Reaktionen auf Fackelmarsch in Sachsen: „In Art und Auftritt faschistoid“
Zahlreiche Politiker:innen zeigen Solidarität mit Sachsens Gesundheitsministerin Köpping (SPD). Vor ihrem Haus waren rechtsextreme Coronaleugner aufgezogen.
Bei Grimma, südöstlich von Leipzig, waren am Freitagabend rund 30 Personen mit Fackeln vor das Haus von Köpping gezogen. Nach den Worten einer Polizeisprecherin riefen die Teilnehmer, pfiffen und führten Plakate mit sich. Auf Twitter bezogen sich die „Freien Sachsen“ auf die Aktion. Die „Freien Sachsen“ werden vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische und verfassungsfeindliche Bestrebung eingestuft.
Bei Eintreffen der Polizei seien die Teilnehmer geflüchtet. Laut Polizei war die Ministerin während des Fackelaufmarsches zu Hause. Die Polizei konnte einen Teil der Flüchtigen stellen und 15 Fahrzeuge stoppen. Insgesamt 25 Identitäten seien festgestellt worden, sagte eine Sprecherin.
Ermittelt werde wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung. Eventuelle weitere rechtliche Verstöße würden geprüft, der Polizeiliche Staatsschutz sei eingeschaltet.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas twitterte, der Aufmarsch vor dem Privathaus von Köpping habe „nichts mit Meinungsfreiheit zu tun“: „Das war ein Einschüchterungsversuch, den wir nicht zulassen dürfen.“ Die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) sprach auf Twitter von einem „absoluten Tabubruch“.
SPD-Chefin Saskia Esken bekundete volle Solidarität mit ihrer sächsischen Parteigenossin: „Auch wenn die paar Hansel da versuchen, Angst und Schrecken zu verbreiten: die Vernunftbegabten und Verantwortungsbereiten sind die große Mehrheit, und die steht an Deiner Seite!“, twitterte Esken.
Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) versicherte seiner Kabinettskollegin auf Twitter volle Unterstützung und Solidarität. Vor seinem Wohnhaus in Ostsachsen hatte es in der Vergangenheit ähnliche Vorfälle gegeben. Linken-Innenexperte André Hahn beklagte im Deutschlandfunk, im Freistaat seien viel zu lange Aktivitäten von Corona-Leugnern, sogenannten Querdenkern und Impfgegnern bagatellisiert worden.
Kritik richtete sich auch gegen den sächsischen Innenminister Roland Wöller (CDU). Er müsse endlich aufwachen und seine Kolleginnen und Kollegen schützen, verlangte etwa die sächsische Linke. Die Jungliberalen im Freistaat forderten seine Entlassung.
Sachsen hatte laut Robert Koch-Institut am Sonntag erneut mit 1.227 Fällen je 100.000 Einwohnern die höchste Sieben-Tage-Inzidenz aller Bundesländer. Auch die drei Landkreise mit den höchsten Inzidenzwerten lagen in Sachsen, an der Spitze Mittelsachsen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 2.208,5.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“