Razzia wegen Corona-Hilfe in Moschee: Großrazzia wegen 14.000 Euro
In Berlin gab es eine Razzia in einer Moschee wegen angeblichen Subventionsbetrugs. Unverhältnismäßig, sagt Imam Sabri von der Dar-as-Salam-Gemeinde
Imam Sabri hätten die Durchsuchungen fassungslos gemacht, heißt es in einer Mitteilung vom Tag nach der Durchsuchung. Er habe angesichts des Großaufgebots unter Schock gestanden und mittlerweile Rechtsmittel gegen die Art der Durchsuchung eingelegt, bestätigte er der taz: „Eine solche Erfahrung der Hilflosigkeit und Bestürzung, während schwerbewaffnete Beamt*innen das eigene Heim durcheinanderbringen, wünsche ich niemandem.“
Gekommen sei die Polizei am frühen Donnerstagmorgen mit acht großen Einsatzwagen und zwei Zivilfahrzeugen. Maskierte, schwerbewaffnete und angsteinflößende Polizeikräfte hätten Stellung vor der Moschee bezogen. „Anwohner*innen, Passant*innen und wir waren sehr verängstigt“, sagt Sabri. Das kenne man sonst nur aus Kinofilmen.
Die Dar-as-Salam-Moschee in der Flughafenstraße wird betrieben von dem Verein Neuköllner Begegnungsstätte (NBS). Die Moschee ist eines der größten muslimischen Gebetshäuser Berlins. Zur Gemeinde mit bis zu 2.000 Gläubigen gehören überwiegend Muslime palästinensischer Herkunft.
Vom Verfassungsschutz beobachtet
Der Verfassungsschutz hatte den Verein 2015 und 2016 in seinen Berichten im Abschnitt „legalistische Islamisten“ erwähnt, die Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele ablehnten. Der Verein gilt als der Muslimbruderschaft nahestehend. Gegen die Erwähnung im Verfassungsschutz hatte er allerdings 2017 erfolgreich geklagt. Beobachtet werde der Verein vom Verfassungsschutz allerdings weiterhin, wie Innensenator Andreas Geisel (SPD) 2018 erklärte. Demgegenüber hatte das Land Berlin Sabri für sein Engagement im interreligiösen Dialog 2015 den höchsten Verdienstorden des Landes verliehen.
Nach eigenen Angaben hat der Verein im März 14.000 Euro Corona-Soforthilfe beantragt, nachdem es vom Senat öffentlich hieß, auch gemeinnützige Vereine seien förderberechtigt. Die Soforthilfe sei gewährt und zweckgemäß für Nebenkosten und Gehälter ausgegeben worden. Tatsächlich sei die Existenz des Vereins während des ersten Lockdowns im Zuge ausgefallener Gottesdienste und Spendengelder bedroht gewesen. Ein Subventionsbetrug liege nicht vor.
Nach Durchsuchungen in anderen islamischen Einrichtungen habe es allerdings Bemühungen gegeben, den Sachverhalt aufzuklären: „Trotz expliziter schriftlicher Rückfrage des Vereinsvorstands nach der Rechtmäßigkeit der Förderung sowie dessen Ankündigung, im Falle eines Irrtums die sofortige Rückzahlung zu veranlassen, fanden die Durchsuchungen statt“, heißt es in der Mitteilung des Vereins.
Der Zentralrat der Muslime (ZdM) beklagt die wiederholte Durchsuchung vornehmlich islamischer Vereine im Zusammenhang mit Coronahilfen. Tatsächlich gab es bereits zwei Razzien in Kreuzberg: in der Mevlana-Moschee (150 Beamte) sowie dem islamischen Verein Furkan (90 Polizist:innen). Der Berliner ZdM-Landesverband protestierte gegen „dieses wiederholte und völlig unverhältnismäßige Vorgehen“, heißt es in einer Mitteilung des Vorsitzenden Mohamad Hajjaj. Er fordere den Justizminister zur Unterbindung und den Senat zur Aufklärung auf. Das Vertrauen in den Rechtsstaat sei schwer beschädigt worden.
Hinzu kämen die hohen Kosten eines Großaufgebots gegenüber 14.000 Euro, wie Hajjaj der taz sagte, zumal nicht feststehe, ob die Gelder überhaupt irrtümlich ausgezahlt worden seien. Vielen Moscheen seien durch die Coronapandemie Spenden weggebrochen – ohne Kollekte in Gottesdiensten fehlten in größeren Gemeinden schnell 8.000 Euro monatlich, so Hajjaj. Zudem habe die Neuköllner Begegnungsstätte versucht, Unklarheiten „einwandfrei auf dem Dienstweg zu klären.“ Der Vertrauens- und Rufschaden müsse schnellstmöglich wieder hergestellt werden.
„Islamophobische Motivlage“
Die Staatsanwaltschaft bearbeitet derzeit knapp 900 Verfahren wegen mutmaßlichen Corona-Subventionsbetrugs und bestätigte, dass es im Falle der Neuköllner Moschee um 14.000 Euro ging. Polizeilich seien 2.100 ähnliche Vorgänge erfasst. Für Risikobewertungen und Umfang von Durchsuchungen sei allerdings die Polizei verantwortlich, wie Oberstaatsanwalt Martin Steltner der taz sagte.
Laut jener waren 60 Polizeibeamt:innen an den Durchsuchungen beteiligt. Man habe einkalkulieren müssen, „dass es zu Menschenansammlungen kommen könnte, die eine Behinderung von polizeilichen Vollzugsmaßnahmen beabsichtigen und aus der heraus es zu Provokationen sowie zu körperlichen Angriffen auf Einsatzkräfte kommen könnte“, wie es auf taz-Anfrage heißt – zu denen es allerdings nicht kam.
Für eine Provokation hält der Anwalt des Vereins, Johannes Eisenberg (der auch die taz rechtlich vertritt), eher den überdimensionierten Polizeieinsatz: „Die gesamte Art und Weise der Durchsuchung, aber auch die Verdachtsschöpfung ist völlig unangemessen und unverhältnismäßig und trägt das Stigma einer islamophobischen Motivlage.“ Es sei ein „harsches Sonderrecht“ gegen eine Moscheegemeinde inszeniert worden.
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