Rassismus in Deutschland: Kulturvielfalt statt Leitkultur

Integration braucht eine aufnahmewillige Gesellschaft. Und gleiche Regeln für alle heißt nicht im Gleichschritt denken.

Zwei junge Mädchen beim Sportunterricht an der Sprochenwand, eins mit Kopfbedeckung, eins ohne

Gemeinsam Sport treiben macht mehr Spaß als allein, mit oder ohne Kopfbedeckung Foto: imago/imageBROKER/Siegfried Kuttig

Wir leben im Jahr 2020: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten, junge Männer müssen nicht mehr zur Bundeswehr und wir haben den Schritt hin zum selbstbestimmten Sterben geschafft. Deutschland ist ein liberales Land. Wirklich? Nicht ganz, denn beim Thema Integration sind wir im Jahr 1980 stehengeblieben. Seit damals drehen wir immer wieder dieselben Argumentationsschleifen, ohne dass wir auch nur einen Schritt weiterkommen.

Inzwischen leben rund 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund bei uns, rund 50 Prozent mit deutschem Pass. Die meisten sind integriert, aber akzeptiert fühlen sie sich nicht. Das liegt auch an der Politik, die immer wieder die Leitkultur- und Integrationsdebatte anheizt. Dabei ist Artikel 2, Abs.1 Grundgesetz eindeutig: „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Integration heißt eben nicht, dass man im Gleichschritt leben oder denken muss, sondern stellt die Frage: „Nach welchen gemeinsamen Regeln wollen wir leben?“ Im Gegensatz dazu betont die Leitkultur die zwischenmenschlichen Unterschiede und fragt: „Wer gehört dazu, wer ist fremd?“ Die Debatte negiert schon in der Ausgangsfrage eine Integration, weil der „Fremde“ immer auch dann fremd bleibt, wenn er sich an die Regeln hält. Nach über 40 Jahren sollte klar sein. Erstens: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Zweitens:

Zur Integration gehört auch eine aufnahmebereite Gesellschaft. Drittens: Gemeinsame Regeln, die respektiert und durchgesetzt werden. Eine Leitkultur kann die Rechtsordnung nicht ersetzen. Kultur ändert sich schnell und stetig und ist kein solider Maßstab des Zusammenlebens. Als Liberaler und als Deutscher mit ausländischen Wurzeln ist mir wichtig: In unsere Gesellschaft soll sich jeder mit seinen Unterschieden einbringen – mit gleichen Rechten und Pflichten.

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