Rassismus gegen Afrikaner in China: Virenjagd wird Menschenjagd
„Keine Schwarzen“ bei McDonald’s, Rauswurf aus der Wohnung: Rassismus im südchinesischen Guangzhou sorgt für Empörung.
Auf Twitter posten afrikanischstämmige Einwohner der 11-Millionen-Einwohner-Metropole über horrende Erfahrungen: Ein Mann mit einem Neugeborenen wird vom Nachbarschaftskomitee in seiner Wohnung eingesperrt, eine Frau aus ihrer Wohnung geworfen, eine Gruppe von jungen Männern ohne Begründung zum Coronavirus-Test gezwungen.
Wie Recherchen von CNN belegen, wird die dunkelhäutige Bevölkerung Guangzhous systematisch malträtiert und Opfer von Fremdenhass.
Das US-Konsulat in Guangzhou hat eine Warnung herausgegeben, Afroamerikaner sollten die Stadt vorübergehend meiden. Es hätten sich Vorfälle gehäuft, dass Leute, die „vom Äußeren nach eine afrikanische Herkunft“ hätten, nachts aus ihrem Hotel geschmissen wurden, ihre Reisepässe konfisziert wurden und sie in Selbstquarantäne geschickt wurden.
Chinas Regierung reagierte auf die Vorwürfe, wie so oft, mit vollständiger Zurückweisung: „Wir haben keine Diskriminierung in China gegen afrikanische Brüder“, sagte Zhao Lijian, Sprecher des Außenministeriums in Peking, bei der allmorgendlichen Pressekonferenz. Ausländer jeglicher Herkunft würden in China gleichbehandelt. Die Warnbotschaft des US-Konsulats sei der zum Scheitern verurteilte Versuch, „einen Keil zwischen China und Afrika zu treiben“.
„Holen wir unsere Brüder und Schwestern nach Hause“
Doch in zahlreichen afrikanischen Ländern gibt es einen Aufschrei in den sozialen Medien. „So, sollen wir Afrikaner uns genauso verhalten?“, fragt der ugandische Journalist und Kommentator John Njoroge auf Facebook und antwortet gleich selbst: „Nein, wir sollten nicht“ – aber Afrikas Regierungen und politischen Elite sollten „ihre Beziehungen mit der chinesischen Regierung überdenken“ sowie gemeinsam Flugzeuge losschicken, „um unsere Brüder und Schwestern nach Hause zu holen“.
Schon zu Beginn des Jahres, als das Coronavirus sich in China ausbreitete, debattierten viele afrikanische Regierungen, ob sie ihre Studenten aus China per Flugzeug nach Hause holen sollten. Südafrika und Äthiopien entschieden sich dafür, Uganda dagegen.
Das war nicht nur eine Frage der Kosten, sondern auch eine Sicherheitsfrage: Ugandas Präsident Yoweri Museveni erklärte, die Ugander wären in China „sicherer“ als zu Hause, wo sie die ugandische Bevölkerung gefährden könnten, falls sie Virusträger seien.
Stattdessen schickten damals einige Staaten wie Kamerun und Uganda Geld nach China. Mitte Februar überwies Uganda rund 60.000 Dollar über die ugandische Botschaft in Peking an die rund hundert ugandischen Studenten in Wuhan. Doch eine Woche später berichtete die Uganderin Margaret Ntale Namusisi’s, deren drei Töchter in Wuhan zu diesem Zeitpunkt in einer Wohnung ohne Lebensmittel hockten, sie hätten kein Geld erhalten.
Jetzt zeigt sich: Die afrikanischen Studenten sind in China nicht sicher. Und erstmals reagieren jetzt auch afrikanische Regierungen mit harschen Worten. In einem gemeinsamen Brief vieler afrikanischer Botschafter in Peking an Wang Yi, den Top-Diplomaten der chinesischen Regierung, klagen sie über „Stigmatisierung und Diskriminierung“. Es werde der falsche Eindruck erweckt, dass das Virus von Afrikanern verbreitet werde.
„Die Gruppe der afrikanischen Botschafter in Peking fordert sofort die Einstellung von Tests, Quarantäne und anderen unmenschlichen Behandlungen“, heißt es in dem Brief.
Ugandas Außenminister Sam Kutesa bestellte am Samstag den chinesischen Botschafter in Uganda, Zheng Zhuquiang, ein, um sich über die „Belästigungen und Misshandlungen“ zu beschweren, wie das Außenministerium in Kampala erklärte. Der Botschafter habe dem Minister versichert, seine Regierung werde sich dessen annehmen. Kenia, Nigeria, Ghana und Südafrika reagierten ähnlich. Selbst die Afrikanische Union protestierte offiziell.
Seit Wochen hebt die chinesische Regierung den scheinbar gewonnenen Kampf gegen das Virus hervor, während die Bedrohung nun von „importierten Fällen“ aus dem Ausland stamme. Verschwiegen wird jedoch in den Staatsmedien stets, dass es sich bei jenen eingereisten Infizierten bis zu 90 Prozent um chinesische Staatsbürger handelte. Mittlerweile dürfen Ausländer ohnehin nur in einigen Ausnahmefällen, darunter Diplomaten, ins Land.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren