Räumung des Flüchtlingscamps von Calais: Endlich raus aus dem „Dschungel“
Einige minderjährige Flüchtlinge konnten vor der Räumung ins Vereinigte Königreich einreisen. Dessen Regierung hatte lange gezögert.
14 minderjährige Flüchtlinge aus dem „Dschungel“ genannten Flüchtlingscamp bei Calais sind am Montag in Croydon in Südlondon eingetroffen. Dort konnten sie sich per Eilverfahren sofort in der nationalen Einwanderungsbehörde des britische Innenministeriums registrieren.
Mit den 14 Flüchtlingen ist damit die zweite Gruppe von Kindern aus dem „Dschungel“ von Calais in Großbritannien angekommen. Die erste war bereits am Donnerstag eingetroffen. Es handelt sich um alleinreisende Minderjährige, unter anderem aus Syrien, Irak und Afghanistan.
Die britische Regierung hatte die Einreise nach langem Warten endlich bewilligt. Die Minderjährigen können in Großbritannien Asyl erhalten, da sie im Land Familienangehörige haben. Das Zögern der Regierung wurde zuletzt in einem Gerichtsverfahren öffentlich bemängelt. Auch der französische Innenminister Bernard Cazeneuve hatte Großbritannien aufgerufen, seiner „moralischen Pflicht“ nachzukommen und die jungen Flüchtlinge aus dem Camp bei Calais aufzunehmen.
In diesem leben Schätzungen zufolge bis zu 10.000 Flüchtlinge und Migranten unter prekären Umständen. Die französische Regierung will das Camp bald räumen und die Bewohner in Unterkünften in ganz Frankreich unterbringen. Die Flüchtlinge aber wollen meist nach Großbritannien.
Recht auf Familienzusammenführung
Die Organisationen Citizens UK und Save Passage wissen von 1.241 Kinder und Jugendlichen unter den Bewohnern des „Dschungels“. Die Initiativen hatten die Fälle der jungen Flüchtlinge in Calais vorbereitet. George Gabriel, Rechtsberater von Citizens UK, gibt an, dass sich ganze 40 Prozent der 1.241 Kinder auf eine Familienzusammenführung berufen können. Eine Liste mit den Fällen von 30 Kindern und Jugendlichen haben die Organisationen am Montag an das britische Innenministerium übergeben – darunter auch Kinder unter zehn Jahren.
Gabriel gibt an, dass darüber hinaus weitere 40 Prozent ein Anrecht auf eine Aufnahme in Großbritannien nach der Gesetzeserweiterung unter Lord Alfred Dubs hätten. Damit beschloss im Sommer das britische Parlament entgegen den damaligen Willen der Regierung, 3.000 der gefährdetsten Flüchtlingskinder aufzunehmen. Lord Alfred Dubs, 84, einst selbst jüdischer Kinderflüchtling aus Prag, hatte sich persönlich dafür eingesetzt.
Der ehemalige Erzbischof der anglikanischen Kirche, Rowan Williams, hieß die 14 minderjährigen Flüchtlinge mit dem Bischof von Croydon willkommen. Zuvor hatte Williams gewarnt, dass die Uhr für die restlichen Kinder in Calais ticke. Die Räumung des Camps stehe unmittelbar bevor.
Citizens UK und Save Passage fordern von der britischen und französischen Regierung, dass die Räumung des Lagers in Calais erst dann beginnt, wenn Kinder und Jugendliche in Großbritannien oder in Frankreich in Sicherheit gebracht sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei