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Rassismus-Vorwurf gegen PastorAntiziganismus in der Kirche?

Die Staatsanwaltschaft Hamburg stellt Ermittlungen gegen einen Pastor ein. Ihm war vorgeworfen worden, sich rassistisch gegen Sinti und Roma geäußert zu haben.

Der Sinti-Verein ist entsetzt: Demonstration gegen die Wiedereinsetzung des Pastors vor der Tür der Kirche Anfang Februar Foto: Sinti-Verein Hamburg

Hamburg taz | An diesem Fall ist nichts einfach. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat Ermittlungen wegen Volksverhetzung und Beleidigung gegen den Pastor einer evangelischen Kirche in Hamburg-Osdorf eingestellt – jedenfalls vorläufig, doch eine Beschwerde könnte den Fall wieder öffnen.

Dem Pastor war vorgeworfen worden, sich in mehreren Fällen rassistisch gegenüber Sinti und Roma geäußert zu haben. Teils sollen Äußerungen direkt gegenüber Mitgliedern des Sinti-Vereins Hamburg gefallen sein, der Räumlichkeiten der Kirche nutzt.

Zwischenzeitlich war er deswegen vom Dienst suspendiert, durfte aber seit Anfang des Jahres wieder arbeiten. Dagegen hatte der Sinti-Verein Hamburg Anfang Februar vor der Kirchentür demonstriert.

Konkret war dem Pastor vorgeworfen worden, in einem Gespräch das rassistische Z-Wort verwendet zu haben und die Kultur von Roma und Sinti als rückständig beschrieben zu haben. Der Pastor bestreitet den Vorwurf des Rassismus.

Pastor spricht von Verleumdung

Zudem bestreitet er, den Großteil dessen, das ihm vorgeworfen wird, überhaupt gesagt zu haben. In vielen Punkten steht Aussage gegen Aussage. Dem Hamburger Abendblatt gegenüber sprach der Pastor von einer Verleumdung eines engen Personenkreises gegen ihn.

Christian Rosenberg, der Vorsitzende des Sinti-Vereins, klingt fassungslos, wenn er über den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft spricht. „Ich bin vom deutschen Rechtsstaat schwer enttäuscht“, sagt er der taz. Er wirft der Staatsanwaltschaft vor, nicht ausreichend ermittelt und wichtige Zeugenaussagen nicht berücksichtigt zu haben.

Auch für viele Mitglieder des Vereins sei die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehbar, sagt Rosenberg. „Wenn so etwas in dieser Gesellschaft nicht bestraft wird, geht ein Licht aus in Deutschland“, sagt er. Sein Anwalt habe gegen die Einstellung Beschwerde eingereicht.

Warum die Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen eingestellt hat, ist gar nicht so einfach zu verstehen. Der Fall sei ganz schön komplex, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg der taz. Zu den Ermittlungen war es gekommen, weil sowohl der Sinti-Verein als auch die Nordkirche Strafanzeige gegen den Pastor erstattet hatten.

Vorwürfe teilweise verjährt

Dabei ging es um die Vorwürfe der Beleidigung und der Volksverhetzung bei mehreren verschiedenen Vorfällen, die sich zwischen Sommer 2018 und Sommer 2022 ereignet haben sollen. Die Staatsanwaltschaft habe sich in einigen der Fälle für eine Einstellung entschieden, weil mögliche Straftaten mittlerweile verjährt sind.

Bei Beleidigung ist das nach drei, bei Volksverhetzung nach fünf Jahren der Fall. „Dann prüfen wir häufig gar nicht mehr die Tat an sich“, sagt die Sprecherin. Einige weitere Vorwürfe seien aus Mangel an Beweisen eingestellt worden.

In einem Fall hat die Staatsanwaltschaft entschieden, dass der Straftatbestand der Volksverhetzung nicht gegeben ist. Dabei ging es darum, dass der Pastor von der Kultur der Sinti und Roma als „Steinzeitkultur“ (was er bestreitet) und eines „mittelalterlichen Dorfes“ (was er nicht bestreitet, aber der Kontext ist strittig) gesprochen haben soll.

Das Motiv „Steinzeit“ im Rassismus gegen Sinti und Roma

Die Erzählung der „Steinzeitkultur“ ist fest im antiziganistischem Rassismus verankert. Hermann Arnold schrieb 1975: „Kulturell“ verhielten „Zigeuner“ sich „wie Menschen der Altsteinzeit“. Arnold vertrat auch die rassistische Vorstellung, es gebe rückständige „Völker“, deren Gene sich in der „Steinzeit“ verändert hätten.

Hermann Arnold (1912–2005) galt bis in die 1980er-Jahre als „Z-Experte“ der BRD. Er forschte ab den 1950er-Jahren zu Sinti und Roma und bezog sich dabei auf NS-Rassentheoretiker wie Robert Ritters. Erst ab den 1980ern wurde Arnolds Arbeit als rassistisch kritisiert.

Laut Christian Rosenberg gebe es für diese Aussagen Zeugen. Für die Staatsanwaltschaft spielt das aber keine Rolle, weil sie eben ohnehin keine strafbare Volksverhetzung erkennen konnte.

Guillermo Ruiz von der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus überrascht die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht. Ruiz fühlt sich an eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts München erinnert, die das NPD-Plakat mit der Aufschrift „Kein Geld für Oma, aber für Sinti und Roma“ 2019 nicht als strafbare Volksverhetzung einstufte.

„Es gibt keinen einheitlichen Begriff von Rassismus oder Antiziganismus. Viele Rich­te­r:in­nen und Staats­an­wäl­t:in­nen stufen oft Straftaten nicht als rassistisch oder anti­ziganistisch ein, obwohl diese es sind“, sagt er. Die Meldestelle vermute daher, dass die Dunkelziffer anti­ziganistischer Straftaten hoch ist.

Im Fall des beschuldigten Pastors aus Hamburg-Osdorf ist die Ermittlungsbehörde nach der Beschwerde des Sinti-Vereins verpflichtet zu prüfen, ob sie die Ermittlungen doch noch einmal aufnimmt. Andernfalls wird die Generalstaatsanwaltschaft über die Beschwerde entscheiden.

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3 Kommentare

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  • Man sollte Worte von Pastoren nicht auf die Goldwaage legen. Die sagen mit kleinen Ausnahmen ja doch nur, was die Leute hören wollen. Auch auf ihre Art Populisten eben ...

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

  • Die Sinti Allianz Deutschland, zwar nur ein etwas kleinerer Verband ist der Meinung, dass es eine Ächtung oder eine Zensur des Begriffes Zigeuner nicht geben sollte. Quelle Wikipedia Artikel zu Zigeuner