Randale an Polens Unabhängigkeitstag: Hooligans demolieren Warschau
Politiker sprechen vom „Tag der Schande“. Jedes Jahr am polnischen Unabhängigkeitstag verwüsten Hooligans und Rechtsradikale die Hauptstadt.
WARSCHAU taz | Hunderte schwarz maskierte Hooligans randalierten am polnischen Unabhängigkeitstag in Warschau. Vor dem neuen Nationalstadion kam es zu einer regelrechten Schlacht mit der Polizei. Pflastersteine und Metallpfosten flogen durch die Luft. Brandbomben und Feuerwerkskörper verwandelten manche Straßenzüge in ein rot rauchendes Inferno. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse ein. 280 Randalierer wurden verhaftet, fast 50 Verletzte mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Anders als in den letzten Jahren waren die Warschauer Verwaltung und Polizei aber wesentlich besser auf die Krawalle vorbereitet. Die verschiedenen Demonstrationszüge erhielten parallel verlaufende Trassen zugewiesen, so dass sie nicht aufeinandertreffen konnten. Zudem schützten die insgesamt 5.000 Polizisten mit einem Sonderaufgebot besonders gefährdete Objekte wie die russische Botschaft, die Randalierer vor letzten Jahr fast gestürmt hatten.
Auch rund um die farbenfrohe Kunstinstallation eines Regenbogens vor der Erlöserkirche bildeten Polizisten einen engen Schutzkordon. Hooligans und Rechtsradikale hatten das Symbol für Freiheit und Toleranz in der Vergangenheit bereits sieben Mal abgefackelt. Von Polizisten eskortiert wurde auch der Marsch von Staatspräsident Bronislaw Komorowski und Regierungschefin Ewa Kopacz „Zusammen für die Unabhängigkeit“. Deren Trasse führt an zahlreichen Denkmälern berühmter Politiker und Generäle Polens vorbei.
Komorowski versucht seit drei Jahren, eine neue Tradition einzuführen, die die stark gespaltene Gesellschaft Polens zumindest an diesem einen Tag im Jahr zusammenführen soll. Bislang allerdings erfolglos. Gefeiert wird am 11. November die Wiedergewinnung der polnischen Unabhängigkeit nach über 120 Jahren der Teilung durch Preußen, Russland und Österreich.
Allpolnische Jugend und Nationalradikales Lager
Mehr und mehr polnische Politiker und Publizisten bezeichnen den Nationalfeiertag des Landes aber als einen „Tag der Schande“. Denn immer wieder kommt es zu Ausschreitungen, die Teile der Warschauer Innenstadt in ein Trümmerfeld verwandeln. Zudem nimmt die Zahl der gewaltbereiten Hooligans zu. Angeführt wird deren „Marsch der Unabhängigkeit“ von den rechtsradikalen Gruppen „Mlodziez Wszechpolska“ (Allpolnische Jugend) und „Oboz Narodowo-Radykalny“ (Nationalradikales Lager).
Da viele Warschauer fürchten, am Nationalfeiertag eventuell von einem Stein oder einer Brandbombe getroffen zu werden, wirkt die Stadt – bis auf die einzelnen Demonstrationszüge – wie ausgestorben. Auch „Recht und Gerechtigkeit“, die rechtsnationale Oppositionspartei im polnischen Abgeordnetenhaus, zieht es vor, den Nationalfeiertag Polen nicht in der Hauptstadt zu feiern, sondern im südpolnischen Krakau. Insgesamt, so die Veranstalter, sollen an allen Demonstrationszügen in Warschau rund 30.000 Polen teilgenommen haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands