Queerer Film „Giant Little Ones“ auf DVD: Annäherung unter Verdacht

Der Film „Giant Little Ones“ von Keith Behrman erzählt eine queere Geschichte unter Jugendlichen – mit genau beobachteter Ambivalenz.

Zwei Jugendliche auf Fahrrädern.

Von Freundschaft zu Feindschaft: Ballas (Darren Mann) und Frankie (Josh Wiggins) Foto: Eurovideo Medien

Franky (Josh Wiggins) und Ballas (Darren Mann) sind beste Freunde, seit Kindheitstagen, auch jetzt noch unzertrennlich, mit sechzehn, siebzehn, gemeinsam im Schwimmverein, auf derselben Schule in einer amerikanischen Stadt. Von Sex ist viel die Rede unter den Jungs der Schule, aber es geht um Sex mit Mädchen, Franky hat es auf die hübsche und brave Cil (Hailey Kittle) abgesehen, Cil hat es auf Franky abgesehen, es will nur nicht gelingen, einen passenden Ort und Zeitpunkt für den ersten gemeinsamen Sex zu finden.

Alles sehr behütet hier, die Mutter, die Eltern, die Geschwister: Eine oder einer stört immer. Machen wirʼs im Park, schlägt Franky vor. Cil ist entsetzt. Das ist kein match made in heaven.

Nach einer Party radeln Franky und Ballas, schwer betrunken, durch die leeren Straßen der Vorstadt. Sie landen schließlich im selben Bett und haben, plötzlich und unerwartet für beide, Sex miteinander. Was genau passiert, wird erst später klar, die Darstellungen unterscheiden sich zunächst so sehr wie die Reaktionen der beiden.

Franky, der eher kein großes Problem damit hätte, schwul zu sein, ist sich ziemlich sicher, dass er es nicht ist. Ballas, der ein ziemliches Problem damit hat, dass er es ist, macht dagegen großes Theater, erzählt, Franky hätte ihm den Schwanz gelutscht, dabei war es, wie man später erfährt, genau andersherum.

„Giant Little Ones“ (Kanada 2018, Regie: Keith Behrman). Die DVD ist im Handel ab rund 10 Euro erhältlich.

Das Ereignis sät Zwietracht zwischen den beiden, ja offene Feindschaft. Ballas tritt Frankys Fahrrad kaputt. Franky klaut das von Ballas, sie prügeln sich heftig. Cil zieht sich zurück. In der Schule, im Schwimmverein wird Franky zur Figur, der man ausweicht.

Stillschweigend geduldete Homophobie

Es ist eine unterschwellige, gesellschaftlich höchstens stillschweigend geduldete, offiziell sanktionierte Homophobie – der offen schwule Mitschüler etwa wird von den meisten, wenn auch nicht von allen akzeptiert. Der Film ist hier und überhaupt sehr gut darin, die Dinge nicht im Ungefähren, sondern in sehr genau beobachteter Ambivalenz zu belassen.

Regisseur und Drehbuchautor Keith Behrman stellt zwar das Franky-Ballas-Drama ins Zentrum seiner Geschichte, aber es geht ihm nicht nur und vielleicht nicht einmal primär um die beiden. Er weitet das Ganze zu einem Gruppen-, wenn auch ganz bewusst nicht zum Gesellschaftsbild. Sein Interesse ist nicht soziologisch, ihn interessieren Individuen, ihn interessiert, was sexuelle Orientierung und sexuelle Desorientierung, aber auch traumatische Ereignisse mit ihnen machen.

Da ist etwa Ray (Kyle MacLachlan), Frankys Vater, der dessen Mutter (Maria Bello) vor nicht zu langer Zeit für einen Mann verlassen hat. Die Verhältnisse zwischen den Eltern sind ziemlich gespannt, der Vater ermutigt den Sohn, so oder so. Die Mutter stolpert unterdessen von einem unglücklichen Date zum andern. Da ist Frankys Kumpel Mouse (Niamh Wilson), sexuell non-binär nicht-definiert, auf eher anthropologische Art an Schwänzen, auch dem von Franky, sehr interessiert, trägt darum gern einen als Strap-on in der Hose.

Und da ist vor allem Natasha (Taylor Hickson), Ballasʼ Schwester, die zusehends in den Vordergrund von „Giant Little Ones“ rückt. Es kommt zur Annäherung zwischen Franky und ihr. Sie geraten gleich unter den Verdacht, nun zur Ablenkung von Frankys schwulen Neigungen Hetero-Komödie spielen zu wollen. Es ist ganz anders.

Natasha, die ihren Bruder durchschaut, erkennt in Franky den Mann, der sie, die durch eine Vergewaltigung traumatisiert ist, versteht. Behrman schildert und zeigt all das mit schöner Zartheit, aber ohne Sentimentalität. Es ist erst sein zweiter Langfilm, den ersten hat er vor achtzehn Jahren gedreht. Hoffentlich geht es mit dem nächsten doch etwas schneller.

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