piwik no script img

Rassistische AfD-Beiträge geteiltHalbherzige Entschuldigung

Die Bremer Professorin Vera Hagemann distanziert sich von rassistischen Beiträgen, die sie auf X geteilt hatte. Studierenden ist das nicht genug.

Hier ist man überzeugt, dass Vera Hagemann das politische Mäßigungsgebot achtet: Verwaltungsgebäude der Bremer Uni Foto: Universität Bremen

Bremen taz | Bremer Studierende des Masters für Wirtschaftspsychologie haben am 9. November in einem Statement eine öffentliche Entschuldigung von der Professorin Vera Hagemann gefordert. Die Studierenden werfen Hagemann vor, auf der Plattform X (ehemals Twitter) Beiträge von AfD-Politiker*innen geteilt zu haben, die gegen Mi­gran­t*in­nen und die Coronapolitik hetzen. Das Amt der Dekanin für Wirtschaftswissenschaften trat Hagemann deshalb Anfang November nicht an. Auch Mitherausgeberin der Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie ist Hagemann seitdem nicht mehr. Auch dieser Rückzug erfolgte freiwillig, womöglich um einem Rausschmiss zuvorzukommen. „Der HerausgeberInnenkreis distanziert sich ausdrücklich von den auf X geteilten Inhalten, von denen in der taz nord berichtet wurde und die Vera Hagemann zugeschrieben werden“, sagt der Herausgeber Jörg Felfe.

Am Montag, knapp einen Monat nach den Beiträgen und einer Anfrage der taz, ist Hagemann der Forderung der Bremer Studierenden nachgekommen. In der Stellungnahme heißt es nun: „Ich kann an dieser Stelle versichern, dass ich jede Form von Rassismus, Diskriminierung und Extremismus entschieden ablehne und mich von extremistischen, rassistischen und demokratiefeindlichen Äußerungen der Posts distanziere.“ Am Ende ihrer Stellungnahme bietet Hagemann Gespräche an.

Hannah Bode*, eine der Studierenden, findet, dass die Entschuldigung zu spät kommt. „Authentisch wäre es gewesen, wenn es direkt gekommen wäre“, sagt sie. Tatsächlich handelt es sich bei Hagemanns Stellungnahme um ein internes Dokument vom 1. Dezember. Der taz schreibt sie, dass sie sich in einer nicht öffentlichen Stellungnahme an das Rektorat, den Fachbereich und die Studierendenvertretung gewandt habe – also nicht an die Ver­fas­se­r*in­nen des studentischen Statements. Das Dekanat, die Studierendenvertretung und die Hochschulleitung bestätigen, dass sie die interne Stellungnahme Hagemanns erreicht hat.

Hochschulleitung steht hinter Hagemann

„Die Hochschulleitung hat sich im Gespräch mit Frau Hagemann davon überzeugt, dass sie die Werte der Universität Bremen vertritt und das Neutralitätsgebot sowie die Treuepflicht und das politische Mäßigungsgebot achtet und befolgt“, sagt eine Sprecherin der Universität. Das Dekanat spricht von einer glaubwürdigen Einsicht, dass es Verfehlungen im „privaten Bereich“ gegeben hat. Die Studierendenvertretung möchte den Sachverhalt auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht kommentieren, distanziert sich aber von Rassismus, Diskriminierung und Extremismus.

Die interne Erklärung leitete Hagemann am vergangenen Montag an die Ver­fas­se­r*in­nen des Statements weiter. Wenige Stunden zuvor hatte die taz sie um eine Stellungnahme gebeten. In der Nachricht an die Studierenden schreibt Hagemann, sie wolle ihnen ihr Statement noch einmal zukommen lassen, da sie nicht wisse, ob ihre Stellungnahme vom 1. Dezember die Studierenden bereits erreicht habe. „Ihre Stellungnahme hat uns als Ver­fas­se­r*in­nen des Statements erst am 11. Dezember erreicht“, sagt Bode. „Diese Mail ging allerdings nur an das dritte Semester des Studiengangs Wirtschaftspsychologie, obwohl beispielsweise auch das erste Semester desselben Studiengangs betroffen ist.“

In ihrer Stellungnahme geht Hagemann auf die geteilten und gelikten Beiträge ein: „Mir ist klar geworden, dass mein kritisiertes Verhalten unangemessen war, meine eigentlichen Absichten zum Ausdruck zu bringen. Ich bedaure sehr, dass ich nicht die notwendige kritische Distanz bei der Betrachtung einzelner von mir gelikter Texte und Reposts gewahrt habe und so der Eindruck entstehen konnte, gegebenenfalls hinter den Aussagen zu stehen“, schreibt Hagemann.

Juristisch abgeklärt

Bei den Ver­fas­se­r*in­nen des Statements kommt die Entschuldigung nicht gut an: „Wie soll man es denn anders verstehen, als dass sie hinter den Aussagen der Beiträge steht? Inhalte zu reposten, ist ja ein aktiver Akt“, sagt Bode. Sie frage sich, wie man etwas von den ‚Freien Sachsen‘ teilen kann und sich nicht bewusst ist, dass das menschenfeindlich und demokratiefeindlich ist.“

Mit ihrem Verzicht auf das Amt der Dekanin übernehme sie die Verantwortung, schreibt Hagemann in ihrer Stellungnahme. Sie betont, dass sie jegliche Form von Diskriminierung, Rassismus und Extremismus ablehne und sich von entsprechenden Äußerungen in den von ihr geteilten Posts distanziere. „Ich bedaure es sehr, solche Entscheidungen getroffen zu haben, die nicht mit meinen Einstellungen in Einklang stehen.“

„Es wirkt so, als hätte sie das juristisch abgeklärt. Ich nehme ihr ihre Distanzierung nicht ab“, sagt Bode. „In dem Statement geht es sehr viel um sie, auf unser Statement geht sie nicht ausreichend ein. Zu sagen, sie stehe nicht für dieses oder jenes, wirkt auf mich nicht authentisch.“

Zu dem Vorwurf, dass Studierende in ihren Lehrveranstaltungen diskriminierendes Verhalten befürchten, schreibt Hagemann: „Hier möchte ich versichern, dass niemand Sorge haben muss, benachteiligt oder diskriminiert zu werden.“ Das beruhigt Bode nicht: „Es scheint, dass sie nicht realisiert, dass ihr Verhalten Lebensrealitäten betrifft.“

*Name geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Es ist heute nicht einfach, sich als Wissenschaftler von Rechtsextremen fern zu halten, wenn Antisemiten "follow the science" rufen.

  • In dem Video der Freien Sachsen, das sie geteilt hat, gibt ein Schwarzer Jugendlicher einem anderen Jugendlichen eine Kopfnuss. Der Betroffene hält sich die Hände vor das Gesicht, es fließt Blut auf den Boden. Der Nutzer, der das Video ursprünglich hochgeladen hat, schreibt dazu: „Die einheimischen Kinder und Jugendlichen werden solchen Wölfen zum Fraß vorgeworfen.“ (taz vom 18.10.23)



    Ich sehe wenig Spielraum, sich da hinterher irgendwie wieder rauszuwinden . .

  • 6G
    681667 (Profil gelöscht)

    Schön wäre es ja, den Wortlaut der von Frau Professor geteilten Beitrage von der "taz" erfahren zu dürfen.

  • Was müsste die Professorin aus Sicht der anonymen Beschuldigerin "Hannah" denn tun, um "glaubwürdig" zu sein?

  • Es gibt viele Professoren, die täglich einen Coktail aus Arroganz, Ignoranz und Überheblichkeit zu sich nehmen, dass dabei Minderheiten, Ausländer, Asylbewerber schnell ihr Fett wegkriegen, davon könnte man wohl ausgehen. Interessant ist, dass diese Wissenschaftlerin keine Berührungsängste zu echten Rechtsextremisten hatte. Jetzt hat sie natürlich Kreide gefressen und steht mit beiden Beinen fest auf Boden der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung. So richtig glaubwürdig wirkt das nicht, aber was sage ich, AfD-Gründer Bernd Lucke war ja bereits Professor für Makroökonomie, und wenn ich es richtig sehe, ist er das wieder.