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Reaktion auf Umsturz in der UkraineSprachlosigkeit in Moskau

Die Expansionspläne von Präsident Putin für eine „Eurasische Union“ gehen den Bach runter. Berater setzen jetzt auf eine Spaltung der Ukraine.

Die Situation ist verschachtelt. Bild: reuters

MOSKAU taz | Russland hat sich in Sachen Ukraine eine Auszeit genommen. Am Samstag beklagte sich Außenminister Sergei Lawrow, die Opposition in Kiew habe keine einzige Verpflichtung erfüllt und warf ihr „Wortbruch und Unfähigkeit“ vor. Danach forderte der Außenamtschef noch Walter Steinmeier telefonisch auf, seinen Einfluss auf die Opposition geltend zu machen und die Lage „sofort zu ändern“. Seither herrscht Stille in Moskau.

Auch Präsident Wladimir Putin äußerte sich bei einer Kranzniederlegung anlässlich des russischen Feiertags der Armee nicht zu den Entwicklungen beim westlichen Nachbarn. Niemand hatte in Moskau damit gerechnet, dass die Ukraine versäumte Geschichte im Zeitraffer nachholen könnte. Völlig fassungslos reagierten auch Moskaus Staatssender, dass Präsident Wiktor Janukowitsch einfach abtauchte und das Land sich selbst überließ. Unaufhörlich verbreiten sie Horrormeldungen über die Protagonisten in Kiew.

Für Wladimir Putin, dessen Olympiamannschaft am letzten Tag noch als Gesamtsieger der Spiele in Sotschi hervorging, kommen die Ereignisse in Kiew zur Unzeit. Vor einigen Wochen galt er noch als Sieger im Streit mit der EU um die Ukraine, die er in den russischen Orbit zurückholen wollte. Kiew war der Schlüssel für das neue Konzept einer „Eurasischen Union“, mit der sich Moskau geopolitisch als Weltmacht zurückmelden wollte.

Ohne die Ukraine bleibt dieser Entwurf ein Papiertiger. Für Russland endet die Geschichte als Imperium und für die Ukraine ging am 22. Februar auch jene Zeit zu Ende, in der sie noch als Quasisowjetrepublik – nach dem Zusammenbruch der UdSSR – fortexistieren musste. Daher erklärte sich auch die Schaukelpolitik der ukrainischen Eliten. Moskaus gegenwärtiges Herrschaftssystem braucht eine instabile Ukraine.

Russland will föderale Ukraine

Gelingt es dem Kreml, auf die russische Bevölkerung im Ostteil des Landes so einzuwirken, dass auch weiterhin die Entwicklung behindert wird? Wladimir Putins Berater, Sergei Glasjew, favorisiert einen föderalen Staatsaufbau der Ukraine. Auf den ersten Blick macht dies auch Sinn, um den unterschiedlichen kulturellen und zivilisatorischen Zugehörigkeiten gerecht zu werden. Dennoch scheint ein Kalkül dahinter zu stecken, dass Moskau sich den Osten und Süden nach und nach einverleiben kann. Sergei Glasjew plädierte während der Auseinandersetzungen auf dem Maidan schon früh für den Einsatz von Gewalt.

Die staatlichen Institutionen hätten keine andere Wahl als zur Gewalt zu greifen, meinte er. Präsident Janukowitsch hätte die Verpflichtung, den Staat zu verteidigen, nicht erfüllt und stattdessen mit Putschisten verhandelt. Ein föderaler Staatsaufbau könnte die prorussischen Regionen ermuntern, eine europäische Ausrichtung Kiews durch Veto zu blockieren. Inwieweit Moskau angesichts separatistischer Krisenherde im eigenen Land das Risiko eingeht, dergleichen Strömungen beim Nachbarn zu fördern, bleibt abzuwarten.

Der Wandel in der Ukraine verlangt von Russland sehr viel auf einmal. Denn auch innenpolitisch wirft das Desaster des gescheiterten Präsidenten Schatten in Moskau voraus. In Kiew stürzte eine autoritäre postsowjetische Kleptokratie. Die Machthaber in Moskau unterscheiden sich davon nicht. Nur ist Russland größer, reicher und mit Atomwaffen ausgestattet. Nicht verwunderlich wäre es, wenn der Kreml den Sturz Janukowitschs persönlich nähme.

Die Revolution in Kiew wird das russische Verhältnis zum Westen noch schwieriger gestalten. Nicht ausgeschlossen ist, dass sich Moskau demnächst China zuwendet. Demonstrativ – aber wohl kaum auf Dauer.

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10 Kommentare

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  • I
    IgSa

    1. Da vom Westen auch weiterhin keine vernunftbegabte Politik zu erwarten ist, verbleibt zwangsläufig nur China als strategischer Partner für Russland. Über diesen Umstand darf sich der Westen jedoch nicht beschweren. In seinen ersten Jahren als Präsident, hat Putin versucht sich dem Westen anzunähern. Das wollte jedoch der Westen dann doch nicht.

     

    2. Eine Vereinigung von Russland, Weißrussland und Ukraine ist kulturell wie historisch absolut korrekt, waren diese Länder doch die letzten 1000 Jahre ein Volk.

    • E
      Erni
      @IgSa:

      Diese Laender waren weder politisch-historisch, noch kulturell ein Volk in den letzten 1000 Jahren. Die Ukraine wurde gewaltsam einverleibt und unterdrueckt. Die Sowjet Union war ein zusammenschluss vieler Laender und Kulturen und das nicht immer Freiwillig. Der Ukraine wurde viel Leid zugefuegt vom grossen jetzt Russischen Nachbarn. Beispiel: Holodomor, um nur eines zu nennen.

      • G
        Gast
        @Erni:

        Ich wundere mich immer, wie selbstbewusst manche Menschen im Netz Ihre Meinung äußern. Ich weiß, dass ich nichts weiß, aber mit deiner aussage, Erni, liegst du komplett falsch. Vor 1000 Jahren waren Russen und Ukrainer ein Folk. Sie teilen dieselbe Kultur(auch mit kleinen Unterschieden), und historisch gehören diese Länder zusammen.

        Und zu deinem letzten "Argument", Holodomor- wie dpu sagst war UdSSR ein Zusammenschluss vieler Länder und unter dieser Diktatur haben auch alle Länder gelitten, nicht nur Ukrainer. Russland ist nicht gleich UdSSR.

        • E
          Erni
          @Gast:

          Ich möchte daran erinnern das ich auf den erstem Kommentar Bezug nimmt der von den letzten 1000 Jahren spricht, nicht der Zeit davor.

          Wie Sie richtig sagen ist Russland nicht die UDSSR und ja… es haben viele Völker damals gelitten, hier geht es aber um die Ukraine und nicht um die anderen Völker.

          Vielleicht habe ich etwas vorschnell und nicht präzise genug geschrieben und ausgedrückt was ich denke, aber dies ist manchmal etwas schwer, wenn man persoenlich betroffen ist.

          Ich denke jedoch man sollte nicht vorschnell davon sprechen das eine Vereinigung von Russland und Ukraine korrekt sei. Ich wage zu behaupten, die meisten Ukrainer sehen das etwas anders. Sie fühlen sich, besonders in den letzten paar hundert Jahren mehr als unterdrücktes Volk. Wir alle suchen ein friedliches zusammenleben mit den Nachbarn, das bedeutet aber nicht das wir oder teile der Ukraine von Russland annektiert (vereinigt) werden wollen.

          Bitte entschuldigen Sie meine Rechtschreibung und Interpunktion, aber es ist eine Weile her das ich so viel auf deutsch geschrieben habe.

        • E
          Erni
          @Gast:

          Es ist gut zu sehen das es noch Kommentatoren gibt, die ein Verständnis von geschichtlichen Zusammenhängen haben und antworten ohne verbal ausfallend zu werden, darum möchte ich auch gerne darauf antworten um mich zu erklären. Ich denke was die geschichtlichen zusammenhänge angeht haben wir ein ähnliches Verständnis, nur sehe ich die Interpretation etwas anders.

          Wenn man weit genug zeitlich in die Vergangenheit geht, im besonderen die Zeit vom 9. Jahrhundert bis zum 12. Jahrhundert, dann haben Sie durchaus recht und das heutige Russische und Ukrainische Volk haben durchaus dieselben geo-kulturellen Hintergrund (ostslawische Stämme, Kiewer Rus). Mancher möge dann auch gleich noch den skandinavischen Einfluss mit hinzunehmen, obwohl es einige Historiker gibt die dies anzweifeln. Seit dem 12. Jahrhundert nach zahlreichen Scharmützeln, Herrschaftsansprüchen, Einfall der Mongolen und anderem hat sich dies jedoch geändert. Ich meine man darf heutzutage die Ukrainer gerne als eigenständiges unabhängiges (auch politisch-kulturell) bezeichnen.

  • C
    cosmopol

    Russland und China haben sich einander schon sehr weit angennähert.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Shanghaier_Organisation_für_Zusammenarbeit

  • B
    Blechstein

    Die Ukraine als Zankapfel zwischen EU und Rußland ist ein geschicktes Manöver, das davon ablenken soll, dass sich die EU mittel- und langfristig Rußland annähern und mit ihm verbinden wird. Wir leben alle auf einem Kontinent - Russen sind unsere Brüder und Schwestern und uns verbinden unzählige geschichtliche und kulturelle Gemeinsamkeiten - was liegt näher, als auf Dauer zusammenzuwachsen.

    • A
      Andi
      @Blechstein:

      Mit einem Blick in die Realität wird alles anders: "Die Russen" haben überhaupt kein Interesse an "Partnerschaft" sondern verfolgen eine machohafte Dominazpolitik, die auch als "Imperialismus 2.0" durchgehen könnte. Putin geht es einzig darum, wer der Stärkere ist und solange wir verträumte Gutmenschen in den Reihen der Entscheider haben, wird er seine Blutspur durch alle Länder ziehen, die er spalten und in seinen Einflußbereich überführen kann. Sorry für die Desillusionierung, die leider bei vielen Altlinken nötig zu sein scheint.

      • NL
        NSA läßt grüßen
        @Andi:

        Einfach Rußland mit USA wechseln, und sieh mal da, sehr, sehr zutreffend:

         

        Mit einem Blick in die Realität wird alles anders: "Die Amis" haben überhaupt kein Interesse an "Partnerschaft" sondern verfolgen eine machohafte Dominazpolitik, die auch als "Imperialismus 2.0" durchgehen könnte. US Präsidenten geht es einzig darum, wer der Stärkere ist und solange wir verträumte Gutmenschen in den Reihen der Entscheider haben, wird er seine Blutspur durch alle Länder ziehen, die er spalten und in seinen Einflußbereich überführen kann.

         

        Einfach, gell?

    • U
      Ukrainer
      @Blechstein:

      Wer sagt, dass es Russland auch so sieht?