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Rassismus in der AfDÜberraschende Erkenntnis

Die AfD-Landtagsabgeordnete Claudia Martin verlässt die Partei und die Meuthen-Fraktion. Die Begründung: Die AfD sei zu fremdenfeindlich.

Ist aus der AfD augetteten: Claudia Martin Foto: dpa

Stuttgart taz | Wer hätte es gedacht: Die AfD grenzt sich nicht gegen rechte Positionen ab, sie wird immer populistischer. So begründet die AfD-Abgeordnete Claudia Martin ihr Ausscheiden aus Fraktion und Partei und sorgt damit wieder einmal für Unruhe bei der Südwest-AfD.

Claudia Martin kritisiert auch den Fraktionsvorsitzenden Jörg Meuthen. Der versuche den Mord an der Freiburger Studentin für Parteizwecke zu nutzen. „Das lehne ich ab“, sagt die 46-jährige Erzieherin aus Waldorf. Sie störe sich an flüchtlingsfeindlichen Tönen ihrer Partei.

In der Fraktion gibt es offenbar Pläne, Flüchtlinge nach ethnischer Herkunft zu ghettoisieren und ihre Grundrechte einzuschränken. Diese Pläne, die Medien vorliegen, erinnerten sie an „das Warschauer Ghetto“ und seien „krasser als das, was die NPD früher wollte“, erklärte Martin.

Der Ausstieg der AfD-Abgeordneten, die seit 2013 AfD-Mitglied ist, scheint gut geplant zu sein. So schreibt Martin derzeit an einem Buch über die Erlebnisse in der Partei. Auf ihrer Webseite kann man ein erstes Probekapitel anfordern. Zur Erklärung ihres Ausscheidens hat sie ein professionell produziertes YouTube-Video veröffentlicht. Darin wirft sie der AfD vor: Wer immer rechts blinkt, biegt auch irgendwann ab.“

Nach der wochenlangen Spaltung der Fraktion in Folge des Streits über die antisemitischen Äußerungen des Abgeordneten Wolfgang Gedeon kam die Südwest-AfD zuletzt in die Schlagzeilen, weil offenbar der Abgeordnete Stefan Räpple seinen Kollegen Stefan Herre am Rande einer Landtagssitzung verbal und tätlich angegriffen hatte. Räpple hatte zuvor die Abgeordneten anderer Parteien als „Volksverräter“ beschimpft.

Entgleisungen ohne Folgen

Laut Martin hat die Fraktion zuletzt einem Abgeordneten untersagt, sich aus humanitären Gründen für eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge auszusprechen. Solche Ereignisse haben offenbar auch den Entschluss Martins befördert, Partei und Fraktion zu verlassen.

Sie beklagt, dass Entgleisungen wie die von Räpple keine Folgen hätten. Stattdessen würden die Ereignisse einfach geleugnet. Fraktionschef Jörg Meuthen ist nach der Wiedervereinigung der zerbrochenen Fraktion offenbar weitgehend ohne Einfluss und schaut dem Treiben in seiner Fraktion untätig zu. Das bestätigen auch die Ausführungen von Claudia Martin.

Die AfD-Fraktion war vom Ausstieg ihrer Kollegin überrascht und wehrte sich gegen die Vorwürfe mit persönlichen Diskreditierungen. Martin sei offenbar als Abgeordnete überfordert gewesen, psychologische Unterstützung hätte ihren Schritt möglicherweise verhindert. Zudem forderte Meuthen Martin auf, ihr Mandat zurückgeben, was Martin ablehnt.

Sie will sich keiner anderen Fraktion anschließen, aber weiter als Abgeordnete im Stuttgarter Landtag bleiben. Als Fraktionslose wird sie dort ausgerechnet neben ihrem früheren Parteifreund Wolfgang Gedeon Platz nehmen.

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18 Kommentare

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  • Was mich doch etwas an der Aussage stört, ist, daß kein Unterschied gemacht wird zwischen "nicht mögen" einerseits und "feindlich" andererseits. Am besten zeigt sich das an einem neutralen Beispiel: Sollte ich beispielsweise Käse nicht nur nicht mögen, sondern geradezu verabscheuen, werde ich Käse selbstredend nicht nur nicht kaufen, sondern einen großen Bogen um ihn machen, vieleicht auch mies über ihn reden, wie man das Zeugs nur essen könne usw. Alles klar ? Trotzdem "hasse" ich Käse nicht. Ich bin auch nicht käsophob oder käserassistisch. Ich mag ihn einfach nicht und das ist auch legitim. (An die geistig eher schwachen: Ich vergleiche hier nicht Ausländer mit Käse, sondern verdeutliche eine Argumentation anhand eines neutralen Beispiels.) Es ist durchaus anzunehmen, daß Käsefreunde mich des Antikäsismus bezichtigen würden, sie könnten belegen, daß ich schlecht über Käse gesprochen habe, mich weigere, Geld dafür auszugeben usw. Anhand des Beispiels wird klar, daß es ein Unterschied ist, eine Sache einfach nur nicht zu mögen, was legitim ist. Etwas anderes wäre es, würden Leute den Käse bewußt zerstören, Leute schlagen, die ihn essen usw. Das wäre wirklicher Käserassismus.

    Daß in den vielen Diskussionen aus einem "nicht mögen" dann "Rassismus" gemacht wird, ist wissenschaftlich ungenau. Wer Weißwein bevorzugt, diskriminiert deshalb keine Rotwein. Und wer das nicht kapiert, kapiert´s eben nicht.

    • @Thomas Schöffel:

      "Ich vergleiche hier nicht Ausländer mit Käse, sondern verdeutliche eine Argumentation anhand eines neutralen Beispiels."

       

      Das ist ein völlig unsinniges Beispiel.

