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Rassismus gegen Hertha-SpielerZum Ausrasten

Beim Fußballspiel gegen Schalke 04 wird Hertha-Spieler Jordan Torunarigha rassistisch beleidigt. Weil er wütend reagiert, kassiert er eine rote Karte.

Hertha-Spieler Jordan Torunarigha mit Trainer Jürgen Klinsmann nach dem Platzverweis am Dienstag Foto: Laci Perenyi/imago

In der 100. Minute des Pokal-Achtelfinales sieht Jordan Torunarigha Gelb-Rot. Für den Abwehrspieler von Hertha BSC ist das der Tiefpunkt eines Pokalspiels, vielleicht seiner Profikarriere, den er so schnell nicht vergessen wird.

Vom Platz verwiesen wurde er, weil er in einem Wutanfall eine Kiste mit Trinkflaschen auf den Boden knallte. Zuvor hatte ihn der Schalker Omar Mascarell gefoult und Torunarigha war im Fall mit Schalke-Trainer David Wagner zusammengestoßen. Es ist nicht selten, dass Fußballspieler nach solch einem physischen Intermezzo die Nerven verlieren. Vor allem wenn gerade die Verlängerung gespielt wird, bei einem Spielstand von 2:2.

Dabei war es sicher nicht das Foul, das ihn zum Ausrasten brachte. Nach dem Spiel berichteten Hertha-Trainer Jürgen Klinsmann und Teamkollege Niklas Stark, dass Torunarigha zuvor von Schalke-Fans rassistisch beleidigt worden sei. Von Affenlauten ist die Rede. Klinsmann und Stark verurteilten die rassistischen Rufe. Schalke-Trainer Wagner sagte nach dem Spiel, er habe die Rufe zwar nicht gehört, entschuldige sich dafür aber im Namen seines Vereins. Am Tag nach dem Spiel twitterte der offizielle Account von Hertha BSC: „Wir stehen hinter dir, Jordan! #NoToRacism.“ Mittlerweile hat auch der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes Ermittlungen wegen des Vorfalls eingeleitet.

Dass nun ausgerechnet Schalke-Fans rassistisch auffallen, überrascht nicht. War es nicht ihr Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies, der vergangenes Jahr mit rassistischen Aussagen über Afrikaner empört hatte? Und der mit dem Segen des Ehrenrats von Schalke 04 („Vorwurf des Rassismus unbegründet“) und der Ethikkommission des DFB („rassistische Aussagen, aber kein Rassist“) nach drei Monaten Pause zu seinem Posten zurückkehrte? Welche Schlüsse rassistische Schalke-Fans aus diesem nachlässigen Umgang mit Tönnies ziehen, liegt auf der Hand: Rassismus wird nicht sanktioniert.

Hertha macht's vor

Klar, nicht alle Schalke-Fans sind rassistisch. Und Rassismus im Fußball beschränkt sich schon gar nicht nur auf Schalke. In europäischen Stadien kommt es immer wieder zu rassistischen Beleidigungen, Spieler werden mit Affenlauten adressiert, Bananen werden geworfen.

Es gab auch schon ganz andere wütende Reaktionen auf rassistische Sprüche der Fans

Ultra-Gruppen positionieren sich aktiv politisch gegen solche Diskriminierungen, zum Glück. Sie widersprechen der Illusion, beim Fußball gehe es nicht um Politik – sondern um den Spaß am Sport. Nur: Alleine werden die engagierten Fans den Rassismus nicht aus den Stadien verbannen. Auch Vereine und Verbände müssen aktiv werden. Im Fall von Torunarigha machen Trainer und Verein aktuell richtig vor, was der DFB und sein Bundestrainer im Fall von Mesut Özil falsch gemacht haben: Klinsmann und Hertha BSC stellen sich in aller Deutlichkeit hinter ihren Spieler. Und sie nennen das Problem beim Namen: Rassismus.

Zu klären bleibt noch die Reaktion von Schiedsrichter Harm Osmers. Sollte er über die rassistischen Beleidigungen beim Spiel am Dienstagabend informiert worden sein, wie es Trainer Klinsmann und Hertha-Spieler Stark sagen, hätte er anders reagieren müssen. Seit 2017 gibt es die „Three-Step Procedure“ des Weltfußballverbands Fifa.

