Rassistische Gewalt in Sachsen: „Rechtsextreme stärker bekämpfen“

Die Zahl rechtsmotivierter Gewalttaten in Sachsen ist stark angestiegen. Ministerpräsident Tillich sagt, man habe die Dimension des Rechtsextremismus unterschätzt.

ein grauhaariger Mann im Anzug stützt das Kinn in die Hand

Nachdenklich: Stanislaw Tillich. Foto: dpa

DRESDEN afp/epd | Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat eingeräumt, dass das Ausmaß des Rechtsextremismus in seinem Bundesland lange unterschätzt wurde – auch von ihm selbst. „Ja, es stimmt: Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus und es ist größer, als viele – ich sage ehrlich: auch ich – wahrhaben wollten“, sagte Tillich am Montag in einer Sondersitzung des sächsischen Landtags in Dresden.

Anlass für die Sondersitzung waren die jüngsten fremdenfeindlichen Übergriffe in Sachsen. In Clausnitz hatte vorvergangene Woche eine lauthals pöbelnde Menschenmenge einen ankommenden Bus mit Flüchtlingen blockiert. In Bautzen bejubelten Schaulustige den vermutlich absichtlich gelegten Brand eines Hotels, in das demnächst Flüchtlinge einziehen sollten.

Tillich verurteilte die Angriffe erneut als „jämmerliches und abstoßendes Verhalten“. „Sachsen sagt Nein zu Fremdenfeindlichkeit“, betonte er. Zugleich wies der Ministerpräsident Vorwürfe zurück, der Freistaat habe in der Vergangenheit nichts getan gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Dies sei „falsch“, sagte er und verwies unter anderem auf seit Jahren bestehenden Sondereinheiten gegen Rechts bei Polizei und Justiz. Viele Tatverdächtige seien ermittelt worden.

Der Ministerpräsident räumte ein, dass der Kampf „gegen die Fremdenfeindlichkeit, das Extreme und Radikale“ noch verstärkt werden müsse. Aus diesem Grund werde unter anderem der Stellenabbau bei der Polizei ausgesetzt. Auch die politische Bildung in den Schulen müsse gestärkt werden. „Wir wollen Lehrer unterstützen, sich den tagesaktuellen Debatten zu stellen.“

Verbessern will Tillich auch die Unterstützung für Menschen und Initiativen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Land und Kommunen hätten den Auftrag, diese Zusammenarbeit zu verbessern. Dabei gehe es nicht unbedingt um Geld, sondern um eine „klare Haltung“, sagte Tillich. Dutzende Organisationen hatten Tillich vergangene Woche in einem offenen Brief mangelnde Unterstützung vorgeworfen und ein stärkeres Auftreten gegen rechtsextreme Tendenzen gefordert.

90 Prozent im Zusammenhang mit Asyl

Derweil verzeichnet Sachsen nach Angaben der Opferberatung RAA für 2015 einen massiven Anstieg rechter Gewaltstraftaten. Insgesamt seien 477 rechtsmotivierte und rassistische Angriffe gezählt worden, teilte die Opferberatung am Montag in Dresden mit. Rechtsmotivierte Gewalt sei im zurückliegenden Jahr massiv angestiegen und habe sich innerhalb von drei Jahren - seit 2012 - mehr als verdoppelt.

Knapp 90 Prozent der Gewalttaten seien im Zusammenhang mit dem Thema Asyl verübt worden, 60 Prozent waren rassistisch motiviert, hieß es. Schwerpunkte der Gewalt waren den Angaben zufolge die Städte Dresden (116) und Leipzig (77) sowie die Landkreise Leipzig (56) und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (55). Am häufigsten handelte es sich bei den Angriffen um Körperverletzungen, gefolgt von Nötigungen und Bedrohungen.

74 Angriffe wurden nach Angaben von RAA auf oder im Umfeld von Asylunterkünften verübt. Darunter seien 19 Brandstiftungen und 21 gefährliche Körperverletzungen. Außerdem seien 72 Angriffe im Umfeld von Demonstrationen verübt worden, die sich überwiegend gegen politische Gegner und gegen Journalisten richteten.

Die Opferberatung des RAA Sachsen unterstützt seit 2005 Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt bei der Bewältigung der Tatfolgen und dokumentiert darüber hinaus diese Angriffe. Im Jahr 2014 konnte sachsenweit in 285 Fällen beraten werden.

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