Radfahrstreifen zwischen Autospuren: Mit Angst in der Mitte
Radfahrstreifen zwischen Autospuren können den Fahrradverkehr sicherer und schneller machen, sind für viele Radler aber auch Grund zur Angst.
Die Verkehrslenkung sieht in diesen Fällen so aus: Ein aufgemalter Radfahrstreifen führt geradeaus über eine Kreuzung – zwischen einer Geradeausspur für Autofahrer und einer Rechtsabbiegespur. Die Idee dabei ist, dass geradeaus fahrende Radler von abbiegenden Lastwagen nicht mehr übersehen werden sollen.
Nach einer Einigung mit der „Volksinitiative Radentscheid“ im vergangenen Jahr will der rot-grüne Hamburger Senat in Zukunft keine Kreuzungen mehr nach diesem Muster gestalten und die bestehenden besser kennzeichnen.
Ob dieses Kreuzungsdesign sicherer oder gefährlicher ist als andere Lösungen, ist nicht abschließend geklärt. Die Einigung von Senat und Bürgerschaft mit der „Volksinitiative Radentscheid“ legt Wert auf ein sicheres Kreuzungsdesign. Abbiegende Autos sollten durch enge Kurvenradien verlangsamt, Radler durch vorgezogene Haltelinien und Grünvorlaufschaltungen sichtbar gemacht werden. Außerdem regt die Einigung an, über Kreuzungen nach niederländischem Muster nachzudenken, bei denen die Radler Kurven fahren müssen, um an einer Kreuzung vorbei zu kommen, sodass das abbiegende Auto sie frontal vor sich hat.
Auch bei den Radfahrstreifen in Mittellage geht es vor allem um Sichtbarkeit: Ein Radfahrstreifen auf der Fahrbahn wird über eine Kreuzung hinweg fortgeführt. Weit vor der Kreuzung gibt es einen Bereich mit gestrichelten Linien, wo eine Spur für Autos wie Radfahrer nach rechts abzweigt.
Ob so eine Weiche sinnvoll ist, sei „eine der schwierigsten Fragen überhaupt“, sagt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Das müsse im konkreten Fall abgewogen werden gegen den Radweg am Straßenrad mit einer Kreuzungsquerung an der Fußgängerfurt. Ist die Sicht zugestellt mit parkenden Autos, Büschen und Verteilerkästen, würde Brockmann eine klar und deutlich ausgewiesene Weiche auf der Straße vorziehen.
Dass das Thema intensiv diskutiert wird, liegt daran, dass sich zwei Drittel aller Radverkehrsunfälle innerorts mit Personenschaden und mehreren Beteiligten laut dem UDV an Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten ereignen; etwa jeder fünfte Unfall davon beim Abbiegen nach rechts. Am Großteil dieser Unfälle sind Lastwagen beteiligt, überwiegend als Verursacher.
Der Hamburger Senat hält die Radfahrstreifen in Mittellage an sich für unproblematisch. „Aus der langjährigen Praxis lässt sich sagen, dass die RiM bis dato bezüglich Unfällen unauffällig waren“, teilte er der CDU mit.
Zu einem differenzierten Ergebnis kommt eine Studie der TU Berlin, die 48 RiM-Kreuzungen einer Vorher-Nachher-Analyse unterzogen hat. „Es konnte gezeigt werden, dass diese Führungsform im Knotenpunktbereich nicht generell positiv auf die Sicherheit wirkt“, heißt es im Fazit. Zwar seien die Unfälle mit Verletzten insgesamt zurückgegangen, dafür habe es aber mehr Schwerverletzte gegeben.
Besser sehe es aus, wenn die Radfahrstreifen in Mittellage nicht zu schmal und nicht zu kurz gestaltet würden. Zudem müsse der Radverkehr eine gewisse Stärke haben, während es nicht zu viele abbiegende Autos geben dürfe. 45 Prozent der Radler fühlen sich der Studie zufolge auf den RiM unsicher.
Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) rät von den Radfahrstreifen in Mittellage auch unter Verweis auf diese Studie ab. „RiM sind ein Instrument aus der Toolbox der auto-zentrierten Verkehrsplanung“, heißt es in einem Positionspapier des Verbandes. Sie dienten vor allem dazu, Kreuzungen für den Autoverkehr leistungsfähig zu halten, widersprächen aber der Vision Zero – null Verkehrstote.
Die CDU in Hamburg findet deshalb, es müsse „in jedem Einzelfall geprüft werden, ob ein baulicher Rückbau sinnvoll möglich ist“. Die Radwege rot anzumalen, wie vom Senat geplant, sei keine Lösung und werde auch die Akzeptanz nicht steigern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga