Ranking von Reporter ohne Grenzen: Österreichs freie Presse in Gefahr
In der neuen Pressefreiheits-Rangliste von Reporter ohne Grenzen stürzt Österreich ab auf auf Platz 31. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Um die Pressefreiheit in Österreich steht es „zufriedenstellend“. Im am Dienstag veröffentlichten Ranking der Organisation Reporter ohne Grenzen ist Österreich seit dem letzten Jahr um vierzehn Plätze abgerutscht. Auf Platz 31 rangiert die Alpenrepublik damit zwischen den karibischen Eilanden Trinidad & Tobago (25) und der westafrikanischen Elfenbeinküste (37). In der EU liegen nur Slowenien (54), Italien (58) und Ungarn (85) noch schlechter.
„Der Absturz um 14 Plätze von Rang 17 auf 31 ist das Ergebnis einer Vielzahl grober Nadelstiche gegen journalistische Medien im letzten Jahr. Recherchen von Medien und Erhebungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) deckten Zustände auf, die dem korrekten Verhältnis zwischen Regierung und Journalismus in einer liberalen Demokratie zuwiderlaufen. Der Kanzler selbst – einmalig in der Geschichte der Republik – wird mit Hausdurchsuchungen konfrontiert, als Beschuldigter geführt (es gilt die Unschuldsvermutung) und tritt daraufhin zurück“, so Fritz Hausjell, Präsident von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich.
Konkret gehe es, so die Autoren des Berichts, um „Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten bei Coronademos, Polizeischikanen, bezahlte Umfragen in Boulevardmedien und eine durch Korruption und Bestechung geprägte Politik“. Presseleute, die über Anti-Corona-Demos berichten, mussten teils private Security-Leute beschäftigen, weil die Polizei tätlichen Angriffen oft achselzuckend zugesehen habe, sagt Erhard Stackl, Vizepräsident von RSF Österreich. Für Stackl ist auch die Inseratenkorruption „ein wesentlicher Punkt, warum Österreich so abgesackt ist.“ Sebastian Kurz (ÖVP) musste letztes Jahr als Bundeskanzler zurücktreten, weil aufflog, dass seine engsten Vertrauten manipulierte Umfragen in Auftrag gegeben und in freundlich gesinnten Boulevardmedien platziert hatten. Als Gegenleistung gab es fette Inserate auf Kosten der Steuerzahler.
Boulevardmedien profitieren von öffentlicher Förderung
Empfohlener externer Inhalt
Der der Bewertung zugrunde liegende Fragebogen wurde dieses Jahr neu aufgestellt, so Stackl zur taz. Er ist in fünf Indikatoren und 123 Fragen gegliedert. Den wirtschaftlichen Aspekten kommt dabei größeres Gewicht zu als bisher. Und in diesem Kapitel liegt Österreich noch eine Kategorie tiefer, nämlich „besorgniserregend“. Da geht es zum Beispiel darum, dass sich die Höhe der öffentlichen Förderungen nach der Auflage richtet und nicht nach Qualitätskriterien.
Boulevard wird dadurch bevorzugt und bekommt zusätzlich noch besonders viele Inserate von Ministerien und anderen Einheiten der öffentlichen Hand. Stackl vermisst da „jedes Problembewusstsein“. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) flüchtete sich in einer ersten Reaktion in Gemeinplätze: „Klar ist, dass wir weiterhin jeden Tag alles dafür tun müssen, das hohe Gut der Pressefreiheit in Österreich weiter zu schützen, damit Journalistinnen und Journalisten frei, sicher und unabhängig ihrer Arbeit nachgehen können.“
Nicht berücksichtigt weil erst nach Jahresende aufgeflogen, ist ein Skandal in Vorarlberg, wo die ÖVP über eine Parteizeitung jahrelang verdeckte Spenden von der Wirtschaftskammer einstreifte. Ähnliche Gepflogenheiten des Pressemissbrauchs in anderen Bundesländern werden untersucht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr