Reaktion auf Anschlag in Ankara: Großrazzia gegen Kurden

Nach dem Anschlag in Ankara nimmt die Türkei fast 1.000 Personen fest. Den meisten wird lediglich Waffenbesitz oder -schmuggel vorgeworfen.

Etliche Personen ducken sich hinter einer Barriere im Freien.

Am Sonntag in Ankara: Polizisten suchen Deckung, während Bombenentschärfer im Einsatz sind

ISTANBUL/BERLIN taz | Als Reaktion auf den Anschlag vom Sonntag auf das Innenministerium in Ankara hat die türkische Polizei fast 1.000 Menschen mit möglichen Verbindungen zu militanten Kurden festgenommen. Innenminister Ali Yerlikaya sagte, die Polizei habe am Dienstag Razzien in 16 Provinzen durchgeführt und 55 Personen festgenommen, die verdächtigt würden, der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) anzugehören. Später sprach Yerlikaya von zusätzlichen 928 Festgenommenen, denen illegaler Waffenbesitz oder Waffenschmuggel vorgeworfen werde. Insgesamt sollen mehr als 13.000 Sicherheitskräfte im Einsatz gewesen sein.

Die türkische Luftwaffe hatte am Montag zudem Stellungen der PKK im Nordirak angegriffen, nachdem diese sich am Sonntag zu dem Anschlag bekannt hatte. Dabei wurden nicht nur grenznahe Stellungen zur Türkei angegriffen, sondern auch das PKK-Hauptquartier in den Kandil-Bergen nahe der Grenze zu Iran. Ein Armeesprecher teilte mit, zahlreiche kurdische Kämpfer seien „neutralisiert“ worden.

In dem Bekennerschreiben, das die PKK-nahe Website ANF-News veröffentlichte, wird der Anschlag in Ankara als Reaktion auf Übergriffe der türkischen Armee im Nordirak sowie in Nordsyrien bezeichnet. „Unsere Kameraden, die diese aufopferungsvolle Aktion durchführten, überwanden den Wachposten und drangen in das Innere des Sicherheitsbereichs ein. Sie waren erfolgreich und haben ihr Ziel erreicht“, heißt es. Die Attentäter hätten „mit einer kleinen Änderung ihres Timings ein ganz anderes Ergebnis erzielen können, wenn sie es gewollt hätten“, so die PKK weiter.

Am Sonntagmorgen waren lediglich zwei Polizisten verletzt worden, als zwei Personen, die nach Angaben der türkischen Polizei beide Sprengstoffgürtel trugen, versuchten, das Innenministerium anzugreifen. Sie fuhren in einem Auto bis vor die Sperre des Ministeriums und versuchten, einen Eingang zu erreichen. Als die Polizei eingriff, zündete einer der Angreifer den Angaben nach seinen Sprengstoffgürtel. Der andere wurde im Schusswechsel mit der Polizei getötet.

Jahrelang kein Bekenntnis zu Anschlägen

Die PKK fordert die Anerkennung der kurdischen Identität sowie eine politische und kulturelle Autonomie unter Aufrechterhaltung nationaler Grenzen in der Region. Analysten gehen davon aus, dass sie weiterhin die Gründung eines eigenen kurdischen Staats anstrebt, dies aber nicht offen kommuniziert. Im jahrzehntealten Konflikt mit der Türkei wurden mehrere Zehntausend Menschen getötet. Kurden leben vor allem in der Türkei und den Nachbarländern Iran, Irak und Syrien.

Der Anschlag in Ankara erfolgt nach einer längeren Ruhephase, in der sich die PKK zu keinen Anschlägen innerhalb der Türkei bekannt hat. Die Urheberschaft eines Anschlags im November letzten Jahres in Istanbul, bei dem auf einer belebten Einkaufsstraße mehrere Menschen getötet worden waren und der nach Angaben der türkischen Polizei von der PKK verübt wurde, ist bis heute umstritten.

Die PKK bestritt vehement jegliche Verantwortung, was auch plausibel war, da sie Erdoğan im Vorfeld der Wahlen im Mai keine Propagandavorlage bieten wollte. Nachdem Erdoğan die Wahlen für sich und seine AKP entscheiden konnte, wird die politische Situation offenbar anders eingeschätzt. (mit Agenturen, Mitarbeit: Jannis Hagmann)

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