Radverkehr in Hamburg: Sichere Fahrt für freie Radler
Zwei Jahre alt ist die Einigung zwischen Senat und der Volksinitiative „Radentscheid Hamburg“. Im Verkehrsausschuss wurde ein Fazit gezogen.
Glücklich sind die Fahrradaktivist:innen nicht, das zeigte sich am Mittwochabend im Verkehrsausschuss der Bürgerschaft. Dagegen präsentierte sich Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) zufrieden, weil die Initiative positive Auswirkungen auf die Politik gehabt hat: „Die Strategie des Senats basiert auf der Einigung mit der Initiative.“
Günther Reimers, Sprecher der Initiative, bemängelte, dass der Senat bei der Entwicklung des Radverkehrsnetzes weiter vor allem die Umsetzung von Maßnahmen im Blick hat: „Doch Maßnahmen sind keine Ziele, sondern mit ihnen sollen Ziele erreicht werden.“ Die Initiative formuliert das Ziel, den Radverkehr in erster Linie so sicher zu machen, dass mehr Menschen das Rad nutzen.
Ausschussmitglieder der rot-grünen Regierungsfraktionen betonten hingegen, dass bereits einige beschlossene Maßnahmen schon umgesetzt worden seien.
Einigung mit dem Hamburger Senat
Die Radaktivist:innen meldeten 2019 die Volksinitiative an – tragischerweise an einem Tag, an dem im Stadtteil Stellingen ein Radfahrer von einem abbiegenden Laster getötet wurde. Konkretes Ziel der Initiative war ein Hamburger Radnetz nach niederländischem Vorbild: Kreuzungen sollen für Radfahrende baulich geschützt sein, ebenso sollen die Radstreifen an den Hauptstraßen gut abgetrennt vom motorisierten Verkehr sein, der Belag solle sich farblich von angrenzenden Flächen absetzen.
Mit der Umsetzung eines geforderten 12-Punkte-Plans solle damit ein „dichtes, barrierefreies Radfahrnetz für alle“ entstehen.
Früh nach Anmeldung der Volksinitiative begannen die Verhandlungen zwischen den rot-grünen Regierungsfraktionen und den Aktivist:innen. Schon nach sechs Monaten, im April 2020, war in den Verhandlungen eine Einigung erzielt worden. Ein abschließender Volksentscheid war damit seitens der Politik abgewendet.
Die Aktivist:innen zeigen sich heute mit dem Ergebnis weiterhin mäßig zufrieden. Zwar konnten sie dem Senat abringen, dass Radstreifen besser abgetrennt sind vom Autoverkehr. Und auch war eine zentrale Forderung angenommen, dass keine Radstreifen mehr zwischen zwei Autostreifen verlaufen soll – sogenannte Radstreifen in Mittellage.
Andererseits bemängeln sie, dass es kaum Zusagen über Finanzierungen und konkrete zeitliche Vereinbarungen der auszubauenden Strecken gebe. „Unser Ziel war, ein gutes Streckennetz für Kinder, Pendler und Ältere zu ermöglichen“, sagt Reimers heute. „Da sind wir auch heute noch lange nicht.“
Bündnis für Rad- und Fußverkehr nimmt Fahrt auf
Vor drei Wochen verkündete Verkehrssenator Anjes Tjarks die wichtigsten Radverkehrskennzahlen aus dem vergangenen Jahr. So nahm der Fahrradverkehr im Vergleich zu 2020 massiv ab. Im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 ergab sich ein anderes Bild: Demgegenüber legte der Radverkehr um 23 Prozent zu, während sich der Autoverkehr um 19 Prozent verringert habe.
Und beim Ausbau des Radverkehrsnetzes scheint es mittlerweile voran zu gehen: Tjarks gab bekannt, dass 56 Kilometer Radweg neu gebaut oder saniert wurden. Das ist zwar etwas weniger als im Jahr zuvor, allerdings deutlich mehr als in den Jahren 2015 bis 2019. Da waren es durchschnittlich rund 35 Kilometer. Vom eigens gesteckten Ziel, rund 60 bis 80 Kilometer neuer Radweg jährlich, ist Tjarks dennoch entfernt.
Um das mittelfristig aber hinzubekommen, erneuerte der Senat sein Bündnis für den Radverkehr Ende vergangenen Jahres. Darin haben sich Senats- wie Bezirksbehörden verpflichtet, gemeinsam den Radverkehr auszubauen, es wurde auch um die Belange von Fußgänger:innen erweitert. Verbände, Initiativen und Organisation sollen derzeit noch eingebunden werden.
Reimers überzeugt das Bündnis nicht: „Die Verantwortung etwa für Schulradwege wurden in die Bezirksbehörden verschoben, doch Tjarks muss diese auch in die Lage versetzen, das umzusetzen“, bemängelt Reimers.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?