piwik no script img

Razzien in der FleischindustrieChaos der deutschen Fleischkonzerne

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Der Bundestag muss schnell den Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil gegen Ausbeutung in der Branche verabschieden.

Die Polizei sammelt Beweise – nun muss die Politik handeln Foto: Julian Stratenschulte/dpa

D ie Razzien der Bundespolizei wegen mutmaßlichen Einschleusens von Ausländern zur Arbeit in der Fleischindustrie zeigen vor allem eines: Der Bundestag muss den Gesetz­entwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil gegen Ausbeutung in der Branche schnell und unverwässert beschließen.

Noch sind die Ermittlungen nicht abgeschlossen. Aber Teile der Fleischindustrie sind schon lange für kriminelle Strukturen bekannt. Da wurden Nicht-EU-Bürger zum Beispiel mit gefälschten rumänischen Pässen ausgestattet, damit sie in deutschen Schlachthöfen arbeiten können. Legendär sind die Motorrad-Rockerbanden, die für Fleischunternehmen osteuropäische Arbeiter organisierten und Aufmüpfige mit Baseballschlägern einschüchterten. Immer wieder fällt bei Kontrollen auf, dass Fleischarbeiter weniger als den gesetzlichen Mindestlohn bekommen.

Doch Verantwortliche lassen sich oft schwer ermitteln. Denn die meisten Schlachthöfe beschäftigen ihre Arbeiter nicht direkt, sondern über ein Dickicht aus Subunternehmern mit einem Werkvertrag oder über Zeitarbeitsfirmen und Leiharbeit. Oft wissen nicht einmal die Beschäftigten, für wen sie offiziell arbeiten.

Hinter diesem Chaos verstecken sich deutsche Fleischkonzerne. Wenn es Probleme gibt, schieben sie die Verantwortung auf Dienstleister, die im Krisenfall schnell Insolvenz anmelden und nicht greifbar sind.

Um so unverständlicher ist, dass manche Bundestagsabgeordnete von CDU und CSU versuchen, das von SPD-Minister Heil geplante Verbot auch der Leiharbeit – nicht nur der Werkverträge – im Kernbereich großer Schlachthäuser zu verhindern. Denn dann könnten sich die Konzerne weiter einfach hinter zwielichtigen Zeitarbeitsfirmen verstecken. Solche Unternehmen standen im Fokus der Razzien am Mittwoch. Tönnies und seine Konkurrenten brauchen Leiharbeit auch nicht, um Produktionsspitzen etwa während der Grillsaison abzudecken. Dass im Sommer mehr gegrillt wird, ist ja absehbar. Und wenn es wirklich eng wird, können die Arbeitgeber mit bezahlten Überstunden reagieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Bald fliesst öffentliches Geld in diese "kriminelle Strukturen" und zugunsten dieser hoch umweltschädliche Branche, weil sie wegen des Schweinepests ihre Exportmärkte verliert. Genauso wie bei der Tourismusindustrie und den Fluggesellschaften wegen der Coronapandemie.

  • Das Gesetz ist genau so Bullshit wie die "Grundrente"

    Leiharbeit sagt die Industrie immer ist zum abfedern der Spitzen:

    also 100% gleiche Bezahlung wie Festangestellte + 15% für Mobilität + Flexibilität

    Branchenunspezifisch!

    Und schon ist man Leiharbeit los! in allen Branchen!

    Solche Gesetz made by SPD zementieren die Ungerechtigkeit nur

  • 9G
    95692 (Profil gelöscht)

    Danke Gerhard Schröder und Wolfgang Clement,



    Danke SPD und Grüne für die Agenda 2010

    www.zeit.de/wirtsc...ffekte-deutschland

    www.tagesschau.de/...nd100~_page-2.html

    www.sueddeutsche.d...eben-ist-1.1620192

    de.wikipedia.org/w...er%C3%BCberlassung

    - Längere Texte -