Die Dackel-Anomalie: Quälend kurze Beine
Mit einem Verbot von Qualzuchten will Minister Cem Özdemir Tierleid verhindern. Das Gesetz ist schwammig und streng bei Hunden – und zu locker bei Nutztieren.
D ie armen Dackel. Wenn sich an dem Gesetzesentwurf von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zu sogenannten Qualzuchten nichts ändert, droht ihnen das Verbot. Und das, obwohl das Agrarministerium eigentlich keine spezifische Rasse verbieten möchte. Es will nur jene Tiere von der Zucht ausschließen, die quälende Merkmale vererben könnten. Erst mal eine gute Idee. Leider schießt die Umsetzung am Ziel vorbei.
Schwammige Formulierungen könnten dazu führen, dass nicht etwa der kranke Rücken eines Dackels das Ausschlusskriterium für seine Zucht wird, sondern allein seine Winzigkeit.
Wenn „Anomalien des Skelettsystems“ dazu führen sollen, dass ein Tier von der Zucht ausgeschlossen wird, braucht es ein „Normal“, von dem die Tiere abweichen. Beim Hund ist das evolutionär bedingt der Wolf. Die Befürchtung vieler Hundehalter: der Dackel hat so wenig mit dem Wolf zu tun, dass die gesamte Rasse als Anomalie betrachtet wird.
Der beste Freund des Menschen ist ein emotionales Thema für seine Freunde. Bevor jedoch alle Rassen verboten werden, wird das Agrarministerium den Gesetzesentwurf hoffentlich überarbeiten. Denn nicht nur die Regelungen zu Qualzuchten sind zu ungenau, auch das liebe Vieh wird nicht ausreichend geschützt.
Gute Absichten, aber keine guten Umsetzungen
Im durchschnittlichen Rinderbetrieb dürften die Kühe weiterhin in Anbindehaltung leben, Schweinen dürfte weiterhin der Schwanz abgeschnitten werden und Langstrecken-Tiertransporte dürften weiterhin legal bleiben.
Nur weil diese Tiere lieber gegessen werden, während Hunde eher gestreichelt werden, verdienen sie trotzdem einen hinreichenden Schutz für ein angemessenes Leben. Immerhin leben in Deutschland über 200 Millionen Nutztiere. Dagegen gibt es „nur“ knapp über 34 Millionen Haustiere.
Der Gesetzesentwurf soll Qualen reduzieren. Aber in der Umsetzung würde das Gesetz Verwirrung stiften und vermeidbares Leid legitimieren. Das Agrarministerium würde gut daran tun, sich die Kritik der Tierschützer zu Herzen zu nehmen und den Entwurf zu überarbeiten. Dann könnten die guten Absichten auch durch gute Umsetzung erreicht werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen