Querspalte:
Brief an Olaf
Die größte Demo Deutschlands, das Gedenken an den Mord von Liebknecht und Luxemburg, wird heute vielleicht wieder verboten, weil du gedroht hast, die PDS-Führung mit „Granaten“ in die Luft zu sprengen.
Jedes Herz ist eine Zeitbombe. Und wer jahrelang vom Hauseigentümer geärgert wird und sich von der zuständigen PDS-Baustadträtin Albinus verhöhnt fühlt, der dreht schon mal durch. Ich habe Verständnis dafür und wünschte, wir „kleinen Leute“ würden öfter so aktiv werden.
Aber, Olaf Staps, ich habe Angst um dich. Polizei und PDS bauen dich gemeinsam – ich zitiere – zum „vom Hass diktierten Attentäter“ auf, zum „kranken“ Staatsfeind Nummer eins. Dabei bin auch ich von dir bedroht, denn ich werde persönlich auf die Liebknecht-Luxemburg-Demo gehen. Zehntausend Mark hat die Polizei auf deinen Kopf ausgesetzt, das ist mehr Geld, als du jemals in deinem Leben besessen hast. So bist du als kleiner Brandstifter in die Mühlen der großen Politik geraten.
Jetzt sitzt du irgendwo in einer ungeheizten Datsche vorm Computer und überlegst, was du noch schreiben kannst, damit die Presse dich ernst nimmt, und du zitterst vor Kälte und Angst. Du bist in der Lage des Selbstmörders auf dem Hochhaus, der eigentlich weiterleben will, aber unten johlt die Meute: „Spring doch, du Feigling.“
Senator Werthebach ist ein erfahrener Geheimer und weiß seit der RAF, wie er Terroristen in ausweglose Situationen manövriert, sodass sie am Ende sterben müssen. Alle verschweigen, dass du die Demo in Ruhe lässt, wenn die PDS-Spitze zu Hause bleibt. Die halten deine Vorwürfe geheim, sonst würden die Leute nämlich merken, dass dein gewünschter Tod nur vertuschen soll, dass die PDS die Stalinallee zum Niedrigpreis verschenkt hat. Sie alle jagen dich jetzt, Olaf. Pass auf dich auf! Dr. Seltsam
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