Missbilligung von Schulsenatorin: Koalition steht hinter Busse

Missbilligungsantrag der CDU gegen Bildungssenatorin Busse (SPD) scheitert im Parlament. Weniger Unterricht für Busse keine Option gegen Lehrermangel.

Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) am 9. Juni im Berliner Abgeordnetenhaus

BERLIN taz | In der Diskussion um knapp 1.000 fehlende Lehrkräfte zum kommenden Schuljahr bleibt Bildungsenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) hart: Eine Reduzierung der Unterrichtsstunden an den Schulen kommt für sie nicht in Frage. Die Senatorin werde sich weiterhin „auf die Sicherung der Stundentafel fokussieren“, sagte ihr Sprecher am Donnerstag auf taz-Anfrage. Das sei Busse „sehr wichtig“.

Die Senatorin kontert damit eine aufkommende Debatte, wie man dem sich weiter verschärfenden Lehrkräftemangel begegnen könnte. Busse selbst will nämlich lieber bei den Förder- und Profilstunden der Schulen sparen.

Doch viele Ex­per­t*in­nen widersprechen dieser Idee inzwischen. Die Gewerkschaft GEW fordert ein Umdenken bei Leistungsanforderungen und Lerninhalten. Auch über Kürzungen bei regulären Unterrichtsstunden müsse man „nachdenken“, statt pauschal bei den Förderstunden zu kürzen. Allerdings: „Wenn es weniger Unterricht gibt, können am Ende nicht dieselben Leistungen abgefragt werden“, sagte der Berliner Landesvorsitzende Tom Erdmann.

Im Kern geht es um die Frage: Wie macht man aus einem Zuwenig an Lehrkräften trotzdem sinnvoll Schule? Durch die Aufrechterhaltung des Stundenplans um jeden Preis jedenfalls nicht, hatte auch der Neuköllner Linken-Politiker Philipp Dehne in einem Meinungsbetrag in der taz geschrieben. Er plädiert für weniger, aber dafür personell gesicherte Pflichtstunden – anstatt beim Förderunterricht zu kürzen. Schließlich bringe es ja nichts, wenn ein Kind zwar Mathe hat, aber nichts versteht.

Auch in der rot-grün-roten Koalition äußern sich die bildungspolitischen Spre­che­r*in­nen inzwischen offen für ein Antasten des Pflichtunterrichts: Das dürfe keine „heilige Kuh“ sein, hatte etwa die Linken-Abgeordente Franziska Brychy dem Tagesspiegel gesagt. In der AG Bildung der SPD findet die Idee nach taz-Informationen ebenfalls Anklang.

Auch Sport ist wichtig

Der Landeselternausschuss hingegen äußerte sich auf Anfrage am Donnerstag eher verhalten. „Kürzungen bei Mathe und Deutsch sind sicher ein No Go, da braucht es eher ein Plus als ein Minus“, sagte Landeselternsprecher Norman Heise. Aber auch Sportunterricht sei gerade nach der Pandemie wichtig, so Heise, „und so lassen sich wohl für jedes Fach gute Argumente finden“.

Aus Heises Sicht ist der Ansatz der Bildungsverwaltung gar nicht so schlecht: „Die Schulen sind in ihrer Eigenverantwortung gefragt, und ich bin sicher, sie werden zu Ergebnissen kommen.“ Auch, dass unterdurchschnittlich ausgestattete Schulen in schwierigen Kiezen bei Einstellungsrunden in Zukunft bevorzugt werden sollen sei nicht verkehrt.

Ein bisschen Zuspruch kann die Senatorin derzeit gut gebrauchen. Für Busse sind es schwierige Wochen. Nicht nur die Leh­re­r*in­nen fehlen, auch die Schulplätze: Hunderte Sechst­kläss­le­r*in­nen konnte in den zu Wochenbeginn verschickten Bescheiden für die weiterführende Schule nach den Sommerferien noch keine konkrete Schule genannt werden – weil es schlicht keine Schulplätze mehr gibt. Ein Novum.

Auch Diskriminierungsvorwürfe gegen Busse reißen nicht ab. Als langjährige Schulleiterin einer Neuköllner Brennpunktschule hatte sie sich in der Vergangenheit kritisch über zugewanderte Familien geäußert („Wir sind arabisiert“). Busse hat ihre Formulierungen von damals inzwischen bedauert, sich aber nicht klar inhaltlich distanziert.

„Unserer Meinung [nach] hat sie starke Vorurteile gegenüber der arabischen Community. Es wurde von ihr oft abschätzig von den arabischen Eltern und Kindern gesprochen“, twitterte Gökhan Akgün, Personalrat der GEW in Friedrichshain-Kreuzberg und gut vernetzt in der migrantischen Community am Mittwoch. Das sei die Einschätzung, die ihn wiederholt von den Eltern und auch aus dem Kollegium von Busses ehemaliger Schule erreichten, sagte er der taz.

Am Donnerstag forderte die CDU schließlich das Parlament auf, die Amtsführung der Senatorin offiziell zu missbilligen. Busse habe „bei den Herausforderungen der Schulpolitik völlig versagt“, hieß es in der Beschlussempfehlung. „Was Ihnen fehlt ist Verantwortungsbewusstsein, Engagement und eine Vision“, legte Katharina Günther Wünsch, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion nach.

Wie erwartet wollte die Koalition ihre Schulsenatorin aber so schnell und noch früh in der Legislatur nicht in Frage gestellt sehen: Torsten Schneider (SPD) lobte seine Parteigenossin als „Frau, die sich reinhängt“ – schließlich sei es ihr nicht vorzuwerfen, dass sie den Leh­rer*­in­nen­man­gel klar benenne. Selbst für die die oppositionelle FDP, die sich enthielt, sagte ihr bildungspolitischer Sprecher Paul Fresdorf in Richtung CDU: „Sie haben das scharfe Schwert der Missbilligung viel zu früh gezogen.“

Der Missbilligungsantrag wird am Ende mit den Stimmen der Koalition abgelehnt. Busse selbst hörte der Debatte zu, ohne das Wort zu ergreifen.

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