Quälerei in Schweinebetrieb: Bauer knallt Tiere auf Metallkante
Ein Video zeigt Männer, die in einem Stall Schweine quälen. Der Hof soll als angeblich besonders tierfreundlich eine Prämie kassieren.
![Nachts ins Visier der Tierschützer geraten: ein Stallgebäude des Hofs Nachts ins Visier der Tierschützer geraten: ein Stallgebäude des Hofs](https://taz.de/picture/4581258/14/bauern-schweine-quaelerei-1.jpeg)
Der Hof erhielt den Tierschützern zufolge vom Land Niedersachsen eine „Ringelschwanzprämie“, weil er einem Teil seiner Schweine nicht wie in der konventionellen Haltung üblich die Schwänze kürzt. Es handele sich um einem Familienbetrieb in Wietmarschen im Landkreis Grafschaft Bentheim. Er habe rund 500 Sauen, die pro Jahr etwa 15.000 Ferkel zur Welt bringen. Die Jungtiere würden dort für kurze Zeit gehalten, bevor sie an Mäster verkauft werden.
Es sind schon mehrmals Videos aus deutschen Schweinebetrieben bekannt geworden, in denen Ferkel auf ähnlich schmerzhafte und deshalb untersagte Art und Weise getötet wurden. In diesem Fall sind aber ältere Tiere betroffen. „Bei kleinen Ferkeln ist dies eine gängige (wenn auch verbotene) Praxis, aber Schweine, die ca. 20 kg und mehr wiegen, so töten zu wollen, ist schlichtweg nicht möglich“, teilte Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender des Tierschutzbüros, am Montag mit. Das sei „reinste Tierquälerei“.
Die Aufnahmen zeigen auch sehr dreckige Stallabteile. An einigen Stellen drückt die Gülle durch den Spaltenboden aus dem darunterliegenden Becken hoch. Zudem seien viele Spalten zu breit und scharfkantig, was vermutlich die blutigen Wunden zahlreicher Schweine verursacht habe, so das Tierschutzbüro. In der angeschlossenen Sauenhaltung sei ein Großteil der Einzelkäfige („Kastenstände“) zu klein, auch fehle zum Teil Beschäftigungsmaterial.
„Besonders pikant ist die Tatsache, dass die Schweine beim Sortieren bzw. Abtransport zur Mastanlage an ihren Ringelschwänzen hochgezogen werden“, so die Tierschützer. Das müsse „unglaubliche Schmerzen“ auslösen. „Wie absurd ist es denn, dass den Tieren nicht der Ringelschwanz kupiert wird und genau dies wird dann den Tieren zum Verhängnis und das Land Niedersachsen zahlt dem Landwirt dafür auch noch Geld“, kritisierte Peifer. Für jeden intakten Ringelschwanz bekommen die Ferkelerzeuger*innen rund 5 Euro und Schweinemäster*innen rund 17 Euro. In der Förderperiode 2019/2020 zahlte das Land so knapp 9 Millionen Euro an rund 350 niedersächsische Bauern.
Der beschuldigte Landwirt bestätigte laut ARD-Fernsehen, dass die heimlich aufgenommenen Bilder authentisch seien. Es hätten schwache Tiere notgetötet werden müssen, aber das Bolzenschussgerät sei nicht auffindbar gewesen, sagte der Bauer. Deshalb habe man zum Genickbruch gegriffen: „Das ist natürlich nicht richtig so. Tut mir auch leid.“
„Viele der hier beschriebenen und im Video erkennbaren Behandlungen und Haltungsbedingungen der Tiere entsprechen nicht dem geltenden Recht bzw. sind rechtswidrig. Dies betrifft insbesondere die im Video gezeigten Tötungsversuche, aber auch mit Schweinen belegte Buchten, in denen die Gülle über den Spaltenböden steht“, teilte Professor Lars Schrader vom bundeseigenen Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit der taz mit. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat nach eigenen Angaben ein Ermittlungsverfahren eröffnet.
„Solche Missstände verurteile ich ausdrücklich“, schrieb Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) der taz zu dem Fall. „Wir haben deshalb 2019 eine Bundesratsinitiative zur routinemäßigen Überprüfung der Tierkadaver eingebracht.“ Der Betrieb könne die Ringelschwanzprämie erhalten, wenn er zum Zeitpunkt der Beantragung alle Bedingungen erfüllt. „Dass zu einem späteren Zeitpunkt Erkenntnisse über Tierschutzverstöße in einem geförderten Betrieb bekannt werden, ist grundsätzlich nicht auszuschließen.“
Der Präsident des Landesbauernverbands („Landvolk“), Albert Schulte to Brinke, teilte der taz mit: „Tierhalter, die so mit ihren Tieren umgehen und rechtliche Vorschriften umgehen, müssen bestraft werden.“ Doch die meisten Bauern würden ihr Vieh gut behandeln. Tierärztliche Hochschule Hannover und Landwirte arbeiteten gerade zusammen, um neue Richtlinien für die Nottötung erkrankter Tiere zu erstellen.
Das Tierschutzbüro weist darauf hin, dass es immer wieder Misshandlungen gebe. Die Organisation hat allein in den vergangenen Wochen drei Fälle aufgedeckt. „An diesem Beispiel sieht man erneut, dass die ganzen Initiativen zu angeblich mehr ‚Tierwohl‘ einfach nichts bringen“, so Peifer. Die Verbraucher*innen müssten aufhören, tierische Produkte zu essen, „nur dann wird auch diese Tierquälerei nachhaltig ein Ende haben“.
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