ"

          Das klingt ein bisschen nach "Apothekenrundschau".

          • @88181 (Profil gelöscht):

            Nöö - die „Apothekenrundschau“ ist ebenso wie die „Bäckerblume“ (@LOWANDORDER) eben nur ein Trägermedium branchenspezifischer Werbung incl. typischer Falsch- und Desinformation, bestenfalls noch mit Horoskop, Rätsel- und Witzeecke umrahmt.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Rainer B.:

          Kritisch.

          • @88181 (Profil gelöscht):

            Nò “Bäckerblume“ - aus - auffe Insel^¿*

  • Politik nach Gutsherrenart. Die große Initiatorin der "Bewegung" verdünnisiert sich, lässt dies über die Presse verlautbaren, und überlässt das Scheitern von "Aufstehen" anderen.

    • @Haggi:

      Eine offene Diskussion und ein Antrag auf Aufloesung der Strukturen von Aufstehen waere korrekter gewesen.