Rassismus-Vorwürfe gegen Senatorin: Enttäuscht und irritiert

Mi­gran­t*in­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen werfen Berlins Schulsenatorin Busse (SPD) Diskriminierung vor. Sie distanziere sich nicht von früheren Äußerungen.

Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) steht in der Kritik Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

BERLIN taz | Die Diskussion um Rassismus-Vorwürfe gegen Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) mag nicht verstummen. In einer gemeinsamen Stellungnahme werfen nun Mi­gran­t*in­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen und Flüchtlingsinitiativen Busse vor, sich nicht deutlich von umstrittenen Äußerungen zu distanzieren, die sie noch als ehemalige Schulleiterin einer Neuköllner Grundschule gemacht hatte.

Man sei „enttäuscht“, heißt es in dem Schreiben, das unter anderem vom Türkischen Bund in Berlin Brandenburg, dem Türkischen Elternverein und der People of Color Pädagog*in­nen in der Gewerkschaft GEW unternzeichnet wurde und der taz vorliegt. Man wünsche sich „für unsere Kinder eine Bildungssenatorin, welche alle Schü­le­r*in­nen und Familien als Ber­li­ne­r*in­nen akzeptiert, vorurteilsbewusst ist, die Vielfalt als Bereicherung sieht und entschieden gegen Diskriminierung und Rassismus vorgeht.“

Hintergrund für die anhaltende Empörung sind schon eine Weile zurück liegende Äußerungen Busses. In einem Zeitungsinterview hatte Busse, damals noch Schulleiterin einer Neuköllner Grundschule, auf die fast ausschließlich Kinder mit Migrationshintergrund gehen, den seitdem viel zitierten Satz gesagt: „Wir sind arabisiert.“

Sie sprach von Familien, in denen kein Deutsch gesprochen werde und die auch in der dritten Generation nicht integriert seien: „Man holt sich immer noch den Ehepartner aus dem früheren Heimatland. Wieder ein Elternteil, das kein Deutsch kann.“ Busse hatte sich kürzlich von ihrer damaligen Wortwahl distanziert, nicht aber vom Inhalt ihrer Äußerungen.

Diese Sätze, eigentlich lange und vor ihrem Amtsantritt als Senatorin im Dezember bekannt, fallen Busse nun auf die Füße – zum einen, weil der umstrittene, für seine rechtspopulistischen Thesen bekannte Berliner Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin sie in seinem neuesten Buch zitiert. Zum anderen, weil die Senatorin ohnehin geschwächt ist: Fachlich konnte sie nicht überzeugen; erst vergangene Woche überstand sie im Parlament einen Missbilligungsantrag der CDU gegen ihre Amtsführung.

Kaum verhohlene Rücktrittsforderung

Die Angriffe nehmen also an Schärfe zu. Die Stellungnahme der Mi­gran­t*in­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen liest sich wie eine kaum verhohlene Rücktrittsforderung: Man wünsche sich eine „Senatorin, welche die Schule als Begegnungsort des Kiezes sieht und nicht als Festung oder gar ‚Front‘ in der Werte gegen die Gefahr einer ‚Arabisierung‘ verteidigt werden“, heißt es. Im Prinzip wünscht man sich also jemand anderes als diese Senatorin.

Busse hatte sich kürzlich von ihrer damaligen Wortwahl distanziert, nicht aber vom Inhalt ihrer Äußerungen.

Es dürfte allerdings erstmal bei dem Wunsch bleiben. Busse genießt die Rückendeckung der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Busse war vor allem Giffeys Wahl – jüngst im Senat stellte sich Giffey denn auch schützend vor sie. Schließlich hat Giffey auch ihre eigene Personalentscheidung zu verteidigen.

Doch solange die Senatorin nicht aus der Defenisve kommt, dürfte auch die Rassismus-Debatte nicht verstummen. Und in der Defenisve ist Busse in vielen Punkten: Von ihrer Vorgängerin im Amt hat sie eine Mangelwirtschaft vererbt bekommen. Es mangelt an Lehrkräften, es mangelt an Schulplätzen. Busse bezifferte die Lücke bei den Päd­ago­g*in­nen im kommenden Schuljahr jüngst auf 1.000 – ein Rekord.

Die Situation verschärft sich außerdem durch den Ukrainekrieg: Im Bildungsausschuss am Donnerstag sprach Busse von rund 5.600 ukrainischen Kindern, die nach den Sommerferien noch einen Schulplatz benötigten – in etwa genauso viele, wie bereits in Willkomens- und Regelklassen untergebracht wurden. Oft nur mit Mühe und Not, weil die Schulen schon längst übervoll sind.

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