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RWE fällt Bäume im SündenwäldchenEs dröhnen die Sägen am Hambi

Der Kohlekonzern RWE rodet seit Mittwochmorgen das Sündenwäldchen am Hambacher Wald. Aktivisten rufen zum Protest auf.

Die Rodung beginnt: Mitarbeiter des Werksschutzes von RWE Power umringen ein Waldstück am Rand des Braunkohletagbaus Hambach Foto: Henning Kaiser/dpa

Aachen taz | Viele Heranwachsende haben hier das erste Mal eine geraucht, das sah ja keiner, und später auch dieses Haschisch. Biergelage unter Jugendlichen gab es sowieso und auch die ersten intimen Kontakte. Kein Wunder also, dass der Wald hinter dem Sportplatz Manheim im Volksmund Sündenwäldchen hieß.

So gingen jahrzehntelang die Erzählungen im Braunkohledorf neben dem Tagebauloch Hambach. Seit Mittwochmorgen sind die Kettensägen da. „Heute ist Tag X“, alarmierte am frühen Morgen die Mahnwache am Rande des sechs Hektar großen Waldes, „RWE und Cops sind in großer Zahl gekommen. Kommt alle! Generalstreik jetzt!“

Romantisierende Erzählungen interessieren die Tiere im Wald nicht, etwa die vom Aussterben bedrohte Bechsteinfledermaus. Sie will hier weder Drogen nehmen noch knutschen, sondern überleben. Das Gehölz ist unverzichtbar für einen funktionierenden Biotopverbund zur Vernetzung zwischen Hambacher Wald im Westen und dem Bürgewald Steinheide keine zwei Kilometer östlich.

Historisch gehört der „Sündi“, wie die AktivistInnen sagen, zum Hambacher Wald, der ja eigentlich als vertraglich zwischen RWE und Landesregierung zugesichert unangetastet bleiben muss. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hatte gegen die Rodung geklagt. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte einen Eilantrag (nach vier Wochen) am Dienstag zurückgewiesen.

Die kühle Argumentation: Das Gebiet dürfe sehr wohl „bergbaulich zur Abraumgewinnung in Anspruch genommen werden. Artenschutzrechtliche Defizite, insbesondere was die Bechsteinfledermaus und die Haselmaus anbelangt, liegen nicht vor“. Zwar sei „der Biotopverbund und eine Biotopvernetzung der erhalten bleibenden Wälder auch bei Abbaggerung der Manheimer Bucht sicherzustellen“, aber es seien ja „bereits im Vorfeld Bäume und Sträucher entlang alternativer Verbindungskorridore gepflanzt worden“.

RWE-Argumente ziehen vor Gericht

Ob die Fledermäuse nach vielen Jahren Brachland einmal die alternativen Verbindungskorridore findet? Das „gewichtige betriebliche Interesse von RWE“, so das Gericht, sei wichtiger.

Jetzt dröhnen die Sägen, erste Bäume sind am Sportplatz längst gefallen. Die Polizei sichert ab. Hubschrauber kreisen. Unklar, was mit den Baumhäusern im Sündi passiert und ihren etwa 30 BewohnerInnen. Überall ist Blaulicht. Massive Steinquader und Zäune sollen das Gebiet schützen. RWE hat schon Strafanzeigen angedroht.

Dabei hatte RWE öffentlich zugesagt, bis zum 31.1. stillzuhalten. Nicht ganz, sagt Sprecher Matthias Beigel jetzt zur taz, „bis zur Gerichtsentscheidung, längstens bis zum 31.“ Einen festen Zeitplan gebe es nicht: „Das ist lageabhängig. Wir roden jetzt erstmal.“ Laut RWE-Website geschehe das „im Zuge von planmäßigen Arbeiten zur Gestaltung des künftigen Hambacher Sees“.

Vor zwei Wochen hatte Dirk Jansen, NRW-Vorsitzender des BUND, bei einer Demo am Sündenwäldchen noch optimistisch prophezeit, „dass wir uns juristisch bis zum 28.2. retten können“, bis zur Schonzeit, dem gesetzlichen Rodungsverbot. Jansen sprach vom „Hambi 2.0“. Jetzt könne RWE „auch nach dem Ende der Braunkohlegewinnung mit der Zerstörung wertvoller Natur fortfahren. Bitter ist, dass die schwarz-grüne Landesregierung den Weg dafür geebnet hat.“

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7 Kommentare

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  • Die Rodung des Hambacher Forst haben seinerzeit Grüne und SPD in NRW genehmigt. Landwirtschaftsminister Remmel Grüne.

    Ebenfalls haben SPD und Grüne den bau des Megakohlkraftwerks Datteln,Erweiterung Garzweiler 2 und damit den Abriss von Dörfern genehmigt.

    • @Martin Sauer:

      Datteln wird mit Steinkohle betrieben, das hat nichts mit Braunkohletagebau zu tun.

  • Die Ersatzpflanzungen dort sind offensichtlich nicht ausreichend oder mit einem bereits intakten Wald gleichzusetzen.

    Braunkohle wird ein Riesenfehler gewesen sein, der ganze Landschaften und Dörfer aufrieb, um besonders viel CO2 in die Luft zu pumpen. Auf Kosten der Zukunft. In West wie Ost. Wie können diese Leute eigentlich ruhig schlafen?

  • Das läuft wie immer. RWE setzt sich vollkommen rücksichtslos durch, CDU und GRÜNE schauen zu. Gerade die GRÜNEN hätten ein wenig Verständnis für Klima, Natur und - die jungen Menschen aufbringen können, ja müssen. Doch Mona Neubaur ist eine Karrierefrau- DAS zählt, sonst nix.

    • @Perkele:

      Mona Neubaur hat gegen die Räumung des Hambacher Forsts bekanntlich persönlich mitdemonstriert. Es gibt auch bei den Grünen Karrieremenschen, (wer ohne Voraussetzungen Politikkarriere machen will, geht dabei gerade eher zu den Blaubraunen), Neubaur macht jedoch nicht so den Eindruck wie andere. Und holte Teilrettungen heraus. Bzw. ein CO2-Preis drückt die Braunkohle auch noch raus.

      RWE (West) hatte immer SPD, CDU, FDP im Sack: da eine Unterstützung für Vereine, da die Dividenden, da Peanuts für den Landkreis, da "Arbeitsplätze" rufen - die es bei Braunkohle kaum gibt, aber trennende Wüstenlandschaften, wo vorher exquisiter Bördenboden war.



      Ich würde dann auch diese Parteien mit Abstand zuerst nennen. Die Grünen hingegen waren die einzige Partei im Landtag, die es früher kapiert hatte als alle anderen, gegenhielten, aber die SPD war bei Steinkohle wie Braunkohle ideologisch und dann noch richtig daneben.

  • "Kein Wunder also, dass der Wald hinter dem Sportplatz Manheim im Volksmund Sündenwäldchen hieß."

    Das "Sündenwäldchen" ist weitaus älter als die Cannabisprohibition: (Alt-)Manheim hat mehr als 1000 Jahre Ortsgeschichte hinter sich.

  • taz: *Der Kohlekonzern RWE rodet seit Mittwochmorgen das Sündenwäldchen am Hambacher Wald. Aktivisten rufen zum Protest auf.*

    Den Aufruf zum Protest kann man sich sparen, denn die Bürger werden höchsten 'Gefängnis und Prügelstrafe' für Umwelt- und Klimaschützer fordern. Der Kapitalismus hat alles fest im Griff und gibt mit seinen hauseigenen Medien den Weg vor, den der Bürger gehen soll. So ist es eben, wenn man in einem Land an Bildung spart; was man momentan ja auch gut in den USA sehen kann. Und mit BlackRock-Fritz wird das sicherlich in den nächsten Jahren alles noch viel "lustiger" werden.

    Unsere sogenannten Volksvertreter (egal aus welcher Partei auch immer) bekommen zwar keinen vernünftigen Umwelt- und Klimaschutz auf die Beine gestellt, aber Klimaschützer vor Gericht bringen, das klappt 'nach wie vor' hervorragend in diesem Land.