Reaktionen auf Faesers Maßnahmenplan: Lob mit Abstrichen
Zivilgesellschaftliche Initiativen begrüßen Faesers Maßnahmen gegen Rechtsextremismus. Doch manche fürchten, dass auch Linke gefährdet seien könnten.
Aus seiner Sicht blieb die drängendste Frage unbeantwortet: „Wie kann unsere Demokratie in Anbetracht des Superwahljahres 2024 gegen den parteiförmigen Rechtsextremismus der AfD abgesichert werden?“ Die von Faeser vorgestellten Maßnahmen brauchten Zeit, die man nicht habe, so Reinfrank: „Bereits heute werden Lokalpolitiker*innen eingeschüchtert, Engagierte bedroht und Rechtsextreme schaffen deutschlandweit ein Klima aus Hass und Hetze.“ Diese Menschen brauchten jetzt konkrete Lösungen und Unterstützung – womit Reinfrank unter anderem auf das noch immer nicht im Bundestag beschlossene Demokratiefördergesetz anspielte, das zivilgesellschaftliche Strukturen absichern soll.
Zudem brauche es eine breit angelegte Bildungsoffensive für alle Altersgruppen und Sozialräume sowie mehr Beteiligungsformen für Demokratie. Die NGO plädierte außerdem für einen Paradigmenwechsel in der politischen Kultur: „Solange die demokratischen Parteien etwa Migration ebenfalls ausschließlich ressentimentgeladen und auf Abwehr bedacht verhandeln, spielt das einer AfD in die Hände, die damit die Parteien vor sich her treibt und die Themen setzt.“
Heiko Klare, Bundesverband Mobile Beratung
Auch für Heiko Klare vom Bundesverband Mobile Beratung, der über 50 quer durch die Republik tätigen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus vertritt, ist das Maßnahmenpaket nicht wirklich neu, sondern eher ein „Weckruf“ für die Regierungskoalition und das Parlament: „Vieles davon haben wir schon einmal gehört – die Bundesregierung müsste nun auch wirklich mal umsetzen, was sie sich vorgenommen hat.“
Ohne Druck von der Straße nicht möglich
Klare kritisierte das Feststecken des Demokratiefördergesetzes im Bundestag und damit ein mangelndes gemeinsames Vorgehen in der Ampelkoalition. Während Faeser eine Pressekonferenz zu Maßnahmen gegen Rechtsextremismus macht und die grüne Familienministerin Lisa Paus am selben Tag eine Studie zu Hass im Netz vorstellt, wolle die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg das Paket zur Demokratieförderung wieder aufschnüren und suggeriere mit Kulturkampfrhetorik fälschlicherweise, dass mit Geldern Selbstbedienungsläden für rot-grüne Vorfeldorganisationen geschaffen werden sollten: „Dabei gibt es jedes Jahr zahlreiche Ausschreibungen mit klaren Förderkriterien im Einklang mit Grundgesetz und Demokratie, transparente Evaluationen, Verwendungsnachweise, Zwischenberichte und Trägergespräche.“ Jetzt Gelder für Demokratieförderung zu blockieren, sei angesichts der extrem rechten Bedrohung gefährlich, warnte Klare. Man habe in Polen und Ungarn gesehen, wie schnell Demokratien demontiert werden könnten – auch hierzulande stehe etwa mit der Landtagswahl in Thüringen ein Härtetest bevor.
Empfohlener externer Inhalt
Klare begrüßte hingegen, dass Innenministerin Faeser (SPD) und Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang die Neue Rechte und die AfD klar als rechtsextreme Gefahren benannten. Lange Zeit habe es hierbei eine mangelnde Offenheit gegenüber Erkenntnissen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft gegeben, die diese Gefahr schon jahrelang beschrieben hätten. Klare wertete den erhöhten Druck auch als Ergebnis der anhaltenden breiten Proteste gegen Rechtsextremismus der vergangenen Wochen: „Wir wären nicht an diesem Punkt, wenn es den Druck nicht gäbe.“
Gefahr auch für Linke?
Cornelia Kerth, die Vorsitzende Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), sagte der taz, dass die formulierten Ziele zwar „nett klingen“, befürchtete aber, dass sich ausgeweitete Kompetenzen etwa des Verfassungsschutzes am Ende auch gegen linke Organisationen richteten: So sollen künftig die Austrocknung von Finanzquellen rechtsextremistischer Netzwerke nicht mehr nur auf Kriterien wie „volksverhetzende und gewaltorientierte Bestrebungen“ beschränkt sein, sondern das Verfassungsschutzgesetz so geändert werden, dass es bei der Verfolgung extremistischer Organisationen auf schwammige Kategorien wie „Gefährdungspotenzial“, „Aktionspotenzial“ und „gesellschaftliche Einflussnahme“ ankomme.
Kerth befürchtet, dass am Ende über die unterkomplexe Extremismustheorie als Grundlage für das Handeln des Verfassungsschutzes auch linke Vereine unter Beschuss kommen. Ihre Sorge kommt nicht überraschend: Der von NS-Verfolgten gegründete Organisation VVN-BdA war selbst jahrelang in seiner Gemeinnützigkeit durch eine Einstufung durch den bayerischen Verfassungsschutz als linksextrem bedroht, ebenso waren Mitglieder in den 1970ern von Berufsverboten betroffen.
Kerth forderte die Bundesregierung stattdessen dazu auf, ihre eigene Kernforderung „rechtsextreme Netzwerke zerschlagen“ ernst zu nehmen: „Die AfD sitzt wie die Spinne im Netz im Zentrum dieser Netzwerke“, so Kerth. Sie könne über Mandate und Mitarbeitende und möglicherweise auch bald über eine parteinahe Stiftung tausende extrem Rechte einstellen und ehemalige NPD-Mitglieder, Identitäre und Burschenschaftlern in einen Pool von hauptamtlichen Neonazis aufnehmen. Kerth sagte deswegen: „Die durchschlagendste Maßnahme gegen rechtsextreme Netzwerke wäre das Verbot der AfD, weil das dem rechten Sumpf die Mittel entzieht, sich in dieser Gesellschaft weiter breit zu machen.“
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