Demnach soll ein Schiedsrichter bei rassistischen Rufen das Spiel unterbrechen und eine Stadiondurchsage veranlassen. Wenn sich rassistische Rufe wiederholen, soll er die Teams vom Platz nehmen und eine weitere Durchsage verordnen. Nach dem dritten Mal soll er das Spiel abbrechen.

Kungfukick ist auch eine Variante

Nichts davon hat Osmers im Fall von Torunarigha veranlasst. Stattdessen reagierte er maßlos übertrieben, strafte den Spieler mit einem Platzverweis. Damit hat der Schiedsrichter mindestens Empathielosigkeit bewiesen. Denn dass Torunarigha angesichts der Beleidigungen die Nerven verloren hat, ist nur nachvollziehbar.

Dabei reagierten Fußballspieler schon sehr viel wütender auf rassistische Sprüche von Fans, Torunarigha wirkt da im Vergleich fast schon gefasst. Am 25. Januar 1995, ziemlich genau vor 25 Jahren, flog der Franzose Eric Cantona von Manchester United beim Auswärtsspiel gegen Crystal Palace über die Werbebande und kickte einen Fan. Zuvor war Cantona des Platzes verwiesen – und nach der roten Karte von jenem Fan rassistisch beleidigt worden. Dafür erhielt Cantona eine Spielsperre von einem halben Jahr. Sein Kungfu­kick wurde zum antirassistischen Stickermotiv.

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9 Kommentare

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  • "Dass nun ausgerechnet Schalke-Fans rassistisch auffallen, überrascht nicht. War es nicht ihr Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies, der vergangenes Jahr mit rassistischen Aussagen über Afrikaner empört hatte?"

    Das sehe ich nicht so, diesen Doppelpass, mit Tönnies Aussagen Erklärungen für Verhalten von Zuschauern zu liefern, ist arg konstruiert.

    Max Dinkelaker hat das meiner Meinung nach in 11 Freunde gut auf den Punkt gebracht.

    "Tön­nies Aus­sagen haben sicher nicht dabei geholfen, Ras­sisten und Rechten den Gang ins Sta­dion zu ver­miesen. Aber zu behaupten, erst die Belei­di­gungen des Chefs hätten Ras­sisten den Weg in den Fan­block bereitet, ist rela­ti­vie­render Blöd­sinn. Denn das, was ges­tern mut­maß­lich pas­siert ist, also Affen­laute in Rich­tung eines Fuß­bal­lers, hat mit Schalke selber herz­lich wenig zu tun. Es hätte genauso gut in Ham­burg, in Münster oder in Berlin pas­sieren können, in Dresden oder in Ros­tock. Eben überall in einem Land, in dem eine rechts­ra­di­kale Partei in Sonn­tags­fragen mitt­ler­weile auf knapp 15 Pro­zent der Wäh­ler­stimmen kommt. Überall in einem Land, in dem Leute keine Scham mehr dabei ver­spüren, sich in öffent­li­chen Räumen als rechts zu outen. Auf Demos etwa. Oder in Fuß­ball­sta­dien. Auch wenn nach wie vor viele das Gegen­teil behaupten: Men­schen geben Ihre Über­zeu­gungen nicht am Sta­di­on­ein­gang ab wie einen Ruck­sack. Fuß­ball ist ein Abbild der Gesell­schaft. Fuß­ball ist poli­tisch. Ob wir das wollen oder nicht."

    11freunde.de/artik...in-problem/1391166

  • Liebe TAZ, in Gelsenkirchen wurde bereits im Jahre 1992 die Schalker Fan-Initiative gegen Rassismus und Diskriminierung gegründet. Sie war damit Vorreiter der Bewegung und wurde im Laufe der letzten Jahre für die ausschließlich ehrenamtliche Tätigkeit mehrmals ausgezeichnet. Schalker sind sehr sensibilisiert gegenüber dem Thema Rassismus und gerade aus diesem Grund wurden und werden die Aussagen von CT auch besonders kritisch gesehen. Daher teile ich die Meinung absolut nicht, dass man sich hier ein „schlechtes Vorbild“ zu Nutzen macht. Es ist auch mitnichten so, dass Schalke Fans regelmäßig durch Rassismus auffallen. Wenn es allerdings tatsächlich an diesem Dienstagabend solchen Schwachsinn gegenüber dem Hertha Spieler gegeben hat, ist es aufs Schärfste zu verurteilen. Gleichwohl - der Generalverdacht gegenüber den Schalker Fans ist in dieser Richtung nicht nur unbegründet, sondern schlichtweg falsch! Hier hätte man sich etwas mehr Recherche gewünscht und auch eine gewisse Differenzierung!



    Glückauf!

    • @Willi67:

      Hier geht es nicht um einen Generalverdacht sondern um einen Vorfall der in deutschen Stadien seit einiger Zeit wieder normal geworden ist. Ob der Schiri als "Jude" bezeichnet wird, dunkelhäutige Spieler beleidigt werden, Vorfälle dieser Art häufen sich wieder. Vielleicht hift es mal die Vereinsbrille abzunehmen. #hahohe

      • @Blauesgehirn:

        Das hat mit der "Vereinsbrille" relativ wenig zu tun. Auch ich als "Nicht-Schalker" hätte mir etwas mehr Differenziertheit bzw. etwas weniger Konstruktion gewünscht. Die Aussage "Dass nun ausgerechnet Schalke-Fans rassistisch auffallen, überrascht nicht" suggeriert, dass gerade die Schalker Fanszene anfällig für das zum Ausdruck gebrachte Gedankengut sei, was, wie von einigen Kommentatoren bereits erläutert, definitiv nicht der Fall ist. Die Schalker Fans positionieren sich seit Jahren deutlich gegen Rassismus. Da gibt es einige Fanszenen (bspw. beim Dortmunder Nachbarn, Stichwort SS-Siggi, oder bei diversen Ostklubs, Stichwort Chemnitz) bei denen dieses Verhalten in der Tat nicht überraschen würde. Hier stellt der Autor jedoch Zusammenhänge her, wo keine sind...

  • Schalke sperren, ganz einfach. Man könnte Minuspunkte sammeln, damit das nicht gleich eskaliert.

    Wenn die Fans Scheisse bauen, darf der Verein genau die Strafe bekommen, die auch ein Spieler bekommt, wenn er die Regeln massiv verletzt.

    • @Mitch Miller:

      Und wenn ich eine Demo gegen die AfD anmelde bzw. durchführe und ein Demonstrant kommt auf die Idee, Steine zu schmeißen, dann soll ich auch "genau die Strafe bekommen"? Ist schon klar...

      Wissen sie, wie schwer es ist, ein Stadionverbot rechtssicher zu erreichen? Dazu benötigt es schon einer Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft - und die möchte gerne Namen und ladungsfähige Adresse des Täters haben.

  • Ich stimme nicht zu, dass die Schalker Fans gelernt hätten, dass rassistische Aussagen keine Konsequenzen hätten. Bei aller Kritik an Tönnies: Die umfassende öffentliche Kritik an ihm und sein erzwungenes dreimonatiges Verschwinden ist nicht NICHTS. Wenn ich mir manche unsanktionierten Äußerungen von AfD Politikern dagegen anhöre ... ! Wenn man sich das Video zu Torunarighas gelber Karte (mehr war es ja nicht ... sie hatte dann gelbrot zur Folge) anschaut, erkennt man, dass es bei seinem Ausbruch mit Sicherheit nicht nur um zuvor erfolgte rassistische Schmähungen ging. Und selbst wenn: Auch das ist kein Freibrief.

  • Cantona wurde nicht nur rassistisch beleidigt, er wurde auch bespuckt und der Fan zeigte den Hitlergruß.

    Kick it like Cantona:

    www.youtube.com/watch?v=wwZuXuH-NwA

    • @Jim Hawkins:

      Cantona war nicht nur als Fussballer ne ehrliche Haut. Integer, der Mann