      Käse ist etwas, was manche essen. Man mag Käse nicht wegen des Geschmacks, des Geruchs oder aus ethischen Gründen.

      Das ist nachvollziehbar, und wenn man einmal Mozzarella nicht mochte, ist es wahrscheinlich, dass man ihn auch beim zweiten Versuch nicht mag. Es ist ein Produkt.

      Käse hat auch keine Gefühle, die man verletzen könnte; man kann Käse auch keine Angst einjagen oder ihn ungerecht behandeln.

       

      Welche plausiblen Gründe gibt es, eine Menschengruppe "Ausländer" nicht zu mögen?

      Man kann Nazis nicht mögen, aber da beruht die Ablehnung auf einer Einstellung dieser Personen.

       

      Aber Ausländer nicht zu mögen, weil sie Ausländer sind, ist rassistisch.

      Im übrigen ist jeder in einem anderen Land Ausländer. Wer in Deutschland geboren ist und lebt, hatte Glück und muss im Normalfall nicht aus dem Land fliehen.

       

      Man könnte fast denken, dein Kommentar war ironisch gemeint.

      • @risikofaktor:

        Ich habe das Beispiel mit dem Käse gewählt, um nachvollziehbar zu machen, daß es sich bei einem "nicht mögen" hier nicht um ein aktives Gefühl handelt, "gegen" jemanden zu sein, sondern einfach nur "nicht dafür". Können Sie den Unterschied erkennen ? Und es ist mir dabei auch völlig wurscht, ob ich den Käse damit beleidigen würde, wenn er es denn merken könnten. Es gibt ja keine Pflicht, ihn zu mögen. Und falls ich ihn nicht mag, muß ich das auch überhaupt nicht rechtfertigen. Es langt aus, daß ich ihn nicht mag. So wie mir niemand vorschreiben kann Käse, Autos, Mondraketen oder das fliegende Spaghettimonster mögen zu müssen. Wenn Sie nun der Meinung sind, das wäre rassisstisch, habe ich von dem Wort eine andere Defintion.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Thomas Schöffel:

      Stimmt.

      Und außerdem bin ich käsetolerant bis zum Gehtnichtmehr. Hab's gerade bemerkt.

  • "... "zu" fremdenfeindlich."

     

    Was hat die gute Frau Martin denn gedacht? Ein bisschen fremdenfeindlich ist ja ganz ok, aaaber...??? Es gibt nicht "ein bisschen Rassismus".

    • @Lesebrille:

      ... doch gibt es.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Bestimmt in der Mitte unserer Gesellschaft.

        Dort ist er angeblich angekommen. Ist aber schon einige Zeit her, da gab es die AfD noch nicht.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wie hat denn Fraus Martin diese Partei eingeschätzt, als sie ihr beitrat bzw. durch sie ein Landtagsmandat erlangte?

    • @571 (Profil gelöscht):

      Frau Martin hat ein gutes Ding gedreht und dass sollte durch solche sophistischen Fragen nicht niedergemacht werden. Sie klärt damit einiges mehr über die AfD auf als Frau Wagenknecht die sich mit der Petri auf dem Plüschsofa zum politischen Kaffeklatsch kuschelt

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Um ein gutes "Ding zu drehen" braucht kein Mensch die AfD, die Probleme schafft, die ohne sie nicht existierten.

  • Es wäre schön gewesen mehr über die Begründung zu erfahren. Was genau hat Frau Martin zum Austritt gewogen. Das sollte viel mehr thematisiert werden. Sodaß es auch alle erfahren.

     

    Die Ablehnung einer Gesundheitskarte ist nicht besonders nett, aber rechtsradikal nicht unbedingt.

     

    Die sogenannte Getthoisierung wurde schon von vielen vorgebracht, auch von Flüchtlingshelfern, weil anscheinend immerwieder religionsbedingte Übergriffe stattfinden.

     

    Das können m. E. nicht die wahren Gründe sein. Diese zu erfahren wäre im Kampf gegen die AfD von großem Wert!

    • @Nobodys Hero:

      es ist schon ein Wert, daß Frau Martin ausgetreten ist und ihr Mandat nicht der AFD überlässt...,

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @tomas:

        Es ist schon ein Wert, dass diese Partei durch den Austritt etwas strenger beäugt wird.

        • @571 (Profil gelöscht):

          Ja, das stimmt natürlich. Insofern ist es natürlich besser als wenn sie in diesem Hetzerverein geblieben wäre, das sollte man ihr hoch anrechnen. Mein Kommentar richtet sich auch nicht gegen "das verlorene Schäfchen" sondern eher gegen die Redaktion, daß man hätte besser recherchieren müssen und die Hintergründe hätte näher beleuchten können, sodaß vielleicht dem ein oder anderen AfD-Wähler die Augen geöffnet hätte.

  • An welchen rechtsextremen Positionen sich die Martin stört, wird nicht recht klar. Die Ablehnung einer Gesundheitskarte für noch nicht anerkannte Flüchtlinge ist jedenfalls keine rechtsextreme, nicht mal eine rechte Position.

    • @TazTiz:

      Nun, wenn Ihnen das "nicht recht klar" wird, ist das Ihre Sache. Dem Rest der Leser dürfte spätestens nach Lesen der Passsage über die von der AfD geplanten Ghettos klar sein, dass die AfD die NPD inzwischen rechts überholt hat.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    "Die AfD grenzt sich nicht gegen rechte Positionen ab, sie wird immer populistischer."

     

    Natürlich grenzt sich die AfD nicht gegen rechte Positionen ab, sie ist ja eine rechte Partei. Was der Autor meint ist vermutlich rechtsextrem.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Das sind die Worte der Abgeordneten, nicht die des Autors.

       

      Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.